Passau/München
Bischof: System Kirche schuld am Missbrauchsskandal

16.09.2018 | Stand 02.12.2020, 15:40 Uhr
Bischof Stefan Oster. −Foto: Armin Weigel/Archiv

Im Missbrauchsskandal der katholischen Kirche werden erschütternde Dimensionen bekannt. Die deutschen Bischöfe zeigen sich schockiert - und einer findet besonders deutliche Worte: „Schmutz, Abgrund, Unheil.“

Die katholischen Bischöfe zeigen sich entsetzt über die Dimension des sexuellen Missbrauchs an Kindern und Jugendlichen in ihrer Kirche. „Tief bedrückt, erschüttert und beschämt sind wir von der Realität sexuellen Missbrauchs Minderjähriger in der katholischen Kirche“, sagte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), Kardinal Reinhard Marx, am Sonntag laut Mitteilung. „Es ist noch immer erschütternd, was Kindern und Jugendlichen, die sich Priestern anvertraut haben, durch dieses unvorstellbare Leid widerfahren ist.“ Der Erzbischof von München und Freising betonte, die Kirche stehe an der Seite der Betroffenen.

Eine von der DBK in Auftrag gegebene Missbrauchsstudie hat die Situation in der katholischen Kirche in Deutschland aufgearbeitet. Aus der Untersuchung gehe hervor, dass Priester ihre Macht für die Taten ausnutzten, berichtete „Zeit Online“ am Sonntag. Dem Portal liegt die Studie, die am 25. September veröffentlicht werden soll, vor. „Sexueller Missbrauch ist vor allem auch Missbrauch von Macht“, wird aus den Ergebnissen zitiert. Daher sei „Klerikalismus eine wichtige Ursache und ein spezifisches Strukturmerkmal“ für sexuelle Gewalt innerhalb der Kirche.

Wie „Spiegel“ und „Zeit“ bereits in der vergangenen Woche berichteten, nennt die Studie 3677 Opfer von Kindesmissbrauch innerhalb der katholischen Kirche und mindestens 1670 mutmaßliche Täter für den Zeitraum von 1946 bis 2014. Wie „Zeit Online“ berichtet, wurde der Missbrauch laut Studie im Ministrantendienst, beim Religionsunterricht oder in der Erstkommunions- oder Firmungsvorbereitung angebahnt.

Der kirchlichen Struktur gibt auch der Passauer Bischof Stefan Oster eine große Mitschuld an den Missbrauchsfällen. „Vieles war systemisch. Allzu häufig ging es zuerst oder vor allem um den Schutz der Institution Kirche oder um den Ruf des Priestertums“, sagte Oster in einer am Freitag veröffentlichten Videobotschaft. Er sprach von „Schmutz“, „Abgrund“ und „Unheil“ und forderte „eine radikale Form der Selbstkritik“. „Sind wir in der Lage, auch ein System zu verändern, das eher zum Selbstschutz als zum Opferschutz neigt?“ Andere Bischöfe äußerten sich ähnlich. Der Erfurter Bischof Ulrich Neymeyr forderte eine kritische Sicht auf „Strukturen und Mentalitäten in unserer Kirche“.

Bischof Oster geht davon aus, dass es noch mehr Opfer gibt als in der Studie benannt. „Wir wissen inzwischen vieles, aber wir wissen bestimmt noch nicht alles“, sagte er. „Die Situation ist eigentlich noch schlimmer, als wir jetzt wissen. Und das, was wir jetzt wissen, ist schlimm, ist furchtbar genug.“

Der Kriminologe Christian Pfeiffer, der die Studie ursprünglich leiten sollte, den Auftrag aber abbrach, sagte dem „Spiegel“, die Untersuchung habe „große Schwachpunkte“. Er forderte eine Folgestudie, „damit mehr Licht in dieses Dunkelfeld kommt“.

Bericht auf Spiegel Online

Bericht in der Zeit

Videobotschaft von Bischof Oster

dpa