"Bayern ist stabil, weil es die CSU gibt"

03.08.2018 | Stand 02.12.2020, 15:56 Uhr
Ministerpräsident Markus Söder in der vergangenen Woche bei einer Veranstaltung auf der Kreuzbergalm zwischen Tegernsee und Schliersee. −Foto: Foto: Mirgeler/dpa

Die Umfragewerte seiner Partei stagnieren unter der 40-Prozent-Marke. Dennoch ist Ministerpräsident Markus Söder zuversichtlich, was die Landtagswahl am 14. Oktober angeht: Er geht davon aus, dass die Hälfte der Wähler noch unentschlossen ist.

Herr Söder, was ist gerade los mit der CSU? Die Wirtschaft brummt, die Arbeitslosigkeit ist niedrig, die Verschuldung sinkt, Bayern wächst und gedeiht, die Geburtenrate ist höher als die Sterberate, sogar der Sommer ist schön. Das sollten doch paradiesische Umstände für eine Landtagswahl sein.

Markus Söder: In der Tat geht es Bayern so gut wie nie. Wir leben in wirtschaftlich besten Zeiten. Aber das kann sich auch ändern. Die Veränderungen der internationalen Globalisierung, der Handelsstreit mit den USA und der Brexit, können die Lage verändern. Umso wichtiger ist, dass Bayern seine Position erhält: Bayern soll Sprungbrett für Zukunft und Innovation sein und Schutzschild für diejenigen, die sozial nicht so stark sind oder sich mit der Globalisierung schwer tun. Klar ist auch: Deutschland ist derzeit emotional gespalten und die Gesellschaft zerrissen. Das politische Spektrum droht zu zerfasern. Deshalb braucht es einen stabilen Anker und ein Zentrum in der Mitte. Das ist die CSU. Bayern ist stabil, weil es die CSU gibt.

Man könnte meinen, Sie machen, was die Leute wollen: Mehr Aktivitäten für den Naturschutz, Grenzpolizei und Ankerzentren, Ausbau und Modernisierung der Hochschullandschaft, Investitionen in Zukunfts-Hightech, Geldgeschenke für die bürgerliche Mitte. Und doch: Die Umfragewerte der CSU stagnieren unter der 40-Prozent-Marke. Können Sie das nochmal mit bayerischen Maßnahmen herumreißen? Oder wäre dafür ein wenig Berliner Rückenwind hilfreich?

Söder: Die politische Situation von heute ist nicht vergleichbar mit der vor der Landtagswahl 2013. Zum einen gibt es derzeit weniger Rückenwind aus Berlin. Das belegen die aktuellen nationalen Umfragen. Zum anderen verändert natürlich eine neue Partei wie die AFD die politischen Konstellationen. Überall in Europa zerbröseln etablierte Parteien und an ihre Stelle treten populäre oder populistische Bewegungen. Deswegen ist mir als bayerischem Ministerpräsidenten wichtig, das Land zusammenzuhalten, Führung zu zeigen und Richtung zu geben. Während andere über Zuwanderung streiten, handelt Bayern. Durch die Kombination von bayerischer Grenzpolizei, Ankerzentren und dem bayerischen Landesamt für Asyl erreichen wir in Bayern mehr Ordnung an den Grenzen, schnellere Asylentscheidungen und konsequentere Abschiebung. Zugleich erhalten wir die Balance zur Humanität, indem wir den Menschen, die sich in Ausbildung oder Beruf befinden, eine bessere Perspektive bieten. Entscheidend ist, dass in den nächsten Wochen Handlungen und Ergebnisse in den Vordergrund rücken. Das überzeugt die Menschen. Wir sollten mehr über das Erreichte reden. Streit nutzt niemanden.

Die Menschen im Land erwarten ein handfestes Ergebnis, einen spürbaren Erfolg. Was muss also kommen?

Söder: Schon jetzt ist spürbar: Bayern geht einen konsequenteren Weg als die anderen Bundesländer. Die meisten bilden keine Ankerzentren, sichern ihre Grenzen nicht und schieben kaum ab. Wir haben dagegen die richtige Balance von Humanität und Ordnung. Dazu gehört ein Integrationskonzept, für diejenigen, die bei uns bleiben werden. Ergänzend kommt hinzu, dass wir mit einer Afrika-Strategie, die wir mit dem Bund abstimmen, die Fluchtursachen bekämpfen wollen. Die Menschen werden zunehmend erkennen, dass wir in Bayern handeln, arbeiten und umsetzen. Wir bieten Stabilität in der politischen Mitte. Natürlich ist das eine große Verantwortung. Ich nehme sie an. Außer mir traut sich ja keiner wirklich das Amt des Ministerpräsident zu.

Was nun die neue bayerische Grenzpolizei angeht, gibt es die Kritik, das sei Show und ein Wahlkampf-Gag.

