Ingolstadt
„Der kleine Horrorladen“ feiert im Kleinen Haus des Stadttheaters umjubelte Premiere

07.12.2019 | Stand 23.09.2023, 9:47 Uhr

−Foto: Stadttheater Ingolstadt

Ingolstadt (DK) Was für ein Wahnsinn! Was für ein herrlich schräger, knallbunter, rotzfrecher, skurriler Wahnsinn! Das Stadttheater Ingolstadt hat mit dem „Kleinen Horrorladen“ einen weiteren Saisonhit gelandet.

Das legendäre Kult-Musical von Alan Menken und Howard Ashman nach dem Film „Little Shop of Horrors“ von Roger Corman aus dem Jahr 1960 wurde am Freitagabend im Kleinen Haus frenetisch gefeiert. Ohne Zugabe wollte das begeisterte Publikum partout nicht nach Hause gehen.

Philipp Moschitz hatte das Grusical auf die Bühne des Kleinen Hauses gezaubert. „Der kleine Horrorladen“ erzählt von Mr. Mushniks Blumenladen, der kurz vor dem Ruin steht, bis ihm der glücklose Angestellte Seymour mit einer seltsamen neuartigen Pflanze zu neuem Glanz verhilft. „Audrey Zwo“ nennt er sie – nach seiner Kollegin Audrey, in die er heimlich verliebt ist. Leider ist Audrey Eins aber mit einem sadistischen Zahnarzt liiert und kommt trotz seiner Brutalität nicht von ihm los. Die exotische Pflanze lockt Kunden an, Seymour wird berühmt und Mr. Mushnik reich. Doch die Pflanze hat ein Geheimnis: Sie ernährt sich mit Vorliebe von Blut. Und nach der ersten Frisch-Fleisch-Mahlzeit will sie immer mehr.

Regisseur Philipp Moschitz zeichnet ein fröhliches Endzeitszenario: Von Matthias Engelmann hat er sich die Bühne mit mannhohen Fässer zustapeln lassen, aus denen es in allen Farben giftig suppt. Zur Zivilisationsmüllhalde ist die Skid Row verkommen, wo nur noch zwielichtige Geschöpfe vegetieren und Audrey Zwo einen deftigen Nährboden findet. Die ist zu Beginn noch ein verunglücktes Pflänzchen im Topf, wird später mit Stabpuppen von den fabelhaften Soulgirls zum Leben erweckt und durchläuft diverse Wachstumsschübe. Bis das ausgewachsene Monstrum in persona Péter Polgárs nach Blut giert: „feed me, feed me“. Er erweist sich schnell als lustvoller Verführer und dämonischer Strippenzieher. (Und hätte sich schon allein durch diesen Auftritt als Frank-N-Furter für eine „Rocky Horror Show“ qualifiziert.) Wie kann Marc Simon Delfs hinreißend einfältiger Seymour dem Paroli bieten? Eine Buster-Keaton-Figur zeigt Delfs hier – in all seiner rührend-komischen Unbeholfenheit. „Zart wie eine Hyazinthe“ hat Marieluise Fleißer den Stummfilmstar in einem Essay einmal beschrieben. Was Wunder, dass so eine Hyazinthenfrisur auch Seymour krönt.

Überhaupt die Kostüme! Farbenprächtiges, Fedriges, Rankenzartes, Glitzerndes ist da zu sehen, Jackie-Kennedy- und Commedia-dell’Arte-Style bunt gemischt mit Disney- und „Rocky Horror Show“-Zitaten zu blaupinkorange zementierten Haaren. Und auf allen Textilien sieht man große Flecken aus den verseuchten Fässern. Regisseur Philipp Moschitz bedient den Kult mit Lust und setzt auf permanente Übertreibung: Alles ist hier laut, schrill und schockierend, aber höchst gewitzt, überraschend und stets in Perfektion in Szene gesetzt. Ein grandioses Ensemble steht ihm für diesen Musical-Spaß zur Verfügung: Neben Péter Polgár und Marc Simon Delfs sind das Renate Knollmann als anbetungswürdige Audrey, Ralf Lichtenberg im Fatsuit als gieriger Mr. Mushnik und Enrico Spohn, der den brutalen Zahnarzt als eine Art Marilyn-Manson-Widergänger gibt. Dazu die drei Soulgirls Michaela Thiel, Luisa Meloni und Naomi Simmonds. Sie singen teuflisch gut und herzzerreißend zart. Das betörende „Somewhre that’s Green“, das überwältigende „Skid Row“, das zauberhafte „Suddenly, Seymour“, das titelgebende, mitreißende „Little Shop of Horrors“ und und und. Ohrwurm-Garantie liefert Tobias Hofmann mit seiner fabelhaften Band. Und Katja Wachter hat sich exquisite Choreografien ausgedacht, die nie aufgesetzt wirken (hoppla, Musical), sondern sich perfekt ins Spiel fügen.

Alles stimmt hier – von den opulenten Kostümen über die aufwendige Maske bis zur apokalyptischen Bühne mit Wow-Effekt. Und das Ensemble ist einfach unglaublich. Schon vor der Premiere waren alle Vorstellungen bis Ende Februar 2020 ausverkauft. Vermutlich wird man auch hier Vorstellungen im Großen Haus ansetzen müssen. Erwartungsgemäß wird die Nachfrage groß sein. Diesen „Kleinen Horrorladen“ muss man einfach gesehen haben!

Anja Witzke