Riedenburg
Strahlen aus dem Schloss

27.01.2014 | Stand 02.12.2020, 23:09 Uhr

Ein Ort sucht eine Lösung: Die Gespräche über eine geplante Mobilfunkanlage in Schloss Eggersberg, dem prägenden Gebäude von Obereggersberg, gehen weiter. Mitte Februar treffen sich die Beteiligten, um einen Kompromissvorschlag der Telekom zu besprechen. Dieser sieht vor, auf die nach Süden und damit auf die Wohnbebauung gerichtete Strahlung zu verzichten. Die Versorgung im Talbereich würde sich mit der Anlage hingegen verbessern - Fotos: Janda

Riedenburg (DK) Eine geplante Mobilfunkstation hat im Riedenburger Ortsteil Obereggersberg einen mehrmonatigen Streit ausgelöst. Die Anlage soll im Dachstuhl von Schloss Eggersberg entstehen – zum Unmut der Bürger. Jetzt zeichnet sich in der Auseinandersetzung ein Kompromiss ab.

Es ist ein Leben in Sorge, das die Bewohner von Obereggersberg derzeit führen. Knapp 30 Häuser stehen in dem kleinen Juradorf, einem Ortsteil der Stadt Riedenburg (Landkreis Kelheim). Viele der Bewohner arbeiten bei großen Firmen in der Umgebung, tragen Tag für Tag zum technologischen Fortschritt bei. Dem Vormarsch der Moderne in ihrem Heimatort können sie momentan jedoch nichts abgewinnen. In den vergangenen vier Monaten haben sie sogar dagegen angekämpft. Vergeblich – ihr Widerstand gegen eine Mobilfunkanlage mitten in ihrem Dorf soll nun mit einem Kompromiss enden.

Gebaut ist die Sendeanlage, die im Dachstuhl von Schloss Eggersberg entstehen soll, zwar noch nicht. Die Obereggersberger haben ihren Protest jedoch beendet. In einer symbolischen Aktion bauten sie die Schilder ab, mit denen sie seit Monaten im gesamten Ort gegen die umstrittene Anlage vorgegangen waren. Damit sind die Voraussetzungen für einen Kompromiss mit dem künftigen Betreiber Telekom geschaffen. Der Konzern ist bereit, auf die nach Süden und damit auf den Großteil der Wohnbebauung gerichtete Strahlung zu verzichten. Ausschlaggebend dafür sind auch die massiven Proteste der Bevölkerung.

Nach Bekanntwerden der Mobilfunkpläne ist der Zorn der Menschen groß. Denn vom Bau der Anlage erfahren sie erst, als schwere Maschinen die Straßen aufreißen und die Leitungsrohre verlegen. Auch im Riedenburger Rathaus herrscht zunächst Verwirrung. Laut Bürgermeister Michael Schneider (CSU) ist die Verwaltung zwar in die Pläne eingebunden worden, jedoch nur im Zuge der denkmalpflegerischen Erlaubnis für das Schloss und der Verlegearbeiten. Dabei auf eine Anlage dieser Ausmaße zu schließen, hält Schneider für unmöglich. Primär soll die Technik der Versorgung des schlosseigenen Hotelbetriebs dienen, wie die Telekom und die Schlossbesitzerfamilie Wenzl-Sylvester betonen. Mittlerweile ist klar, dass sich auch der Handy-Empfang in der nahen Altmühltalschleife verbessern wird.

Die Bewohner fühlen sich vor den Kopf gestoßen, wittern gar einen Schildbürgerstreich. „Wir werden hier vor vollendete Tatsachen gestellt“, moniert eine Bürgerin. Andere drücken sich weniger freundlich aus. Auch der Riedenburger Stadtrat stellt sich geschlossen hinter die Obereggersberger. Mehrmals spricht sich das Gremium gegen eine Mobilfunkanlage im Schloss aus. Von „Gutsherrenart“ und „Sauerei“ ist die Rede, im November lehnen die Kommunalpolitiker das Schloss als Standort für eine Antenne einstimmig ab.

Ob dieser Beschluss mehr als nur ein Signal ist, bleibt jedoch bis heute offen. Denn rechtlich gesehen ist das Projekt auf der sicheren Seite. Die Telekom und ihre Tochtergesellschaft Deutsche Funkturm haben sämtliche Genehmigungen für die Anlage eingeholt. Auch die Bundesnetzagentur hat die entscheidende Standortbescheinigung erteilt.

Die Bürger reagieren dennoch verschnupft, das Verhältnis zur Schlossbesitzerfamilie ist mittlerweile allenfalls noch frostig. Rasch formiert sich Widerstand, die Menschen gründen eine Bürgerinitiative, holen bekannte Mobilfunkgegner in ihr Dorf. In der Szene entwickelt sich der Riedenburger Ortsteil zum Symbol – für die eine Seite für beherzten Widerstand gegen übermächtige Konzerne, für die andere Seite für esoterisch angehauchten Unsinn. „Scharfmacher und Rattenfänger“ treiben nach Meinung von Tassilo Wenzl-Sylvester, Miteigentümer des Schlosses, in dem Ort ihr Unwesen. „Wo bitte soll hier Gefahr drohen“, fragt er. Denn die vorgeschriebenen Grenzwerte seien allesamt eingehalten.

Der Zorn der Obereggersberger entzündet sich jedoch vor allem an einem möglichen Gesundheitsrisiko. Sie fühlen sich unwohl, die Ungewissheit nagt an ihnen. „Wir haben Angst“, sagt eine zweifache Mutter. Vor allem die Topografie ihres Heimatorts steht bei den Sorgen der Bürger im Mittelpunkt. Denn das Dorf befindet sich auf einem abschüssigen Hang, der Dachstuhl des Schlosses und damit die geplante Mobilfunkstation liegen auf Höhe vieler Schlafzimmer. „Wir fürchten uns vor der Strahlenbelastung“, erklärt der Eggersberger Ortssprecher Christian Bauer, der den Widerstand anführt.

Zumindest für einen Teil der Bürger sollen diese Sorgen nun vorbei sein. Denn der Kompromissvorschlag der Telekom umfasst nicht alle Wohnhäuser. Gleichzeitig hat der Riedenburger Stadtrat reagiert, um eine Überraschung wie in Obereggersberg künftig zu vermeiden. Vor wenigen Tagen hat das Gremium eine Vorsorgeplanung für das komplette Gemeindegebiet beschlossen. Ähnlich wie bei der Windkraft wollen die Politiker nun auch Konzentrationsflächen für Mobilfunk ausweisen.