Harte Kritik am neuen Meldegesetz

06.07.2012 | Stand 03.12.2020, 1:18 Uhr

Ingolstadt (dk) Datenschützer und Piraten-Partei nennen es eine Nacht und-Nebel-Aktion. Donnerstag vor einer Woche hat der Bundestag das Gesetz zur Fortentwicklung des Meldewesens beschlossen. Fast unbemerkt von der Öffentlichkeit. Doch jetzt treten die Kritiker auf den Plan und nehmen das Gesetz auseinander.

Die Kritik entzündet sich an einer Änderung, die in den ursprünglichen Gesetzentwurf mit aufgenommen wurde. Eigentlich sollten die Meldebehörden die Daten der Bürger nur an Dritte weitergeben dürfen, falls die Menschen zugestimmt haben. Doch im verabschiedeten Gesetz wurde diese praktikable Lösung ins Gegenteil gedreht. Jetzt sollen die Bürger der Weitergabe ihrer Daten widersprechen. Auf diese Möglichkeit sollen sie bei der Anmeldung und einmal jährlich durch "ortsübliche Bekanntmachung" hingewiesen werden.

Was die Datenschützer erst recht auf die Palme bringt, ist eine Bestimmung, die die Widerspruchslösung relativiert. Denn die Weitergabe der Daten an Dritte soll gestattet sein, obwohl der Bürger widersprochen hat. Nämlich dann, wenn mit den erfassten Daten bereits vorhandene Informationen bestätigt oder berichtigt werden sollen. Im Klartext heißt das: Hat ein Werbeunternehmen oder auch ein Inkassobüro bereits Daten eines Bürgers, kann es mithilfe des Meldeamtes seinen Datenbestand immer auf dem neuesten Stand halten.

Bisher dienen Melderegister vorrangig als Adress- und Datenbeschaffer für die öffentliche Verwaltung, schreibt das Unabhängige Landeszentrum für Datenschutz Schleswig-Holstein auf seiner Internetseite. Mit der aktuellen Gesetzesänderung würden Firmen für "Zwecke der Werbung und des Adresshandels" Melderegisterauskünfte erhalten, selbst wenn die Bürger widersprochen hätten. Mit den geplanten Änderungen würde eine nicht aktuelle Adresse genügen, und schon könnten die Firmen sich die behördlich beschafften, geprüften und aktuellen Adressen besorgen. Adresshändler könnten sich einfach wertvolle Daten erfragen und diese teuer weiterverkaufen.

Thilo Weichert, der Leiters des Unabhängigen Landeszentrums für Datenschutz Schleswig-Holstein wird deutlich: "Ich bin schockiert über Form und Inhalt der Gesetzgebung." An Kommunen und Datenschützern vorbei werden mit dem neuen Meldegesetz wirtschaftliche Lobbyinteressen bedient.

FDP-Politiker Manuel Höferlin hält in seinem Blog die Aufregung über das neue Meldegesetz für unangebracht. Es sei nicht die Aufgabe des Melderechts, die Verbindung zwischen einem Kunden und einem Unternehmen zu unterbrechen, rechtfertigt Höferlin den umstritten Passus mit der Aktualisierung der Daten. Es gelte weiterhin das Bundesdatenschutzgesetz, so der FDP-Netzpolitiker. Demnach habe jeder grundsätzlich das Recht, die Löschung seiner Daten bei einem Unternehmen zu verlangen. Und dann dürften auch die Meldebehörden den Firmen keine Auskunft mehr erteilen.

Es sei ein weiterer Schlag ins Gesicht all derer, die dem Versprechen der Koalitionsvereinbarung vertraut haben, den Datenschutz der Bürgerinnen und Bürger zu stärken, kritisiert der Datenschutzbeauftrage Weichert weiter. Seine Hoffnungen ruhen nun auf dem Bundesrat, denn der könnte diesen "gefährlichen Unsinn" noch stoppen.