Ingolstadt
Abend der Gegensätze

Das Ingolstädter Kammerorchester präsentierte eine spannende Uraufführung

18.11.2018 | Stand 23.09.2023, 4:59 Uhr
Solistisches Ehepaar: Johanna und Siegfried Jung spielen mit dem Ingolstädter Kammerorchester unter der Leitung von Kathrin Schiele-Kiehn. −Foto: Schaffer

Ingolstadt (DK) Gegensätze ziehen sich an - so besagt es ein Sprichwort.

Am vergangenen Samstagabend lieferte das Ingolstädter Kammerorchester mit seinem Herbstkonzert den Beweis dafür: Gegensätze gestalten ein unterhaltsames Programm. Dafür ausgewählt hatte das Ensemble kontrastreiche Stücke und kontrastreiche Solisten: Im Festsaal des Ingolstädter Stadttheaters präsentierten sie Werke aus der Zeit der Französischen Revolution und der Gegenwart zusammen mit Solisten an der Harfe und an der Tuba. Besonderer Höhepunkt war die Uraufführung eines Stückes für die beiden Soloinstrumente und Orchester.

Die durch die Oktaven flirrende Harfe und die sonore, gemütliche Tuba in einem gemeinsamen Solokonzert wären bereits Gegensätze genug für das Programm des Ingolstädter Kammerorchesters unter der Leitung von Kathrin Schiele-Kiehn gewesen. Doch das "Divertimento für Harfe, Tuba und Orchester" von Willi März stellte diese Rollenverteilung nochmals auf den Kopf: Im ersten Satz der Uraufführung des Abends, der "Toccatina giocosa", hüpfte Siegfried Jung mit seinen Melodiebögen an der Tuba leichtfüßig durch die Oktaven und wurde von seiner Frau Johanna Jung an der Harfe zurückhaltend begleitet. Im zweiten Satz, "Paesaggio", intonierte die Tuba eine melancholische Melodie in höchsten Höhen kontrastierend über der feinen, rhythmischen Begleitung der hohen Holzbläser. Abgelöst wird diese Spannung durch einen heiteren Walzer, der dann wieder zum melancholischen Thema zurückkommt. Erst im letzten Satz des Divertimentos, einem Zwiefacher, kehrte Komponist Willi März zur klassischen Rollenverteilung zurück: Siegfried Jung übernahm an der Tuba den sonoren Bass für den bayerischen Volkstanz begleitet von den feinen Nachschlägen in Harfe und Orchester. Das Ingolstädter Kammerorchester harmonierte dabei wie in jedem Satz mit den Solisten. Das Laienensemble nahm sich zurück, um den Solopassagen Raum zu geben, spielte bei den Tutti-Stellen satt auf und meisterte die Gegensätze des Stücks gekonnt. Für diese Leistung ernteten die Musikerinnen und Musiker einen langen Applaus des Publikums und des Komponisten, der sichtlich begeistert war über die Uraufführung seines Werkes.

Den satten Klang der Harfe präsentierte Johanna Jung nochmals bei Marcel Grandjanys "Aria in Classic Style" zusammen mit dem Kammerorchester. Beim solistischen Beginn griff sie voll in die Saiten und setze später ihre Arpeggien über die schwelgende Melodie des Orchesters. Rasant zeigte sich Siegfried Jung nochmals als Solist. Beim "Rumänischen Tanz Nr. 2" von Dumitru Ionel flogen seine Finger nur so über die Ventile bei den knackigen Balkanrhythmen. Das Orchester tat es ihm gleich und begleitete ihn mit Schmiss durch das rasante Stück.

Mit der zeitgenössischen "Suite for Strings" des Briten John Rutter und der "Symphonie Nr. 1 in g-Moll" von Étienne Méhul aus der französischen Revolutionszeit hatte das Ingolstädter Kammerorchester zwei weitere Gegensätze auf dem Programm. Die fast noch klassisch anmutende Symphonie Méhuls lässt in den verschiedenen Sätzen die Themen durch die verschiedenen Stimmen wandern. Die einzelnen Gruppen des Kammerorchesters warfen sich die Melodiebögen gekonnt gegenseitig zu. Aber auch für seine Zeit moderne Ideen integrierte Méhul in sein Werk: So beginnt er sein "Menuetto" mit einem reinen Pizzicato der Streicher oder garniert sein rasend schnelles "Finale" mit frechen Vorschlägen in den Begleitstimmen. Auch diesen Finessen begegnete das Ingolstädter Kammerorchester mit Einsatz, Spielfreude und Können.

John Rutters "Suite for Strings" forderte die Laienmusiker des Orchesters ebenfalls in ihrem Können: Die auf britischen Volksliedern basierenden Sätze verlangten den Orchestermitgliedern zum einen lyrisches Einfühlungsvermögen ab wie bei "O waly waly", bei dem der Konzertmeister des Orchesters hervorragende Soloqualitäten bewies. Aber auch Fingerfertigkeit und Rhythmik war in den rasanten Sätzen der Suite gefragt. Auch das meisterte das Ingolstädter Kammerorchester mit Bravour. Das Laienensemble präsentierte mit seinem Abend der Gegensätze ein unterhaltsames Programm auf hohem Niveau.

Regina Greck