Bissig und pointenreich

Frank-Markus Barwasser mit seinem Programm "Weg von hier" in Eichstätt

19.01.2020 | Stand 23.09.2023, 10:07 Uhr
Kritisiert punktgenau: Frank-Markus Barwasser. −Foto: Buckl

Eichstätt - Wenn er zum Weizenglas greift und in gutturales Krächzen verfällt, wird er zum Hartmut, als Rotweintrinker stellt er den distinguierten, hier aber reichlich verzweifelten Dr. Göbel dar, und in der Rolle seines Alter Ego Erwin Pelzig trinkt er Mineralwasser und trägt Hut und Herrenhandtasche: Mit diesem Trio gastierte Frank-Markus Barwasser am Donnerstag im ausverkauften Saal des Alten Stadttheaters Eichstätt.

Sein aktuelles Programm "Nichts wie weg! " dürfte zu den bissigsten, bösesten und brutalsten Analysen der aktuellen Weltlage gehören, die das deutsche Kabarett derzeit bietet. Es tut weh und tut gut.

Barwasser alias "Pelzig" schafft den Spagat, einerseits aufs Giftigste zu geißeln, was in der Politik und Gesellschaft schiefläuft, andererseits aber auch Wärme zu verstrahlen und an die Humanität zu appellieren, indem er an die Aufklärung erinnert. Dabei greift er auf Immanuel Kants kategorischen Imperativ zurück ("Verhalte dich immer so, dass die Maximen deines Handelns auch allgemeines Gesetz sein könnten! "), den er hier höchst simpel aktualisiert und neu formuliert: "Du sollst kein Arschloch sein! ".
Was Pelzig angesichts der derzeitigen Zeitungslektüre für sich und seine Befindlichkeit in Anspruch nimmt, dürfte auch für das Publikum gelten: Vieles ist deprimierend - aber "in meiner Stimmungslage ist durchaus noch Luft nach unten! "

Er brandmarkt das "postfaktische Zeitalter", das aus schierer Ignoranz Fakten missachtet und Wahrheiten negiert - ist die Erde nun wirklich eine Kugel oder nicht doch eine Scheibe? "Aber eine Gesellschaft fällt entzwei, wenn sie keine Gemeinsamkeiten mehr kennt! ". Wer etwa die Klimakrise leugnet, ignoriert, dass heute "Eisberge abbrechen, die zweimal so groß wie das Saarland sind - und zehnmal so wichtig". Lieber schaue er die "Tagesschau" heute auf ARD-Alpha - da kommt die von vor zwanzig Jahren! "

Oft bieten Barwassers Vergleiche Stoff für zahlreiche Pointen: So scheinen ihm Aussagen von Scheuer, als schwärme eine Eintagsfliege in der Sonne "So ein Jahrhundertsommer! ", und wenn sich derzeit eine "Internationale der Nationalisten" bilde, sei das, "wie wenn der Misanthropenverein zu einem geselligem Abend einladen". Dabei würden Diktatoren, Rassisten und Autokraten heute demokratisch gewählt, sodass sie sich "weltweit schneller vermehren als Wölfe in Mecklenburg-Vorpommern". Ob Orban in Ungarn, der "Restzwilling" Kaczynski in Polen oder Ex-Vizekanzler Strache in Österreich ("Warum musste da jetzt eigentlich eine Regierung aus Experten ausgetauscht werden gegen gewählte Dilettanten? "), auch eine Erdogan-Schelte fehlt nicht. Nur auf Trump will er sich nicht einlassen: "Ich hab's nicht gern, wenn es einem der Gegner zu einfach macht! "

Pelzig macht die Panama-Papers und die Deutsche Bank zum Thema ("da kommen mehr Staatsanwälte als Kunden zu Besuch! "), erinnert an das "Sommermärchen" ("Wer fragt, ob das gekauft war, könne genauso fragen, ob man im Puff auch Nutten treffen kann. "), es geht um schärfere Gesetze und Sex-Roboter, Filterblasen, Fluchtursachen-Bekämpfung und Fachkräftemangel, Überinformation und Entscheidungsnot, vollautomatisch fahrende Autos und "digitale Immigranten mit analogen Migrations-Hintergrund".

Ihr Fett bekommt die "Bild" ab, die "ehrlicher werden" wolle - "aber eher wird der Berliner Flughafen fertig und der VfB Eichstätt Deutscher Meister - nein, letzteres in umgekehrter Reihenfolge! " Dazwischen ist auch Platz für Pointen über Peter Altmaier, "der bei Maybrit Illner nicht nur seinen Verstand, sondern auch seinen Stuhl an die Belastungsgrenzer fährt".

Pelzig empfiehlt das "Drei-Stühle-Modell" Walt Disneys: Auf dem ersten Stuhl habe er seine Träume kultiviert, auf dem zweiten sei er zum Kritiker geworden und auf dem dritten zum Realisten: "Als ich nach Eichstätt fuhr, dachte ich mir zuerst, Eichstätt ist so schön! Und am zweiten: Naja, so schön auch wieder nicht. Der Realist rät: Fahr hin, du kannst am Abend ja wieder zurück".

Immer wieder spricht er in Triaden, wenn er "Denkfaulheit, Rechtschreibschwäche und Internetanschluss" als fatale Mischung ausmacht, die zu "Pegida" führt, oder wenn er eine Suada gegen "Gier, Verlogenheit und Verkommenheit" abfeuert, bei manchen Suaden fragt man sich, woher Pelzig seine Luftzufuhr bezieht. Ein grandioser Abend! Am Schluss gab es frenetischen Applaus.

DK


 

Walter Buckl