Partner im Streit erstochen

Münchner Landgericht verurteilt Frau aus Petershausen zu sechseinhalb Jahren Haft

27.11.2020 | Stand 23.09.2023, 15:43 Uhr
Patrik Stäbler
Der fünfte Stich war tödlich: Eine 35-jährige Frau aus Petershausen - hier beim Betreten des Gerichtssaals - ist in München wegen Totschlags verurteilt worden. Sie hatte ihren sechs Jahre jüngeren Freund vor einem Jahr bei einem Streit mit einem Messer erstochen. −Foto: Stäbler

München/Petershausen - Ihre Tochter und der Sohn, der Vater und eine frühere Zellengenossin im Gefängnis - sie alle sind auch letzten Verhandlungstag ins Münchner Landgericht gekommen, so wie Familie und Freunde den gesamten Prozess verfolgt haben.

Als der Vorsitzende Richter Thomas Bott nun am späten Freitagnachmittag des siebten Verhandlungstags das Urteil verkündet, hört man auf den Zuschauerbänken erschrockenes Durchschnaufen, später fließen dort auch Tränen. Derweil lehnt sich die 35-Jährige aus Petershausen auf der Anklagebank zurück und blickt stumm ins Leere.

Sechs Jahre und sechs Monate Haft wegen Totschlags - so lautet das Urteil, das noch nicht rechtskräftig ist. Für die Frau bedeutet das: Sie wird ihre zwei älteren Kinder vermutlich erst wieder außerhalb der Gefängnismauern sehen, wenn diese schon beinahe erwachsen sind. Auch ihre jüngste Tochter - sie ist gerade mal zwei Jahre alt - muss erst mal ohne Mutter aufwachsen. Und ohne ihren Vater. Denn den hat die Frau aus Petershausen vor einem Jahr im Streit mit einem Messer erstochen.

"Man könnte das Ganze mit der Überschrift versehen, dass sich die Lüge meistens an der Wahrheit orientiert", sagt Richter Bott in der Urteilsbegründung. Er meint damit die Aussage der 35-Jährigen, in der zwar "relativ viel gestimmt hat, aber einiges auch nicht". Unstrittig ist, dass die Frau und ihr sechs Jahre jüngerer Freund in jener Novembernacht 2019 in Streit gerieten. In dessen Verlauf packte der 28-Jährige sie vermutlich am Kiefer; dafür würden Rötungen und Kratzer im Gesicht sprechen, so der Richter.

Zudem - so hat es die Angeklagte im Prozess geschildert - habe ihr Lebensgefährte sie geschlagen und getreten. Sie habe Todesangst verspürt und "gedacht, er bricht mir das Genick". In der Küche habe sie daher instinktiv nach einem Messer gegriffen und "versucht, ihn zu piksen", so sagt sie das. Zunächst erwischte sie den 28-Jährigen viermal am linken Arm. Und wäre es dabei geblieben, so der Richter, "dann wären wir heute allenfalls wegen gefährlicher Körperverletzung hier". Doch beim fünften Stich bohrte sich die 16 Zentimeter lange Klinge von hinten durch den Brustkorb, verletzte die Lunge und durchtrennte eine Schlagader. In der Folge verstarb der Mann kurze Zeit später noch in der Wohnung.

"In einem dynamischen Geschehen ist es zu dem verhängnisvollen und tragischen Stich in den Rücken gekommen. " So formuliert es der Verteidiger der 35-Jährigen in seinem Plädoyer. Er fordert einen Freispruch für seine Mandantin, da diese in Notwehr gehandelt habe. Und: "Sie wollte ihn mit Sicherheit nicht töten. " Genau das sehen die Staatsanwältin und der Vertreter der Nebenklage anders. Zweiterer, der die Familie des Getöteten vertritt, weist die Aussagen der 35-Jährigen als "Schutzbehauptungen" zurück. Ihm zufolge habe die Frau ihren Partner "aus Hass, Wut und Enttäuschung über ihre gescheiterte Lebensplanung und wahrscheinlich auch aus Eifersucht umgebracht. " Derweil verweist die Staatsanwältin darauf, dass nach der Tat kaum Verletzungen bei der Frau festgestellt wurden, was nicht zu den von ihr behaupteten Schlägen und Tritten passe. Überdies würden auch die Blutspuren ihrer Schilderung widersprechen, so die Staatsanwältin, die siebeneinhalb Jahre Haft fordert.

Diese Argumente macht sich dann auch das Gericht in seiner Urteilsbegründung zu eigen. Der 28-Jährige habe nach den ersten vier Stichen vermutlich bemerkt, dass er mit einem Messer angegriffen werde, sagt Richter Bott. Danach habe er sich weggedreht "und versucht davonzukommen". Und genau in dieser Situation habe die 35-Jährige dann jenen fünften Stich ausgeführt - "mit bedingtem Tötungsvorsatz und nicht mit Verteidigungsabsicht".

Mit einer Haftstrafe von sechseinhalb Jahren bewege man sich für ein vollendetes Tötungsdelikt "im moderaten Bereich", beschließt der Vorsitzende Richter seine Ausführungen. Zugunsten der Angeklagten habe unter anderem gesprochen, dass ihr "das Ganze leidtut", sagt Thomas Bott. "Und dass sie es auch heute noch nachhaltig bereut. "

DK

Patrik Stäbler