Anne-Sophie Mutters bester Schüler: Der Cellist Daniel Müller-Schott

11.06.2006 | Stand 03.12.2020, 7:49 Uhr

München (DK) Daniel Müller-Schott ist ein Suchender. Ein Suchender nach dem verführerischen, nach dem irgendwie "richtigen" Klang. So besucht er immer wieder Geigenbauer und spielt, experimentiert mit ihren Celli . Nicht unbedingt, um ein Instrument zu kaufen, sondern einfach um eine neue Klangentdeckung im Reich der Musik zu machen.

Die Exkurse zu den Geigenbauern scheinen sich auszuzahlen. Wenige andere Cellisten seiner Generation haben einen ähnlich angenehmen Streicherklang; und doch vermag kaum einer seiner Kollegen, so uneitel, so selbstverständlich und souverän mit dieser Gabe umzugehen. Ein gutes Beispiel ist die tänzerische Herangehensweise an die Bach-Solo-Suiten, mit denen der heute 29-Jährige vor sechs Jahren auf CD debütierte und sogleich viel Aufmerksamkeit auf sich lenken konnte. Und auch seine neue Einspielung mit den Cellokonzerten von Elgar und Walton ist ein Dokument klugen, dunkelgefärbten Schönklangs.

Vielleicht spürt man hier mehr noch als in anderen Aufnahmen den Einfluss von Anne-Sophie Mutter, seiner Mentorin. Niemand sonst wohl in Daniel Müller-Schotts Leben hatte und hat einen solchen Einfluss auf seine Karriere, seit er ihr als 15-Jähriger vorspielte und sie ihn mit einem Stipendium der Rudolf-Eberle-Stiftung förderte. Eine langjährige Bindung entstand. Mutter stellte den Kontakt zu wichtigen Cellisten her und beriet ihn wiederholt. "Sie hat meinen musikalischen Horizont erweitert", sagt er heute. "Sie hat einen unverwechselbaren Streicherklang, der intensiv und ansteckend wirkt. Da versucht man natürlich, auf dem Cello mitzuhalten. Man mag sie mögen oder nicht. Aber sie hat einen einzigartigen musikalischen Charakter." Inzwischen ist aus der Förderer-Schüler-Beziehung fast schon Partnerschaft geworden. Anne-Sophie Mutter spielt mit Müller-Schott regelmäßig zusammen, eine erste Trio-CD, gemeinsam mit ihrem Mann André Previn (Klavier), mit Mozart-Werken ist bereits erschienen.

Der Einfluss der großen Geigerin ist spürbar im Elgar-Konzert. Sosehr er die wohl berühmteste Interpretation dieses Werks, die Darstellung der jungen Jacqueline du Pre, auch bewundern mag: Sein Elgar klingt anders. Langsamer, süffiger gesungen in den schwermütigen Passagen, schwerfälliger und tonschöner ausgespielt die dramatischen Ausbrüche. Intensität in Zeitlupe, klug kalkulierte feurige Leidenschaft. Im schnellen vierten Satz verblüfft er mit stupender Leichtigkeit der hingetupften Repetitionen. Müller-Schott ist eine großartige, einzigartige Version dieses Konzerts gelungen, höchst sensibel begleitet von Ann-Sophie Mutters Ehemann am Pult des Oslo Philharmonic Orchestra, dem berühmten Pianisten, Komponisten, Jazzmusiker und Dirigenten André Previn.

Kennzeichen dieses Musizierens ist sicherlich die Ernsthaftigkeit der Auseinandersetzung mit dem Notentext, der Musik. So wenig Müller-Schott ein Fan der Originalklangbewegung ist, so wichtig ist ihm doch auch das genaue Studium historischer Aufführungsbedingungen. Im Gespräch betont er, dass dieses innere Engagement sein Erfolgsrezept ist. "Es geht darum, die Essenz des Musizierens zu suchen. Es geht mir nicht um Bekanntheit oder Ruhm. Ich bin nicht besonders ehrgeizig. Wichtig ist es, ernsthaft bei der Sache zu sein. Dann gab es immer wieder Menschen, die mich förderten. Ich habe einen längerfristigen Blick. Schließlich möchte ich auch mit 60 oder 70 noch Konzerte geben." Mit dieser Haltung hat es Müller-Schott schon sehr weit gebracht, wohl kaum ein anderer Cellist wird von den Kritikern zurzeit so geliebt. Bei seinem Plattenlabel Orpheo hat er freie Hand, er kann nahezu einspielen, was er will. Und längst tritt er international mit der ersten Liga der international erfolgreichen Orchester und Dirigenten auf. Wirklich populär ist er allerdings noch nicht, das ist für einen Cellisten wohl auch nur selten erreichbar.

Ein wichtiges Anliegen ist ihm, die Faszination klassischer Musik auch jungen Menschen begreiflich zu machen. Deshalb spielt er regelmäßig in Schulen und deshalb auch engagiert er sich in Lars Vogts Projekt "Rhapsody in school". Für dieses Initiative scheint der gut aussehende Twen wie geschaffen. Man könnte sich kaum einen besseren Anwalt für die klassische Musik denken wie den in lockerer Kleidung mit zum Pferdeschwanz zusammengebundenen Haaren auftretenden, rhetorisch begabten Musiker. Wirklich cool.

Wenn man Müller-Schott nach seinen Wünschen und Erwartungen für die Zukunft fragt, bleibt der so erfolgsverwöhnte Cellist überraschend bescheiden. "Nichts anderes, als ich mir vor zehn Jahren schon vorgenommen habe: mein Spektrum an musikalischen Ausdrucksmöglichkeiten nach und nach erweitern." ? Jesko Schulze-Reimpell

Elgar, Walton: Cello Concertos. Daniel Müller-Schott, Oslo Philharmonic Orchestra, Andre Previn, Orpheo.