Regensburg
Das Jahrtausendbauwerk

Steinerne Brücke ist neben dem Dom das wichtigste Wahrzeichen der Stadt Regensburg

16.05.2018 | Stand 23.09.2023, 3:15 Uhr
Die Steinerne Brücke in Regensburg gehört zum Weltkulturerbe der Unesco. −Foto: Flora Jädicke

Regensburg (DK) Ein Wunder der mittelalterlichen Ingenieurskunst erstrahlt in neuem Glanz. Die Steinerne Brücke ist neben dem Dom das wichtigste Wahrzeichen der Stadt Regensburg. In den vergangenen acht Jahren wurde sie umfassend saniert. Am 9. Juni wird die Brücke feierlich den Bürgern der Stadt zurückgegeben.

"Im Zeitplan und im Kostenrahmen." Christine Schimpfermann, Planungs- und Baureferentin der Stadt Regensburg, sagt das nicht ohne Stolz. Nach acht Jahren Bauzeit verkündet sie den baldigen Abschluss der Sanierungsarbeiten an Deutschlands ältester, vollständig erhaltenen romanischen Brücke aus Steinquadern. Im Gespräch mit unserer Zeitung geht sie freilich nur noch auf den Einhalt des Kostenrahmens ein.

Über den Fluss hinweg erschallt das regelmäßige Hämmern der Steinklopfer. Sie sitzen unter der letzten großen Einhausung mit Baugerüsten. Mit gekonnten Schlägen schaffen sie aus glatten Flossenbürger Granitblöcken, jetzt in den letzten Tagen der Sanierung, historisch anmutende Quader für den Bodenbelag. Längst sind die Behelfsstege abgebaut und auch großes Baugerät findet man rund um die Baustelle kaum.

Auch ihnen läuft die Zeit davon. Am 9. Juni wird Brücke wieder feierlich den Bürgern der Stadt übergegeben. Bauforscher, Denkmalpfleger und Handwerker wirkten fast so lange an der Brücke wie einst deren Bauherren am Neubau. Von 1135 bis 1146 entstand die 315 Meter lange Querung mit 14 Pfeilern und 15 Bögen. Reiche Kaufleute hatten das Bauwerk in Auftrag gegeben, unterstützt von Herzog Heinrich dem Stolzen. Damals war es der einzige steinerne Donauübergang zwischen Ulm und Wien. Als Kaiser Friedrich I. Barbarossa der "Steinernen" ,wie sie heute noch im Volksmund heißt, 1182 umfangreiche Privilegien verlieh, florierte die Stadt. Die Einnahmen aus dem Brückenzoll dienten aber zunächst ihrem Erhalt.

Heute teilen sich Bund (6,8 Millionen Euro), Freistaat (5 Millionen Euro) und die Regierung der Oberpfalz (770000 Euro) den Löwenanteil der Kosten für die Instandsetzung. Darüber hinaus ist die Bayerische Landesstiftung mit einer Million Euro beteiligt und die Deutsche Stiftung Denkmalschutz mit einer halben Million Euro. Der Rest kommt aus der Regensburger Stadtkasse. Bleibt die Frage nach dem Kostenrahmen. "Den halten wir ein", sagt die Baureferentin. Das ist eher selten für eine Sanierung wie diese. Vieles sei einfach nicht planbar wie bei einem Neubau, erklärt sie. Bei den veranschlagten 20 Millionen Euro soll es aber dennoch bleiben.

Völlig aus den Fugen geraten war indes das Zeitgerüst. Insgesamt dauerte die Generalsanierung vier Jahre länger als geplant. Noch im Wahlkampf Ende 2013 hatte der damalige Oberbürgermeisterkandidat Joachim Wolbergs angekündigt: Im Frühjahr 2014 wolle er fertig sein. Und das, obwohl Denkmalpfleger, Verwaltung und Bauunternehmen schon zu der Zeit mit erheblichen Herausforderungen zu kämpfen hatten.

Dass das Projekt so viel Zeit verschlang, lag freilich nicht an der Stadtverwaltung. Bautechnische und Denkmalschutz-Probleme hatten immer wieder für Verzögerungen gesorgt. Vor allem der Beton aus früheren Sanierungen bereitete den Denkmalpflegern einiges Kopfzerbrechen. "Wir sind ja nicht die ersten, die diese Brücke restaurieren", sagt Schimpfermann. Die Konservatoren früherer Generationen folgten häufig einer anderen Philosophie. Die teilweise zehn Zentimeter dicke Betonschicht über dem historischen Grünsandstein war zudem mit Eisenmatten durchzogen. Der historische Stein der Bögen war dadurch stark korrodiert. "Das ist alles in Handarbeit abgetragen worden", erklärt Schimpfermann. "Darum dauert vieles so lange."

Ganz sicher gab es früher aber auch nicht die Möglichkeiten, die Denkmalpfleger heute haben. So konnte eine finnische Spezialfirma mittels eines hochpräzisen Flächenecholots neue Einsichten in den Brückenzustand unter Wasser gewähren. Mit "erfreulichem Ergebnis": Die Stahlspundwände der Steinernen Brücke sind alle in einem guten Zustand, hieß es in dem Untersuchungsbericht von VRT Finland. Und auch die Betonerosion an den künstlichen Inseln, auf denen die Brückpfeiler stehen, sei lediglich minimal.

