Das Web braucht eine Verfassung

Internet Pionier Berners-Lee fürchtet um die Freiheit im weltweiten Netz

12.03.2014 | Stand 02.12.2020, 22:57 Uhr

 

London (DK) Vor 25 Jahren, am 12. März 1989, hat Tim Berners-Lee seinem damaligen Chef am europäischen Kernforschungszentrum CERN eine Idee vorgestellt, die die Welt revolutionierte: das Internet. 25 Jahre später sieht er das Web am Scheideweg. Das Internet drohe, seine Unabhängigkeit zu verlieren, klagt Berners-Lee in einem Gespräch mit dem britischen „Guardian“: Regierungen und Unternehmen versuchten, das Netz zunehmend unter ihre Kontrolle zu bekommen. Der Web-Pionier fordert deshalb eine „Magna Carta“ für das Internet. Schließlich sei die Freiheit im Netz ein Menschenrecht.

Ohne ein offenes, neutrales Internet, in dem man sich angstfrei bewegen könne, ohne dass man befürchten müsse, „dass einem jemand über die Schulter schaut“, werde es keine „transparenten Regierungen, keine funktionierenden Demokratien, keine guten Gesundheitssysteme, keine vernetzten Gesellschaften und keine kulturelle Vielfalt geben“, sagt Berners-Lee. Die Idee, die hinter dem Internet stecke, sei für ihn, dass es für alle zugänglich sein müsse und den Menschen ermögliche, ihr Potenzial zu entfalten und für ihre Rechte zu kämpfen. Er hoffe, dass das Jubiläum die weltweite Diskussion darüber anrege, wie man die Prinzipien eines offenen und freien Internets verteidigen könne.

Auslöser der Bedenken Berners-Lees waren zuletzt die Enthüllungen des Ex-US-Geheimdienstmitarbeiters Edward Snowden. Seit er offengelegt hat, wie schamlos der US-amerikanische Geheimdienst NSA und sein britisches Pendant, die GCHQ, E-Mails abgreifen, Telefonate mitschneiden und die Wege Einzelner im Netz verfolgen, hat sich der Blick auf das Internet gewandelt. Zuvor wähnte man die Bösen, die das freie Web behindern, eher in den Hauptstädten von Unrechtsstaaten wie China oder Minsk. Dabei ist es nicht nur die Blockade von Inhalten, die den freien Zugang zu Informationen verhindert, sondern eben auch die Angst, beobachtet zu werden. In diesem Zusammenhang ist es auch nicht verwunderlich, dass die Journalistenvereinigung Reporter ohne Grenzen seit gestern die NSA und die GCHQ zu den „Feinden des Internets“ zählt.

Angesichts der ungehemmten staatlichen Schnüffelwut sind zuletzt die Datenkraken in Unternehmenskreisen fast etwas in den Hintergrund getreten, dabei hat sich am Geschäftsmodell von Internetriesen wie Google und Facebook nichts geändert: Das Interesse an dem Surfverhalten und den Vorlieben der Nutzer ist ungebrochen. Wie viel Nutzerdaten wert sind, lässt sich am jüngsten Deal von Facebook ablesen: 14 Milliarden Euro zahlte das soziale Netzwerk für den Konkurrenten Whatsapp. Einen Laden mit ein paar dutzend Angestellten, aber 450 Millionen Nutzern. Experten sehen in der App des Kurznachrichtendienstes schlicht eine Superwanze, die zudem noch massenhaft Sicherheitslecks mit sich herumschleppt.

Deshalb, so Berners-Lee, brauche das Internet eine weltweite Verfassung. Allerdings geht er nicht davon aus, dass so ein Projekt über Nacht umzusetzen ist. Deshalb unterstützt der Internet-Pionier die Aktion „the web we want“ (Das Internet, wie wir es wollen). Die Aktion ruft Menschen in der ganzen Welt dazu auf, ein Internetgesetz für ihr eigenes Land zu entwerfen, das die Rechte und die Freiheit der Nutzer schützt. Unter der Internetadresse webwewant.org/ kann sich jeder beteiligen, der das Netz nicht Staaten und Unternehmen überlassen will.