Kommentar: Ablenkungsmanöver

27.05.2010 | Stand 03.12.2020, 3:59 Uhr

Hier sind echte Profis am Werk. Werbestrategen, die alle Tricks der Meinungsmanipulation beherrschen. Deshalb dürfen Deutschlands Datenschützer eines auf gar keinen Fall: Die neueste Verlautbarung aus dem Hause Google als Erfolg werten. Denn die Ankündigung, weltweit die Fototouren für Street View vorerst und auf unbestimmte Zeit auszusetzen, ist nur ein Ablenkungsmanöver.

Fußballer würden angesichts dieser Taktik von „Ball flach halten“ sprechen, U-Boot- Kapitäne von „abtauchen“ und an Helmut Kohl geschulte Politiker von „aussitzen“. Google steuert seine Spähfahrzeuge aus dem Fokus der Öffentlichkeit, bis sich die Aufwallung gelegt hat. Schließlich musste der Internetgigant zuletzt arg viel ungewollte Medienpräsenz ertragen – und das mag er gar nicht.
 
Die Kalifornier streben nach der Macht über das Wissen der Welt sowie sämtliche private Sphären, mit denen sich Geld verdienen lässt. Dieses Ziel treiben sie konsequent im Verborgenen voran. Kritischen Einwürfen begegnet Google am liebsten mit einer Mischung aus Arroganz und Aggressivität. Um so peinlicher, dass die Datenjäger jetzt beim Speichern persönlicher Daten aus WLAN-Netzen erwischt worden sind und sich entschuldigen mussten. Doch auch das ist nichts als Rhetorik. Professionell vorgetragene Phrasen.
 
Zumindest wird sich die Staatsanwaltschaft Hamburg, die gegen Google ermittelt, nicht mit der Rechtfertigungsprosa abspeisen lassen. Das freiwillige Fahrverbot für die Kameraautos darf nicht zu dem Trugschluss führen, Google teile plötzlich die Zweifel vieler Juristen an der Zulässigkeit von Street View und bereite den geordneten Rückzug vor. Denn die Auszeit dient allein dazu, nach dem WLAN-Skandal für Ruhe zu sorgen. Danach wird Google weitermachen wie gewohnt: bedenkenlos und erschreckend professionell.