"Was wichtig ist, ist in unserem Herz und in unserem Kopf"

Workshops und Gedenkstättenbesuch: Bei "ReMember" setzen Jugendliche aus verschiedenen Ländern sich mit Antisemitismus und Rassismus auseinander

09.12.2020 | Stand 23.09.2023, 15:56 Uhr
In selbstentwickelten Rollenspielen beschäftigen sich die Jugendlichen mit Themen wie Ausgrenzung und der Frage, wie solidarisches Handeln heute aussehen kann. −Foto: KZ-Gedenkstätte Flossenbürg

Flossenbürg/Schwandorf - Er habe etwas über Rassismus, Hass und den Zweiten Weltkrieg lernen wollen, sagt Marwan Adullahi.

Deswegen habe er an dem Pilotprojekt "ReMember - Deine Geschichte zählt" teilgenommen. Zu diesem gab es am Dienstag per Videokonferenz ein Abschluss-Panel mit Experten, Initiatoren und Teilnehmern.

Seit dem Frühjahr traf sich regelmäßig eine Gruppe von über 20 Jugendlichen aus dem Raum Schwandorf. Das Besondere an dem Projekt: Die meisten Teilnehmer haben einen Flucht- oder Migrationshintergrund. Sie erarbeiteten sich in Workshops, Rollenspielen sowie einem Besuch der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg ihre eigene Perspektive auf den Holocaust und die NS-Zeit. "ReMember" entstand aus einer Zusammenarbeit der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg und MIND-Prevention, einer Initiative für Demokratieförderung und Extremismusprävention des Islamismus-Experten Ahmad Mansour und seiner Frau Beatrice Mansour.

Es sei ihnen wichtig gewesen, auch ein Projekt "mit Bayern und in Bayern" zu haben, sagte Ahmad Mansour. Schwerpunkt von "ReMember" war auch eine Auseinandersetzung mit Themen wie Antisemitismus, Rassismus und Homophobie. "ReMember" setze bei der Lebenswelt der Jugendlichen an, sagte Projekt-Leiter Dennis Forster.

Das Projekt ging heuer in seine erste Runde und soll in den kommenden Jahren mit neuen Gruppen fortgeführt werden. Am Berufsschulzentrum in Schwandorf wurde um die ersten Teilnehmer geworben. Eigentlich hätte die Gruppe sich während des Projekts ein eigenes Theaterstück erarbeiten und damit in Bayern auf Tour gehen sollen, auch um andere Jugendliche zum Nachdenken anzuregen. Wegen der Corona-Situation entstand stattdessen ein etwa 20-minütiger Dokumentarfilm.

Der Film steigt in mit einem Gesprächskreis ein, in dem ein junger Mann über seine Erfahrungen mit Ausgrenzung redet. In Afghanistan habe er viel mit seinen Freunden unternommen. "Aber hier, wenn ich keine Schule habe, bin ich zu Hause. Ich habe keinen Freund. " Teammitglied Burak Yilmaz erläutert im Film den Aufbau des Projekts. Erst würden die Teamer lange mit den Jugendlichen über Antisemitismus, Menschenrechte und den Nahost-Konflikt sprechen. Dann folge der Besuch der KZ-Gedenkstätte. Anschließend sollen die Jugendlichen die Möglichkeit haben, Theater zu spielen, eigene Rollen zu schreiben.

In der Doku sieht man Rollenspiele, etwa wie ein Jugendlicher sich vor seinem Vater als schwul outet und mit ihm darüber in Streit gerät. In einem anderen verteidigt einer der Jugendlichen einen jüdischen Freund gegen die Anfeindung eines Bekannten. Mitarbeiter Asmen Ilhan sagt im Film, "dass Bildung auch auf einer ganz anderen Ebene funktionieren kann. Auf einer Ebene, die die Menschen selbst zum Nachdenken bringt, anstatt dass man ihnen vorgekautes Wissen vorlegt. " Projekt-Leiter Forster sagt in der Doku, Geflüchtete "werden eigentlich behandelt wie ein leeres Blatt Papier, das erst mal vollgetextet werden muss, statt dass man erst mal ihnen zuhört".

Den vier Projektteilnehmern, die beim Panel dabei waren, wurden nach dem Ansehen des Films viele Fragen gestellt, aber auch ihnen sind Fragen geblieben, etwa Aziz Hosseini aus Afghanistan: "Für mich sind deutsche Leute immer noch sehr nette Menschen. Aber wieso haben die das früher gemacht? "

Was nehmen die Jugendlichen aus "ReMember" mit? Marwan Adullahi aus dem Sudan sagte, er kenne viele Menschen, die keine Juden mögen. Aber in Deutschland leben viele Menschen mit unterschiedlichen Religionen und in dem Projekt habe er auch einen jüdischen Mann getroffen. "Mensch ist Mensch", schließt er. Paulo Epalanga aus Angola sagte: "Hautfarbe und Religion spielen keine Rolle. Was wichtig ist, ist in unserem Herz und in unserem Kopf. "

Zu einer Aufzeichnung der Diskussionsrunde, in der auch die Dokumentation eingebettet ist, kann man sich in Kürze auf der Webseite gedenkstaette-flossenbuerg. de/bildung durchklicken, indem man erst auf "Unsere Angebote", dann auf "Projektstellen" und noch auf "ReMember" geht.

DK

Christine Zinner