Seeon-Seebruck
"Eine eigentlich wunderbare Verbindung"

CSU-Landesgruppenchef Dobrindt und CDU-Chefin Kramp-Karrenbauer demonstrieren Geschlossenheit

06.01.2019 | Stand 23.09.2023, 5:33 Uhr
Das Glöckchen läuteten sie gemeinsam: CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer und CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt eröffnen am Samstag das Gespräch in Seeon. −Foto: Balk/dpa

Seeon-Seebruck (DK) Am Wichtigsten war die Show. Mal so richtig Kraft und Entschlossenheit zeigen. Wie man das macht? Indem man auch im größten Schneesturm eine Pressekonferenz im Freien hält.

Zusammen traten der Chef der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Alexander Dobrindt, und der Spitzenkandidat von CDU und CSU bei der Europawahl, Manfred Weber, am Samstagvormittag am Rande der Klausurtagung der CSU-Bundestagsabgeordneten in Kloster Seeon vor die Presse. Der Schnee flog seitwärts, der Wind pfiff, manche Journalisten-Frage drang gar nicht erst bis zu den Politikern vor. Was die Beiden zu sagen hatten, ging da weitgehend unter. Die AfD zeige mit ihrem Programm, bis 2024 den Austritt Deutschlands aus der EU vorzubereiten, ihr wahres Gesicht, die AfD sei die deutsche Brexit-Partei, so Weber. CDU und CSU hingegen seien klar für Europa.

Die zweite Pressekonferenz des Samstags verlegten die CSU-Strategen dann doch lieber ins warme Innere der Klostermauern - zu wichtig war offenbar das Signal, als dass man es erneut den schönen Winter-Bildern hätte opfern mögen: Die Vorsitzende der CDU, Annegret Kramp-Karrenbauer, hatte sich bereits am Freitagabend zur Klausur der CSU-Bundespolitiker gesellt und war dann auch den ganzen Samstag bis zum Ende der Klausur geblieben, um die künftige Zusammenarbeit der Schwesterparteien abzustimmen.

Das ist in zweierlei Hinsicht beachtlich. Erstens geschichtlich, denn in den vielen Jahren der CSU-Winterklausuren, die früher noch in Kreuth stattfanden, war etwa Helmut Kohl als Bundeskanzler und CDU-Chef kein einziges Mal eingeladen worden. Und Bundeskanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel lediglich ein einziges Mal, im Jahr 2016.

Zweitens ist dies in politischer Hinsicht beachtlich, denn CDU und CSU wollen nichts weniger als einen Neuanfang ihrer traditionsreichen Beziehung. Eine Grundlage dafür war, das klang in allen Gesprächen mit durch, dass sich die CDU der früheren Vorsitzenden Merkel entledigt hatte - und dass die CSU in anderthalb Wochen mit Parteichef Horst Seehofer auf dem Parteitag in München ebenso verfahren werde. Beide, Merkel wie Seehofer, hatten in dem fast drei Jahre dauernden Flüchtlingsstreit durch ihre Weigerung, die eigene Position sichtbar zu revidieren (Merkel) und durch ihre unmögliche Tonlage (Seehofer) die Union aus CDU und CSU fast zum Brechen gebracht. "Es war ein Blick in den Abgrund", sagte Annegret Kramp-Karrenbauer denn auch auf der Abschlusskonferenz in Kloster Seeon über den bis ins vergangene Jahr dauernden Streit zwischen den Unionsschwestern. Es sei aber auch "ein heilsamer Blick" gewesen. Auf einer Skala von 0 bis 10 hatte sie die Eskalation zwischen CDU und CSU damals bei 9,5 gesehen. In Seeon befand sie, dass diese Eskalation heute "deutlich gegen 0" tendiere.

Dobrindt (den auch innerhalb der CSU viele als einen der Treiber in dem Streit und damit Teil des Problems bezeichnen) befand, er "teile das Bild mit dem Abgrund nicht so gerne", weil er selbst "als Beteiligter dabei war". Er habe da "eine andere Wahrnehmung, was den Abgrund anbelangt". Die CSU hatte im vergangenen Jahr, auf dem Höhepunkt des Flüchtlingsstreits mit Merkel, mehr oder weniger direkt damit gedroht, Bundesregierung und Fraktionsgemeinschaft zu verlassen, um so Merkel zu stürzen.

So oder so: Jetzt gehe es darum, das Symbolhafte daran zu sehen, dass just in diesem Jahr 2019 die Fraktionsgemeinschaft zwischen CDU und CSU seit 70 Jahren bestehe, sagte Dobrindt. Man habe sich in den zurückliegenden 70 Jahren gegenseitig viel zugemutet, derlei wie beim Flüchtlingsstreit sei nicht zum ersten Mal gewesen, "und vielleicht auch nicht zum letzten Mal", so Dobrindt. Aber CDU und CSU, das sei eine "eigentlich wunderbare Verbindung". Über "notwendige Reparaturarbeiten" müsse man jetzt nicht mehr reden.

Und Kramp-Karrenbauer, die mit fünf Geschwistern aufwuchs, bemühte folgendes Bild: "Man streitet sich untereinander, aber wenn die Nachbarskinder kommen, dann hält man zusammen." Insbesondere im vergangenen Jahr sei "niemand zimperlich" gewesen. "Und wir haben die Quittung dafür bekommen", befand sie. Formal meinte sie den Wahlausgang, informell aber womöglich auch Merkel und Seehofer, die beide nun vor dem Ende ihrer politischen Karrieren stehen.

Damit kein falscher Eindruck über die Schwesternschaft von CDU und CSU entsteht, betonten beide gleichwohl, dass man gedenke, auch in Zukunft zu streiten - allerdings in den Gremien und in angemessenem Ton. Man müsse einen Ausgleich zwischen CDU und CSU finden, so Kramp-Karrenbauer, schließlich seien die Parteien "nicht deckungsgleich", insgesamt sorge das aber für eine "verbreiterte Reichweite".

Man wolle alleine schon deshalb Debatten führen, weil es eine Stärke der Union sei, sich inhaltlich zu ergänzen, so Dobrindt, der von einer "kooperierenden Konkurrenz" sprach (er hätte auch "konkurrierende Kooperation" sagen können, das wäre sich aufs Gleiche hinausgelaufen). Neben dem Bild von im Schnee versinkenden, gegen den Wind anargumentierenden Politikern wird so von der Klausur in Kloster Seeon wohl auch das Bild eines versuchten Neuanfangs von CDU und CSU stehen.

Alexander Kain