Anders sah es im Füllmauerwerk über den Sandsteinmauern aus. Dort verursachten Leitungstrassen und rostige Eisenteile erhebliche Schäden. Alle diese Störungen mussten beseitigt werden. Dabei stießen die Bauforscher aber auch auf gut erhaltene romanische Füllstoffe. Schimpfermann ist noch immer beeindruckt, dass sich das über die Jahrhunderte erhalten hat. "Das war schon eine Sensation", sagt sie.

Der erste Bauabschnitt im Norden war wohl auch der schwierigste. "Da haben wir relativ viel Entwicklungsarbeit, auch für die kommenden Bauphasen geleistet." Es war der Teil, in dem das Material untersucht wurde. Welcher Zement, welcher Mörtel? Wie sieht das aus mit dem Abtragen der Sandsteine? Bei allen Maßnahmen sollte soviel alte Substanz wie möglich erhalten bleiben. Erst im Herbst 2015 konnte die Bauphase abgeschlossen werden. Fünf Jahre nach ihrem Beginn. Die zweite Phase, auf der Stadtseite gegenüber, lief deutlich runder. Danach kamen der dritte und vierte Abschnitt in der Mitte der Brücke.

Auf der gesamten Brücke musste eine Stahlbetonplatte aus der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg entfernt werden. Sie sollte die Lastverteilung auf der Brücke verbessern. Die Verstärkung ist heute überflüssig. Auch künftig werden nur Fußgänger und Fahrradfahrer die Brücke passieren. Nach einem Bürgerentscheid wurde sie Ende der 90er-Jahre für den privaten Autoverkehr gesperrt. Schon damals galt das Bauwerk als Sanierungsfall. 2008 kam auch das Aus für Busse und Taxen. Bis dahin hatten täglich 300 Busse die Brücke überquert. Das ist für die Baureferentin heute "kaum noch vorstellbar".

Wertvolle Zeit ging auch beim Gezerre um das vermeintlich historische Kopfsteinpflaster aus dem 19. Jahrhundert verloren. Fast ein Jahr diskutierten die Stadt und das Landesamt für Denkmalpflege darüber, ob die Steine rauf kommen oder unten bleiben. Diese Art des Belages hatte den Schaden erst groß gemacht. Durch die vielen Fugen konnten unablässig Eis und Streusalz ins Mauerwerk eindringen und den Stein zersetzen. Am Ende gaben die Denkmalpfleger nach und stimmten dem Granit aus Flossenbürg zu. "Die Brücke ist ja in erster Linie ein technischer Ingenieurbau und erst in zweiter Linie ein Denkmal", argumentiert der damalige Chef des Tiefbauamtes, Alfons Swaczyna, gegenüber Medien. 2013 führte der Streit mit einer Baufirma fast zu einem Bausstopp. "Wir mussten den Zeitplan nicht nur einmal anpassen", gesteht Schimpfermann.

Die Steinerne Brücke wird gerne als "Jahrtausendbauwerk" beschrieben. Mindestens aber gilt sie als Wunder mittelalterlicher Ingenieurskunst. Und bis in die Neuzeit hinein steckt sie voller Überraschungen. Archäologen konnten an beiden Ufern neue Erkenntnisse gewinnen. Kleine Teile der Baugeschichte der 900 Jahre alten Brücke werden sie wohl neu schreiben. Ein Team von Bauforschern hat zudem jeden ausgetauschten Stein akribisch dokumentiert. Das Ergebnis wird neben der wissenschaftlichen Aufbereitung auch in eine populärwissenschaftliche Publikation münden.

Wenn am 9. Juni die Regensburger Bürger ihre Brücke wieder übernehmen, wird auch das Bruckmandl wieder vom höchsten Punkt der Brücke auf die Stadt blicken. Regensburgs steinerner Botschafter ist bereits die dritte Figur. Das Original wurde 1579 zerstört. Ein Torso der zweiten Ausführung steht im Historischen Museum. Das dritte und vorerst letzte Bruckmandl schuf der Bildhauer Anton Blank. Seit 1854 steht es an seinem heutigen Platz auf der Steinernen Brücke. Es wurde ebenfalls aufwendig saniert. Im Dezember 2012 hatte die Figur einen Arm verloren. Ob wegen des hohen Alters oder aufgrund von roher Gewalt, konnte nicht geklärt werden.

Bis heute verbindet das Meisterwerk der Brückenbaukunst die Altstadt von Regensburg mit dem heutigen Stadtteil Stadtamhof. Beide gehören zum Unesco-Weltkulturerbe. Das nördliche Ende war zur Zeit, als Regensburg freie Reichstadt war, auch die Grenze zum einstigen Herzogtum Bayern. Auf der Stadtseite im Süden wird die 900 Jahre alte Brücke abgeschlossen von dem Brückturm, der an den Amberger Salzstadel grenzt, in dem heute das Unesco-Welterbezentrum zuhause ist.

Flora Jädicke