Musikförderungspreis
Brillant wie eine Violine

Der Bratscher Tobias Reifland erspielte sich den Musikförderungspreis des Konzertvereins Ingolstadt

21.11.2019 | Stand 23.09.2023, 9:34 Uhr
Großer, leuchtender Ton, profunde Klavierbegleitung: Tobias Reifland und Cornelia Glassl im Ingolstädter Festsaal. −Foto: Schaffer

Ingolstadt (DK) Die Jury tat sich diesmal besonders schwer nach dem Wettbewerbskonzert für junge Künstler im Ingolstädter Festsaal. Am Ende glich die Besprechung einer Krisensitzung, man wusste einfach nicht weiter. Der ehrwürdige, langjährige Vorsitzende des Konzertvereins Ingolstadt, Reinald Atzerodt, wurde herbeigerufen.

Die Jury-Mitglieder Florian Sonnleitner (Violine, Konzertmeister beim Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks), Jürgen Weber (Viola, Konzertmeister beim gleichen Orchesters) und Florian Gmelin (Kontrabassist und Konzertmeister bei den Münchner Philharmoniker) wollten wissen, wie der von Elin und Wilhelm Reissmüller gestiftete Musikförderungspreis nun zu verstehen sei: eher als Ehrung für die beste künstlerische Leistung oder als gezielte Nachwuchsförderung.

Sonnleitner sagte hinterher: "Wir haben uns schließlich doch einigen können, dass wir die beste künstlerische Leistung, die uns auf der Bühne direkt begegnet ist, prämieren. Das heißt, dass wir Tobias Reifland den Ingolstädter Musikförderungspreis verleihen wollen." Der Preis ist mit 2000 Euro dotiert.

Tatsächlich war es für die Jury ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen dem in München studierenden Bratscher Reifland und dem Kontrabassisten Blai Gum Roca (Jahrgang 1997), derzeit Mitglied in der Orchesterakademie des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks. Denn mit Letzterem gäbe es nach Ansicht Sonnleitners "die schönsten Zukunftshoffnungen angesichts seines jugendlichen Alters".

Die enorme Leistungsdichte der Wettbewerbsteilnehmer, von der Sonnleitner nach dem Konzert immer wieder sprach, war am Konzertabend jederzeit spürbar, das Niveau aller drei Musiker enorm hoch. Dennoch: Leicht zu genießen war dieser Abonnementabend nicht. Denn aus gutem Grund sind die tiefen Streicher Viola und Kontrabass - um die es bei diesem Wettbewerb ging - zwar immens wichtige Instrumente, aber keine sehr populären Soloinstrumente. Beide haben einen eher verhaltenen, näselnden Klang, agieren schwerfällig und betulich.

Umso erstaunlicher wirkte der Auftritt des Preisträgers Tobias Reifland (Jahrgang 1994). Denn er spielte die Viola so brillant, tonschön und leichtfüßig, dass sie fast wie eine Violine klang - auch wenn fraglich ist, ob das wirklich ein Kompliment für einen Viola-Virtuosen ist. Der inzwischen sehr erfolgreiche Solist, der bereits von erstrangigen Festivals eingeladen wurde, trat zudem mit beeindruckender Souveränität auf die Konzertbühne, bewegte sich ungezwungen und leidenschaftlich und wirkte kaum wie ein Musiker, der unter Wettbewerbsstress steht. Reifland hatte sehr bühnenwirksame Werke ausgewählt: den Tango "Sarasateana" von Efrem Zimbalist (1918-2005), von Georg Rochberg (1918-2005) einen Satz aus der Violasonate und von York Bowen (1884-1961) die Fantasie für Viola und Klavier, op. 54 (am Klavier sehr kompetent begleitet von Cornelia Glassl). Zweifellos präsentierte Reifland damit ein eher einseitiges Programm mit Werken, die alle zu einer ähnlichen Zeit entstanden. Dennoch war keins der Werke wirklich modern, alle gehören sie stilistisch ins Umfeld der Spätromantik. Sie sind alle sehr unterhaltsam anzuhören, zumal wenn sie so fantasievoll und leidenschaftlich vorgetragen wurde wie von Reifland. Besonders bei "Sarasateana" zeigte der gebürtige Stuttgarter zu welcher tonlichen Finesse er fähig ist.

Wenn man die anderen Wettbewerbsteilnehmer betrachtet, kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass Reifland es sich bei der ziemlich einseitigen Werkauswahl leicht gemacht hat. Das wurde etwa deutlich, wenn man seinen Vortrag mit dem des Kontrabassisten Blai Gumi Roca vergleicht, der sich das Leben bereits schwer machte, indem er mit einer der Gambensonaten von Johann Sebastian Bach sein Programm eröffnete. Es ist eine echte Herausforderung, sich mit dem leicht näselnden, sehr leisen Klang seines Instruments allein schon gegen das Klavier (Chifuyu Yada-Marschik) durchzusetzen. Tänzelnde Leichtigkeit zu erzeugen ist bei dem riesenhaften Instrument Schwerarbeit. Eher punkten konnte Roca beim Konzert in h-Moll des "Paganini des Kontrabasses" Giovanni Bottesini (1821-1889) und dem unterhaltsam-jazzigen Solostück "Regreps" von Giori Makoshvili (Jahrgang 1977). Sehr gut kam der sympathische Roca damit bei den Konzertbesuchern an, die ihn mit großer Mehrheit mit dem Publikumspreis ehrten.

Noch mehr kämpfen mit seinem Programm musste Sang-yoon Lee, der sich besonders schwermütige, komplizierte und tiefsinnige Werke von Bach, Eugène Ysaÿe (beide eigentlich für Violine) und Recca Clark ausgewählte hatte. Es gelangen ihm immer wieder ungewöhnliche und spannende Momente, aber insgesamt fehlte es den Stücken an Strahlkraft und Virtuosität.

So bedauert man fast, dass es für den eigentlich sehr guten Bratscher diesmal nicht für einen Preis reichte.

Jesko Schulze-Reimpell