Greding
Über Greding an Maas und Memel

Süddeutscher AfD-Flügel traf sich erstmals - Demonstration gegen Björn Höcke und seine Rechtsausleger

05.05.2019 | Stand 23.09.2023, 6:52 Uhr
  −Foto: Richter

Greding (DK) Der Jubel ist groß, als Björn Höcke seine Rede unterbricht, kurz mit einem Vertrauten spricht und verkündet: Das Hausverbot für ihn und andere AfD-Vertreter in München am gestrigen Sonntag sei aufgehoben.

Da tobt der Hippodrom-Saal in Greding, wo der süddeutsche Flügel der Partei am Samstag zusammentraf. Frontmann Höcke hat zuvor von "Taschenspielertricks" der Landeshauptstadt gesprochen, weil man ihn und seine Gefolgsleute nicht bei einem politischen Frühschoppen dulden wollte. "Es gibt auch noch rechtsstaatlich orientierte Richter", frohlockt der thüringische Landtagsabgeordnete.

Höcke redet sich also am Samstag beim süddeutschen Flügel (siehe Kasten) der AfD in Greding schon mal warm. Die Veranstaltung in der kleinen Stadt im Kreis Roth sorgt in zweierlei Hinsicht für Unmut: Intern wird das Treffen da und dort als Affront gegen Jörg Meuthen, Spitzenkandidat der AfD im Europawahlkampf, gesehen, weil er am selben Tag einen Auftritt in Landsberg am Lech geplant hat. Extern macht die Initiative "Greding ist bunt" mobil, um zu protestieren. Rund 50 Demonstranten empfangen die Teilnehmer des Flügeltreffens mit Buhrufen, Pfiffen und Plakaten - "Kein Kaff zu klein für Protest", heißt es da. Kurzfristig stellen sie sich dem Bus von Katrin Ebner-Steiner, der AfD-Fraktionsvorsitzenden im bayerischen Landtag, in den Weg. "Wir wollten klarmachen, dass wir die Ideologien der AfD nicht gut finden", sagt Initiatorin Maria Dollinger. Vor dem Hippodrom kommt es später noch zum verbalen Streit zwischen beiden Seiten.

Das hässliche Gesicht der AfD zeigen zwei ihrer Vertreter, als sie Fotografen vor dem Gebäude angehen. Geifernd, dass gleich die Spucke ums Gesicht eines Betroffenen spritzt, und im Kasernenton verlangt einer von ihnen die Löschung aller Bilder, einer Journalistin wird gar ihr Smartphone aus der Hand gerissen. Nach der Veranstaltung gibt es ähnliche Szenen, beide Male greift die Polizei ein. "Ansonsten gab es keine Zwischenfälle", erklärt Hilpoltsteins Polizeichef Siegfried Walbert später.

Drinnen geht es freilich harmonischer zu, zumindest untereinander. "Herzlich willkommen, ihr Verdachtsfälle" - lautet die süffisante Begrüßung vor dem Hintergrund, dass der Verfassungsschutz beim Flügel der AfD den Verdacht sieht, dabei könnte es sich "um eine extremistische Bestrebung" handeln. Moderator Georg Hock gefällt der Scherz so gut, dass er ihn wiederholt aufgreift. Die Ziele der Breitseiten während des mehr als vierstündigen Treffens überraschen nicht: Sie richten sich überwiegend gegen Antifaschisten, den Islam, die Medien, die Altparteien und auch eigene Abtrünnige. "Schluss mit Multikulti", ruft die baden-württembergische Landtagsabgeordnete Christina Baum in den Saal. "Skrupellose, antideutsche Politiker und Ideologen haben dieses Land an die Wand gefahren. " Benjamin Nolte rechnet mit abtrünnigen Parteimitgliedern ab. "Verräter" tönt es aus dem Publikum. Die Unvereinbarkeitsliste der AfD, womit die Partei sich nach rechts abgrenzen möchte, scheint für Nolte überholt. "Wir müssen uns die Frage stellen, ob diese Liste noch zeitgemäß ist, oder ob wir nicht gut daran tun würden, dieses Relikt aus der Ära Lucke auf den Müllhaufen der Parteigeschichte zu werfen. "

"2019 wird Deutschland, vor allem der Osten, 2019 wird Europa eine Wende erleben", fasst die bayerische AfD-Landtagsfraktionsvorsitzende Katrin Ebner-Steiner ihre Visionen in Worte, was die anstehenden Wahlen auch in Brandenburg, Sachsen und Thüringen betrifft. Klotzen statt kleckern lautet dabei ihre Devise: "Wir wollen keinen halben Schweinshaxen, wir wollen die ganze Sau. "

Björn Höcke darf erst einen Teddybären zur Finanzierung der Veranstaltung versteigern, bevor er ans Mikrofon tritt. Er konzentriert sich auf die Europawahl und geißelt die "Apparatschiks der Altparteien", insbesondere Manfred Weber (CSU). Viktor Orban sei im Vergleich dazu "ein wahrhaftiger, europäischer Staatsmann". Der ungarische Regierungschef habe eine Heldentat vollbracht, als er sich gegen die Merkel'sche Einwanderungspolitik stellte.

Die EU sei in ihrer heutigen Form nichts als "eine neoliberalistische Globalisierungsagentur", sagt Höcke. Das wahre Europa habe antike, keltische-germanische und christliche Wurzeln, doch das gehe unter. Der Islam sei dagegen nach seiner Überzeugung "nicht rechtsstaatskompatibel", seine Heimat liege nicht in Deutschland. Die EU-Apparatschiks und ihre "willigen Vollstrecker in den deutschen Altparteien" würden Europa nur noch als ein wirtschaftstechnokratisches Siedlungs- und Ausbeutungsgebiet für alle Menschen dieser Welt sehen. Tosender Applaus.

Nur verhalten stimmt Höcke anschließend ein, als die erste Strophe des Deutschlandliedes aus dem Lautsprecher tönt und der brüderliche Zusammenhalt "von der Maas bis an die Memel" beschworen wird. Schon am Freitag wird sich die AfD erneut im Hippodrom treffen, diesmal zum Bockbierfest. Das Publikum wird wohl in Teilen dasselbe sein, das gilt ebenso für die Protagonisten draußen vor der Tür. "Wir planen ein Straßenfest zum Thema Toleranz und Vielfalt", kündigt Maria Dollinger von "Greding ist bunt" an.
 

Der Flügel

„Wahrheit, Anstand, Aufrichtigkeit. Das sind Wesensmerkmale des Flügels. Dazu gehört Unrecht klar zu benennen und zu verurteilen.“ So sieht sich die Flügelbewegung des AfD um Björn Höcke selbst. Der Verfassungsschutz erhob die Teilorganisation jedoch zum Verdachtsfall, es gebe „stark verdichtete Anhaltspunkte“ dafür, dass sie rechtsextremistisch sei. Er stellt fest: Das durch den Flügel propagierte Politikkonzept sei primär auf Ausgrenzung, Verächtlichmachung und weitgehende Rechtlosstellung von Ausländern, Migranten, insbesondere Muslimen, und politisch Andersdenkenden gerichtet und verletze alle Elemente der freiheitlichen demokratischen Grundordnung.

Horst Richter