Söder: Die meisten Bundesländer tun weniger bei der Begrenzung der Zuwanderung und der Sicherheit der Bürger als Bayern. Es entstehen No-Go-Areas, weil sie ihre Polizei zu wenig stärken und zu wenig politische Rückendeckung geben. Wir in Bayern machen das Gegenteil: Mehr Polizeistellen und ein sicherer Rechtsrahmen durch das neue Polizeiaufgabengesetz. Und: Wir reden lieber über den Schutz von Opfern als über die Psychologie von Tätern. Zudem setzen wir mit der Grenzpolizei ein international beachtetes Signal der Sicherheit und Ordnung an unseren Grenzen. Das machen wir auch noch geschickt - weil wir keine zusätzlichen stationären Grenzkontrollen einführen, die den grenzüberschreitenden Wirtschaftsverkehr behindern. Unsere Grenzkontrollen sind flexibel - und schrecken Schlepper, Schleuser und Kriminelle ab. Schon jetzt deutet sich an, dass sich Routen von Bayern weg verschieben.

Laut einer Umfrage droht CSU-Chef und Bundesinnenminister Horst Seehofer zur Belastung bei der Landtagswahl zu werden. Wie sehen Sie es?

Söder: Ich bin Optimist und Realist, gerade vor Wahlen. Mehr als die Hälfte der Wähler ist noch unentschlossen. Der richtige Wahlkampf geht erst im September los. Die Menschen wollen jetzt in Urlaub fahren und den Sommer genießen. Und man darf nicht vergessen: Wir leben in einer Stimmungs-Demokratie. Bei der zurückliegenden Asyldebatte in Berlin haben uns viele gesagt: Setzt euch durch, aber streitet nicht. Deshalb ist aus meiner Sicht klar: Wir müssen konstruktiv arbeiten und zeigen, was wir wollen. Was mir aber auffällt, ist, dass die Oppositionsparteien und andere Gruppierungen in den letzten Wochen zunehmend persönlich geworden sind. Statt Sachargumente hören wir vor allem persönliche Beleidigungen und Ehrverletzendes. Gerade auch Horst Seehofer wird mit unsäglichen Worten und Vergleichen belegt, die jeden Anstand vermissen lassen. Stil in der politischen Auseinandersetzung ist wichtig. Aber er ist keine Einbahnstraße, er gilt für alle.

Sind die Zeiten von "50+X" für die CSU endgültig vorbei?

Söder: Wir leben in anderen Zeiten mit neuen Parteien. Für unsere aktuellen Umfrageergebnisse wären viele Parteien im freien Europa dankbar. Aber ich denke nicht an Umfragen und nicht an die Prozentpunkte bei der Wahl: Ich versuche einfach, das Beste für Bayern zu geben. Ich will die Menschen in Bayern überzeugen, dass die CSU den richtigen Kurs für die Zukunft hat. Das beinhaltet auch, Wähler, die mit der AfD liebäugeln, wieder an die CSU zu binden. Nicht dadurch, indem man andere Parteien beschimpft. Sondern wir bitten die Menschen nachzudenken, wer in der Sache am ehesten etwas erreichen kann. Wer kann denn in Deutschland bei der Zuwanderung überhaupt etwas durchsetzen außer uns? Niemand! Keine andere Partei hat hier bis heute so viel verändert wie wir.

Und wo im politischen Spektrum würden Sie sich selbst verorten?

Söder: Ich bin ein Sozial-Konservativer mit einem liberalen Staatsbild. Ich stehe für einen starken Staat, wenn es um Schutz und Sicherheit der Bürger geht, auch im Sozialen. Aber für einen liberalen Staat, wenn es um die persönlichen Freiheiten der Bürger geht. Das unterscheidet mich übrigens fundamental von den Grünen, die einen starken Staat nur dann wollen, wenn es um Einschränkung persönlicher Freiheiten geht: Was darf man noch essen? Darf man noch Auto fahren? Wie viel Fläche darf eine Gemeinde noch verbrauchen?

Nach menschlichem Ermessen werden Sie nach der Wahl einen Koalitionspartner brauchen. Wer ist da Ihr Herzblatt? Können Sie die Grünen der CSU-Basis zumuten?

Söder: Nach menschlichem Ermessen ist völlig unklar, wie die Wahl ausgeht. Wahlkampf ist wie Fußball: Wenn man stehen bleibt und sagt, man habe schon beim letzten Mal gewonnen und werde deshalb auch beim nächsten Mal gewinnen, dann ergeht es einem wie der deutschen Nationalmannschaft. Ich bin bereit vollen Einsatz zu zeigen. Und dann wollen wir sehen, wie das Ergebnis wird.

Das Interview führte

Alexander Kain.