Ingolstadt
Der Methusalix vom Wienerwald

Dialektig-Festival: Wolfgang Ambros' denkwürdiger Konzertabend im Ingolstädter Kulturzentrum neun

06.12.2018 | Stand 23.09.2023, 5:19 Uhr
Raue Stimme, rauer Charme: Wolfgang Ambros gastierte in Ingolstadt. −Foto: Woelke

Ingolstadt (DK) Da Herr Am bros, habe die Ehre! Oid san's worn! Aber noch gut bei Stimme. Und immer noch a bisserl grantig? Im Leben is' halt ned alles leiwand. Hauptsach, da Wein schmeckt noch, ein Vierterl ab und zu. Und des Publikum, des is' ja auch immer noch begeistert. Grad dann, wenn S' so gut drauf san wie am Mittwochabend in der Halle neun in diesem komischen Ingolstadt.

Man ist ja mit gewissen Befürchtungen zu diesem Auftritt des österreichischen Nationalheiligtums Wolfgang Ambros im Rahmen des Dialektig-Festivals gekommen: Wie geht's ihm gesundheitlich? Wie ist er gelaunt? Singt er oder nuschelt er nur? Vergisst er die Texte? Hält er zwei Stunden durch? Gibt's Streit mit dem Publikum? Spielt er "Schifoan"? Als er dann die Bühne betritt, flankiert von einem munteren Roland Vogel und einem kraftstrotzenden Günter Dzikowski, scheinen alle Befürchtungen Wahrheit zu werden: Auf einen Gehstock gestützt, krumm und gebeugt, vom Leben gezeichnet, wie Methusalix aussehend, geht er langsam und bedächtig zum Barsessel, in dem sitzend er den Abend bestreiten wird. Er sieht älter aus als die 66 Jahre, die er ist, er sieht so alt aus, wie sich seine Stimme seit spätestens der Jahrtausendwende, als er Songs von Tom Waits mit wienerischen Texten sang, schon anhört.

Waits gibt's auch an diesem Abend ("De Sunn geht boid auf"), außerdem ein bisserl Dylan ("Corrina, Corrina"), Georg Danzer ("Weiße Pferde") und ganz viel "Ambros pur" - das ist schließlich auch der Titel seines Programms. Die Idee dahinter: Die Songs entkernen, die Texte in den Vordergrund stellen, musikalisch untermalt von Gitarre, Keyboard, Bass und gerne auch mal einer Lap-Steel-Gitarre. Das kann funktionieren, wenn die Stimme die Lieder trägt. Und das tut sie. Denn so gealtert sie auch klingt - brüchig ist Ambros' Stimme nicht. Sie ist rau, auf eine gewisse Weise durchaus stark, geprägt vom Leben und von Zigtausenden Zigaretten.

Ähnlich könnte man auch den Charme des 66-Jährigen beschreiben. Harte Schale, weicher Kern. Ambros grummelt erst mal viel, singt "Verwahrlost, aber frei" und betont dazu: "Jedes Wort, jeder Satz ist richtig." Dann grantelt er über die Ingolstädter, die ihn offenbar nicht richtig schätzten, denn während ihm überall anders die Tür eingerannt werde, sei das hier nicht so - in der bestuhlten Neun hätten schon noch ein paar Leute mehr Platz gehabt. Das ist dann wohl der Punkt, an dem sich entscheidet, ob es ein guter oder schlechter Abend wird. Das Publikum reagiert freundlich auf die Lästereien, lacht, applaudiert - alte Ambros-Fans wissen, wie sein Granteln zu verstehen ist. Und dann taut er auf.

Viel zur guten Stimmung trägt der Mann zu seiner Rechten bei, den er gerne mit "Herr Professor" anspricht. Günter Dzikowski, langjähriger Freund und Mitglied der Number One vom Wienerwald, Ambros' alter Band, sprüht an seinem Keyboard vor Spielfreude - man sieht ihm an, wie viel Spaß ihm das Ganze macht. Mit Ambros liefert er sich immer wieder Wettstreits - musikalischer (Gitarre gegen Tasten - wer spielt den letzten Ton des Stücks?) wie auch verbaler Art: "Da kommt Stimmung auf", freut sich Dzikowski nach "Zwickt's mi". "Die werden wir sofort wieder abwürgen", kontert Ambros.

Und da könnte er auch recht haben, gäbe es im Publikum nicht so viele Ambros-Insider. Denn ein Greatest-Hits-Programm ist das nicht. Freilich gibt es in den gut zwei Stunden Spielzeit auch "Die Blume aus dem Gemeindebau", "Da Hofa" oder "Langsam wochs' ma z'amm", ansonsten aber eher Lieder aus der zweiten Reihe, Lieder, bei denen man sich fragt, warum man sie sich daheim eigentlich nicht öfters anhört. Eine schöne Titelauswahl. Interessant ist es zum Beispiel, den 66-Jährigen "Du bist wie die Wintersun" singen zu hören, das er mit 18 geschrieben hat - "auch jetzt, 48 Jahre später, kann man's noch herzeigen", meint der Maestro. Stimmt. Oder das wunderbar respektlose "Mir geht es wie dem Jesus", mit dem er inzwischen nicht mehr für so viel Empörung sorgt wie früher. "Schifoan" gibt's dann übrigens auch noch, als letzte Zugabe und ohne erkennbare Begeisterung des Künstlers. Den Gesang überlässt Ambros zu großen Teilen dem Publikum. Das ist begeistert.

Dann verlässt er die Bühne, der Methusalix vom Wienerwald. Dieser Vergleich ist nicht nur optisch gemeint. Wie die Figur aus den Asterix-Comics geht auch Wolfgang Ambros vielleicht gebeugt, ist aber ein unbeugsamer Charakter, mit Kräften, die auf den ersten Blick keiner in ihm vermuten mag. Wanda hin, der Nino her: Ambros bleibt die Nummer eins vom Wienerwald!

Bernd Hofmann