Naturparadies mitten in der Großstadt

Ökologischer Landbau bringt viele Vorteile, wie ein Projekt in Ingolstadt demonstriert

23.06.2020 | Stand 23.09.2023, 12:30 Uhr
Biobauer Christian Froschmeir (links) steht inmitten eines Roggenfelds, am Rand wachsen Kamille und Kornblumen. Die Demoparzellen im Ingolstädter Nordwesten sollen zeigen, wie bei richtiger Fruchtfolge alles blüht und gedeiht. Zwischenfrüchte verhindern die Auswaschung von Stickstoff, indem sie ihn binden oder sogar selbst produzieren. Ihre Wurzeln können mit Hilfe von Knöllchenbakterien Stickstoff aus der Luft holen und liefern damit natürlichen Dünger - die kugeligen Gebilde sind gut zu erkennen (oben). −Foto: Richter

Ingolstadt - Die Lerchen singen weit droben in der Luft ihr Lied, ein Feldhase hoppelt gemächlich über die blütenbunte Wiese, nicht weit davon steigt ein Rebhuhn aus einer Wiese auf.

 

Wir befinden uns nicht auf weiter Flur irgendwo draußen auf dem weiten Land, sondern mitten in Ingolstadt, genauer gesagt im Nordwestviertel, wo Güterverkehrszentrum, Hochhäuser, Hauptstraßen und Audi-Werkshallen das Bild prägen. In dieser Gemengelage ist das Gelände für die Landesgartenschau (LGS) entstanden, Corona hat den Veranstaltern jedoch einen Strich durch die Rechnung gemacht, zumindest für 2020. Der Natur ist das egal, sie wächst und gedeiht ungestört und umso besser auf dem Areal. Ein besonders interessanter Part steht gerade in voller Pracht: die Parzellen zum Thema Ökolandbau.

Es ist das erste Mal in Bayern, dass der ökologische Pflanzenbau bei einer solchen Großveranstaltung in diesem Umfang Raum bekommen soll, fast ein Hektar Fläche ist dafür reserviert. Der Startschuss fällt nun 2021. "Das Gelände war vorher schon landwirtschaftlich genutzt, deshalb ist die Idee entstanden, dieses Thema vorzustellen", sagt LGS-Geschäftsführerin Eva Linder - ein durchaus aktueller Komplex in Zeiten des Artensterbens und Umbruchs in der Landwirtschaft. Mit im Boot sitzen die Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) und die Hochschule Weihenstephan-Triesdorf.

Seitdem das Volksbegehren Artenvielfalt in Bayern gesetzlich verankert ist, gilt als Ziel, den ökologischen Landbau auf 30 Prozent aller Flächen umzusetzen. Doch was macht ihn aus? Der Biobauer und Agrarstudent Christian Froschmeir aus Ingolstadt-Zuchering hat sich um die Realisierung des Projekts auf dem LGS-Gelände gekümmert. "Der ökologische Landbau ist eine ressourcenschonende und umweltverträgliche Form der Landwirtschaft", sagt er. Chemische Spritzmittel und Kunstdünger seien dabei verboten. Ein wechselnder Anbau verschiedener aufeinander abgestimmter Kulturen erfülle wichtige Funktionen. "Die vielseitige Fruchtfolge sorgt dafür, dass es dem Boden gut geht und die Pflanzen sich gesund entwickeln. " Acht Jahre dauere ein solcher Anbauzyklus. Froschmeir veranschaulicht das Prinzip quasi im Schnelldurchlauf innerhalb einer einzigen Vegetationsperiode auf den zahlreichen Demoparzellen.

 

Eine mögliche Fruchtfolge sieht so aus: Ein Klee-Gras-Gemenge im ersten Jahr, die Pflanzen sammeln Stickstoff im Boden. In der nächsten Saison Winterweizen (samt Zwischenfrucht nach der Ernte), gefolgt von Zuckerrüben und Winterroggen (plus Zwischenfrucht), danach Sonnenblumen, Sommerhafer und schließlich im achten Jahr wieder Klee. Zwischenfrüchte aller Art kommen so häufig wie möglich zum Einsatz, um der Bodenerosion vorzubeugen und Nährstoffe auf natürliche Weise in die Erde zu bekommen. Sie blühen oft kräftig und gelten als wichtige Bienenweide. Bedeutend für ein Gelingen ist zudem ein ständiger Wechsel zwischen Sommer- und Winterkulturen, Blatt- und Halmfrüchten sowie nährstoffzehrenden und nährstoffproduzierenden Pflanzen. "Es gibt im Ökolandbau ganz verschiedene Fruchtfolgen und vielfältige Möglichkeiten", sagt Biobauer Froschmeir.

Das Potenzial des Ökolandbaus lässt sich in diesen Wochen am Ingolstädter Landesgartenschaugelände bewundern, "leider nicht für die Öffentlichkeit", bedauert Froschmeir. "Aber wir wollen das nächstes Jahr wieder so gestalten, dann kann ich sogar noch einige Verbesserungen umsetzen. " Das Thema sei nicht nur für Bauern interessant. "Angesprochen ist jeder, weil sich der Grundgedanke auch in Privatgärten umsetzen lässt. Wer im Einklang mit der Natur handelt, fördert die Artenvielfalt. "

DK

 

 

Horst Richter