Ingolstadt
Rasche Hilfe für kranke Seelen

Polizeipräsidien in Oberbayern arbeiten mit dem Krisendienst Psychiatrie zusammen - Einweisungen möglichst vermeiden

17.07.2019 | Stand 23.09.2023, 7:50 Uhr
Prominenter Unterstützer: Extrembergsteiger Alexander Huber wirbt für den Krisendienst, der unter der Nummer 0180-6553000 zu erreichen ist. −Foto: Bechmann

Ingolstadt (DK) Menschen in schweren seelischen Ausnahmesituationen bedürfen besonderer Hilfe.

Gerade die Polizei ist bei ihrer täglichen Arbeit immer wieder mit Betroffenen konfrontiert, eine große Herausforderung. Oft genug blieb bisher nur die Einweisung in die Psychiatrie, um eine Selbstgefährdung oder Gefahr für andere auszuschließen. Eine Vereinbarung zwischen dem Krisendienst Psychiatrie, einem Projekt des Bezirks Oberbayern, und den oberbayerischen Polizeipräsidien in Ingolstadt, München und Rosenheim soll hier Abhilfe schaffen und sicherstellen, dass psychisch Angeschlagene sofort in fachkundige Hände kommen.

Das Papier war, wie bereits kurz berichtet, am 4. Juli unterzeichnet worden. Hintergrund ist das neue Bayerische Psychisch-Kranken-Gesetz, in dem geregelt ist, dass bei einer Gefährdung vor Anordnung einer Unterbringung zuerst ein Krisendienst hinzuziehen ist. Deeskalation lautet das Ziel, damit Einweisungen nach Möglichkeit vermieden werden. Die Polizei spielt dabei eine wichtige Rolle, ist sie doch bei prekären Situationen oft als Erste zur Stelle.

"Dieses Gesetz und die Vereinbarung des Krisendienstes mit uns ist etwas, das die Gesellschaft dringend braucht", findet Sabine Kerczynski. Sie kümmert sich auf Polizeiseite beim Präsidium Oberbayern-Nord in Ingolstadt um das Thema. "Einen Austausch zwischen der Polizei und dem Krisendienst Psychiatrie gibt es schon länger, das war eine längere Sondierung. Es ist jetzt nur noch darum gegangen, eine für alle deckungsgleiche Vereinbarung zu treffen. Das schafft Rechtssicherheit. " Entsprechend gut komme das Projekt im Kollegenkreis an.

Der vom Bezirk Oberbayern getragene Krisendienst Psychiatrie besteht in der jetzigen Form seit Oktober 2017. Hilfesuchende aus dem ganzen Bezirk können sich an eine zentrale Leitstelle (Telefon 0180-6553000) wenden und erhalten an 365 Tagen im Jahr Unterstützung und Orientierung in seelischen Notlagen. Es gibt auch einen Bereitschaftsdienst in den jeweiligen Regionen, um Betroffene wohnortnah persönlich zu betreuen - und zugleich die Polizei zu entlasten, falls sie im Einzelfall eingebunden sein sollte.

In Ingolstadt und den umliegenden Landkreisen hat Martin Guth von der Caritas-Kreisstelle die Funktion als Gebietskoordinator übernommen. Tagsüber übernehmen sozialpsychiatrischen Dienste die Betreuung, danach gibt es werktags von von 16 bis 21 Uhr und an Wochenenden sowie an Feiertagen von 13 bis 21 Uhr eine Bereitschaft, die jederzeit zur Hilfestellung ausrücken kann. "Pro Landkreis haben wir je ein Zweierteam", sagt Guth. Er begrüßt es, die Polizei nun mit im Boot zu wissen: "Sie ist ein wichtiger Multiplikator, weil sie Hilfesuchende direkt an uns verweisen kann. "

Die Notwendigkeit des Krisendienstes Psychiatrie geht aus einer einzigen Zahl hervor: Allein im vergangenen Jahr meldeten sich mehr als 25500 Hilfesuchende aus Oberbayern bei der Leitstelle in München, aus der Region Ingolstadt waren es 585 Telefonkontakte. In den allermeisten Fällen ist es mit einem einzigen Anruf bereits getan. "Die Betroffene brauchen häufig nur einen Fahrplan, jemanden, der ihnen sagt, wie es weitergeht. Das reicht ihnen oft schon", sagt Sozialpädagogin Amöna Woyde, Gebietskoordinatorin in München. Daneben gab es 2018 im Bezirk Oberbayern 1899 persönliche Einsätze vor Ort durch den Bereitschaftsdienst, davon 102 in der Region Ingolstadt.

Die jetzt beschlossene Kooperation zwischen Polizei und Krisendienst Psychiatrie in Oberbayern gibt den Betroffenen zusätzliche Sicherheit. "Die Vereinbarung ist ein Meilenstein in der Versorgung von Menschen in seelischen Notlagen", freut sich Bezirkstagspräsident Josef Mederer. "Ich bin mir sicher, dass wir so künftig in geeigneten Fällen Unterbringungen vermeiden können. "

Die Polizei begrüßt die Partnerschaft ebenso. Sie geht davon aus, dass sich entsprechende Einsätze abkürzen und im Idealfall sogar ganz vermeiden lassen. Letztlich sollen alle Beteiligten profitieren - vor allem aber seelisch angeschlagene Menschen als die Hauptbetroffenen.
 

Horst Richter