Ingolstadt
Brutale Attacke auf das Zwerchfell

Bülent Ceylan präsentiert sein neues Programm "Lassmalache" in der Ingolstädter Saturn-Arena

18.11.2018 | Stand 23.09.2023, 4:59 Uhr
Unnachahmliche Wortkaskaden: Bülent Ceylan löst Lachattacken im Saal aus. −Foto: Weinretter

Ingolstadt (DK) Er gibt alles, was er kann, und hat das Ingolstädter Publikum vom ersten Moment an voll im Griff. Sobald der deutsch-türkische Star-Comedian Bülent Ceylan mit dem prachtvollen langen schwarzen Haar unter dröhnenden Metal-Klängen die Bühne betritt, setzt jene Bülent-Euphorie ein, für die er bekannt ist. Diesmal spricht, philosophiert, singt und radebrecht er über das Lachen selbst, diese Medizin für Seele und Geist, ohne die das Leben gar nicht mehr zu ertragen wäre.

Er interessiert sich für Schadenfreude und die unterschiedlichsten Arten des Lachens - und löst mit seinen unnachahmlichen Wortkaskaden selbst Zwerchfellkrämpfe und nachhaltige Lachattacken aus.

Wie immer nimmt der gebürtige Mannheimer intensiven Kontakt zu seinem Publikum in der fast ausverkauften Arena auf. Hinter den Gittern der Tribüne sitzen die "Flüchtlinge", die aber bei ihm auch etwas zu lachen haben. Aus der Autogrammstunde kennt er die elfjährige Nicole, deren Vater er, wie er schmunzelnd betont, sein könnte, und "den Vierzehnjährigen", dessen Namen er im Laufe der Show vergisst. Beide Kinder integriert er immer wieder in sein Programm - ebenso wie den angeblichen High-Society-Ort Gaimersheim, wo das blasierte Lächeln zu Hause ist. Und dann ist da auch noch Alfa, der Schwarzafrikaner, mit dem sich der Deutschtürke Bülent über ethnische und körperliche Unterschiede austauscht.

Bülent Ceylan bleibt aber nicht statisch. Mit minimalem Kleidungs- oder Frisurwechsel mutiert er in Sekundenschnelle zu einer der vier Rollen, die er in Ingolstadt gewohnt brillant zum Besten gibt, um die Marotten von Deutschtürken und Mannheimern aufs Korn zu nehmen. Als schüchterner und leicht unterbelichteter Single Harald gibt er in der Autostadt seine sinnlosen Erfindungen preis, wie den von außen verstellbaren Innenspiegel. Der Straßenprolet Hasan erzählt hingegen das Märchen "Hänsel und Gretel" der "Ich-hol-meine-Brüder-Grimm" völlig neu und verpackt allzu Anzügliches in eine Kindersprache, die eine Lachsalve um die andere auslöst. Die etwas aus den Fugen geratene Mannheimer Pelzhändlergattin Anneliese berichtet mit kokettem Augenaufschlag und offenem Haar von unverschämten Ehemännern und missglückten Wellness-Wochenenden. Den größten Hype löst freilich der despotische Hausmeister "Mompfred" aus, der heute ein bisschen "agro" ist und eine Pumpgun mit Pyrotechnik bedient. Wenn er ins Publikum schreit "Ich bring euch den Diesel zurück, macht mich zum Kanzler! ", dann gibt es kein Halten mehr, und manch einer, so fürchtet Bülent, "brunzt sich jetzt in die Hos. "

Bülent Ceylan demaskiert Absurditäten und Vorurteile, prangert Missstände an und legt den Finger in manche offene Wunde unserer Gesellschaft. Selten geschieht dies mit einer derart aberwitzigen Komik wie bei ihm. Selbst grenzwertige Szenen meistert der Comedian bravourös. Wenn etwa Mompfred von seiner gnadenlosen Gattin Waltraud den riesigen Tierheimhund Wotan mit kurzem Fell geschenkt bekommt, dessen Vorbesitzer aus Nazikreisen stammte und der nicht auf das Kommando "Bei Fuß! ", sondern nur auf "Stillgestanden! " hört, wenn dieser nicht Gassi geht, sondern ausrückt und sehnsüchtig und angriffslustig in Richtung Polen schaut, dann hat jeder im Saal die Botschaft verstanden: "Wir brauchen keine Nazis! "

Eine Prise Komik verschreibt Ceylan auch den vier Politikern Putin, Trump, Erdogan und Kim Jong-un, die sich in ihrer Selbsthilfegruppe gegenseitig Witze erzählen sollen, statt auf den roten Atomknopf zu drücken. Wenn dann noch Adolf Hitler persönlich zu dieser illustren Runde stößt, der nur überlebt hat, weil Alexander Gauland einen Hoden von ihm fand und ihn so klonen konnte, dann fließen bei den Zuschauern die Lachtränen, denn der "Führer" erzählt - in unnachahmlicher Diktion und auf den in der Saturn-Arena nun plötzlich schwarz-weiß gewordenen LED-Schirmen - selbst einen Witz, dass einem das Lachen im Halse stecken bleibt.

Der Umgang der Deutschen mit ihrer wenig ruhmreichen Vergangenheit ist für viele heute immer noch ein Problem, an das der multikulturelle Deutschtürke ganz unverkrampft herangeht: Er plädiert für einen mutigeren Umgang damit, weil die meisten Deutschen heute so jung sind, dass sie persönlich keine Schuld mehr tragen. "Also macht euch mal locker! " Und für Bülent Ceylan ist es auch kein Problem, das Publikum dazu aufzufordern, aufzustehen und gemeinsam mit ihm die erste Strophe der deutschen Nationalhymne anzustimmen. Als dies das Ingolstädter Publikum tatsächlich tut, ist er dennoch völlig von den Socken, denn diese Bühnenerfahrung ist für ihn einmalig. Am Ende bedankt er sich in einem stimmungsvollen Abschiedlied bei seinen begeisterten Fans.

Das Programm "Lassmalache" geht übrigens auf einen Spruch seines inzwischen verstorbenen türkischen Vaters zurück, der mit dem neunjährigen Bülent einen Zirkus in Mannheim besuchte. Ihm widmet der begnadete Komiker auch dieses Programm, das einmal mehr zeigt: Lachen befreit und Bülent Ceylan ist ein Naturtalent der deutschen Comedy-Szene.
 

Dagmar Kusche