Pfleger bis zur Bewusstlosigkeit gewürgt

Zwei Patienten am Ingolstädter Klinikum sollen 52-Jährigen massiv angegriffen haben - Polizei ermittelt

24.07.2020 | Stand 23.09.2023, 13:08 Uhr
Am Klinikum Ingolstadt wird individuell entschieden, wann eine Mutter den Munschutz bei der Geburt abnehmen darf. −Foto: Foto: Hammer

Ingolstadt - Ein Mitarbeiter des Zentrums für psychische Gesundheit am Ingolstädter Klinikum ist vergangene Woche von zwei Patienten massiv attackiert worden.

Dem Vernehmen nach soll einer der Angreifer den 52-jährigen Pfleger bis zur Bewusstlosigkeit gewürgt haben. Nur durch das beherzte Eingreifen eines Kollegen sei Schlimmeres verhindert worden, war hinter den Kulissen zu erfahren. Der Vorfall fand bisher keine Erwähnung im Polizeibericht, wurde jedoch am Freitag auf Anfrage unserer Zeitung vom Polizeipräsidium bestätigt.

Ort des Geschehens war die Station 26 der Psychiatrie, eine geschlossene Akut-Einrichtung. In der Nacht zum 15. Juli waren dort zwei 18 und 19 Jahre alte Männer aus Ingolstadt untergebracht, der ältere angeblich aufgrund einer polizeilichen Einweisung. Der jüngere Patient hatte zuvor einige Zeit im Kreis Eichstätt gelebt. Nach bisherigen Erkenntnissen soll der 19-Jährige versucht haben, aus der Station zu flüchten, und dabei den 18-Jährigen auf seine Seite gezogen haben. Laut Vorwurf sollen die Männer gegen 3.30 Uhr gemeinsam den diensthabenden Pfleger angegriffen haben. Ein weiterer Kollege war dem Vernehmen nach zwar anwesend, aber speziell mit der Betreuung eines einzelnen "Problem"-Patienten betraut, so dass er zunächst nichts mitbekam.

Der genaue Tatablauf bedarf weiterer Klärung, "die Vernehmung der Beteiligten steht noch aus", sagte Karl Höpfl vom Polizeipräsidium Oberbayern-Nord am Freitag. Auch Zeugen müssten noch gehört werden, darunter eine zur Tatzeit anwesende Ärztin. Vorher wolle man sich nicht äußern.

Nach unserer Zeitung vorliegenden Informationen sollen die Männer den Brandalarm in der Station ausgelöst haben, was zur Folge hat, dass die Türen sich öffnen - ob sie diesen Automatismus kannten, blieb offen. Der Pfleger wollte die Flucht unterbinden, hatte gegen die aggressiven Männer aber offenbar keine Chance. Sie brachten ihn laut Vorwurf zu Boden, der 18-Jährige soll den Mann dann so lange und so heftig gewürgt haben, bis er das Bewusstsein verlor. Kurz danach war dann der zweite Pfleger zur Stelle und stieß den jungen Patienten weg. Der 52-Jährige konnte wieder Luft schnappen und kam zu sich. Der Mitarbeiter wurde dem Vernehmen nach zur Behandlung in die Notaufnahme gebracht.

Wenig später trafen Polizei und Feuerwehr ein, mussten aber nicht mehr eingreifen. Die renitenten Patienten wurden getrennt und in verschiedenen Stationen untergebracht. Sie erhielten Strafanzeigen wegen gefährlicher Körperverletzung und Notrufmissbrauchs. Der attackierte Pfleger hat nach Angaben des Hauses keine bleibenden Schäden davongetragen. Er sei einige Tage später bereits wieder zum Dienst erschienen, hieß es.

Erich Göllner, Pflegedirektor des Klinikums, erläuterte auf Anfrage, wie das Personal auf solche Zwischenfälle vorbereitet wird. Die Quintessenz seiner Ausführungen: Hundertprozentigen Schutz könne es nie geben, aber man tue viel, um ihn annähernd zu erreichen. Neben einem Deeskalationstraining seien die Kräfte auch geschult, Situationen anhand einer Gewalt-Checkliste einzuordnen, um bei Bedarf Unterstützung anzufordern. Im vorliegenden Fall hatte es wohl schon in der Stunde zuvor Komplikationen gegeben, weshalb die Dienstärztin bereits anwesend gewesen sei, erklärte Thomas Pollmächer, Direktor des Zentrums für psychische Gesundheit und Chefarzt in der Psychiatrie.

Laut Göllner besitzen die Pflegekräfte außerdem Notfalltelefone, die auf Knopfdruck oder bei einem Sturz automatisch Alarm auslösen. Dann würden weitere Pfleger oder der hausinterne Sicherheitsdienst zur Unterstützung kommen. "Ab und zu müssen wir auch die Polizei rufen", bedauerte Göllner. Dies passiere heutzutage öfter als früher und etwa einmal im Monat, sagte Chefarzt Pollmächer. Eine Zeitlang seien besonders aggressiv machende Drogen die Ursache dafür gewesen, dass Patienten vermehrt ausrasteten. In Corona-Zeiten kann es nach seiner Einschätzung damit zusammenhängen, dass manche Patienten dringend benötigte Behandlungen ausgesetzt haben, was zu einer Verschlechterung ihrer Situation führte.

Das Klinikum Ingolstadt verweist zudem darauf, alle ungewöhnlichen Vorfälle, die sich unter anderem an Wochenenden oder Feiertagen häufen können, seit 2017 genau zu dokumentieren und auszuwerten, um Zusammenhänge zu erkennen. Bei Bedarf würden Dienste verstärkt, um das Personal zu entlasten und zu schützen.

DK

Horst Richter