Augsburg
Mord im Milieu

Angeklagter schweigt am Landgericht Augsburg zum Tod einer Prostituierten vor 25 Jahren

06.12.2018 | Stand 02.12.2020, 15:05 Uhr

Augsburg (DK) Seit gestern wird in Augsburg ein "Cold Case" verhandelt: 25 Jahre nach der Tat begann vor dem Schwurgericht am Landgericht der Prozess im sogenannte Prostituiertenmord. Angeklagt ist Stefan E. (50). Er schweigt. Auch zum Vorwurf, er habe im Jahr 2017 eine Bekannte vergewaltigt.

Seit mehr als einem Jahr sitzt der schmächtige Angeklagte nun schon in Untersuchungshaft. Als er, bekleidet mit einem grauen Sweatshirt und Jeans, kurz vor 13 Uhr auf der langen, hölzernen Anklagebank Platz nimmt, klicken die Kameras. Zahlreiche TV- und Presseleute sind gekommen, um den Prozessauftakt mitzuerleben. Anders als die meisten Angeklagten, verbirgt Stefan E. sein Gesicht nicht. Harmlos sieht er aus, könnte man sagen. Unauffällig. Wer ihn sieht, ohne Näheres zu wissen, würde ihn ohne zu zögern engagieren. Er ist gelernter Maler und Lackierer.

Allerdings hat der 50-Jährige, soviel kann man auch vor einem Urteil schon sagen, eine gewisse Vergangenheit. Drogen und Alkohol prägten sein Leben. Seine Freundschaften pflegte er im Milieu am Oberhauser Bahnhof. Zur Clique dort gehörte auch Sabine K. (Name geändert). Die 42-Jährige kannte den Angeklagten seit Jahren, als es schließlich, laut Staatsanwältin Martina Neuhierl,irgendwann im April vergangenen Jahres zum Sex kam. Zuerst einvernehmlich, dann aber, als Sabine K. eigentlich schon gehen wollte, soll Stefan E. sie zurück aufs Bett geworfen haben, um sie brutal zu vergewaltigen.

Als besonders belastend empfand die Frau die Situation im großen Schwurgerichtssaal, den zahlreiche Zuschauer bevölkerten. Erst als die Staatsanwältin ihr mit Beugehaft drohte, sagte die Bekannte des Angeklagten aus. "Sie müssen da jetzt durch. Was ist passiert?", insistierte auch die Richterin. Und schließlich gab die 42-Jährige stockend zu Protokoll, Stefan E. habe sie damals vergewaltigt. Danach sei sie wieder tiefer in die Alkohol- und Drogensucht gerutscht.

Anzeige erstattete Sabine K. wegen der mutmaßlichen Vergewaltigung nie. Die Polizei erfuhr auf anderem Weg davon. Irgendwann soll Stefan E. mit dem Sex im Freundeskreis geprahlt haben.

Erst wenn der Vorwurf der Vergewaltigung verhandelt wurde, will sich das Gericht dem Mord an der Prostituierten Angelika Baron widmen. Die 36-Jährige wurde am 25. September 1993 erwürgt an einem Flutgraben bei Gessertshausen neben der Bahnline Augsburg-Ulm gefunden. In der Nacht davor soll sie in ihrem Mitsubishi auf Freier gewartet haben. Stefan E., ist Staatsanwältin Neuhierl überzeugt, war ihr letzter Kunde. Laut Anklage stieg sie zu ihm in dessen BMW, er gab ihr 100 D-Mark. Er wollte angeblich Sex auf eine Art, von der er wusste, die Frau würde sich verweigern. Außerdem habe er sie berauben wollen - er habe Geld für Alkohol und Drogen gebraucht. So soll Stefan E. der Frau zunächst mit einem 22 Zentimeter langen Möbelfuß auf den Kopf geschlagen und sie anschließend erwürgt haben. Bevor er die Tote am Bahndamm ablegte, soll er sich mit dem hölzernen Pflock an ihr vergangen haben.

Mehr als 120 Zeugen will das Gericht hören. Mangels Geständnis wird es ein Indizienprozess, der bis ins Frühjahr dauern könnte.

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