Ingolstadt
Zum Wohle des Kindes?

Auch gewalttätige Väter haben ein Recht auf Umgang, aber in der Praxis gibt es mitunter Probleme - Ein Fallbeispiel aus dem Raum Ingolstadt

11.07.2018 | Stand 02.12.2020, 16:05 Uhr
Faustrecht in der Ehe - die Folgen sind oft fatal. −Foto: Gambarini/dpa

Ingolstadt (DK) Ein prügelnder Partner, häusliche Gewalt - nicht immer endet es so dramatisch wie am 26. Juni bei der Familientragödie in Gunzenhausen.

Dort war eine Mutter mit ihren drei kleinen Kindern ums Leben gekommen, mutmaßlich ermordet von ihrem Mann. Solche Ausnahmen finden große Beachtung, weniger spektakuläre Fälle bleiben dagegen oft unbemerkt. Schwierig wird es nicht zuletzt dann, wenn Kinder zwischen die Seiten geraten, etwa wenn ein rabiater Vater auf regelmäßigen Umgang besteht. Aber auch Gewalttäter haben Rechte, da können Behörden nicht willkürlich walten. Ein Beispiel aus der Region.

Erniedrigungen und Schläge in der Ehe beschränken sich nicht auf Mietswohnungen in sozialen Brennpunkten. Im vorliegenden Fall geht es um einen 43-jährigen Akademiker aus gutbürgerlichem Haus, sein weiterer Hintergrund tut hier nichts zur Sache. Noch nicht lange verheiratet, war der Mann schon bald übergriffig geworden. Laut einem Strafbefehl des Amtsgerichts Ingolstadt vom 3. November 2016 hatte er seine Frau wenige Wochen zuvor blutig geschlagen. Der Strafrichter verhängte 4500 Euro Geldstrafe.

"Das stimmt alles nicht, das war eine Fehlaussage meiner Frau", behauptet der Mann trotz solcher Fakten. Nach Angaben des Opfers war dieser Vorfall nur die Spitze des Eisbergs. Beginnend mit der Schwangerschaft der Frau sei der Mann zunehmend aggressiv geworden, soll ihr in den Leib getreten und sie als "Schlampe" beschimpft haben. "Er hat extreme psychische Gewalt gegen mich ausgeübt. " Nach der Geburt der heute zweijährigen Tochter habe er kaum väterliches Interesse gezeigt.

Letztlich, sagt die Frau, sei sie wegen der Übergriffe ausgezogen. Der Kindsvater habe während der Ehe fast täglich große Mengen Alkohol konsumiert und im Rausch "aggressiv und aufbrausend reagiert", gab sie beim Jugendamt an. Das Amtsgericht verhängte gegen den Mann im August 2017 eine Kontaktsperre mit Androhung eines Ordnungsgeldes bis zu 250000 Euro bei Zuwiderhandlung.

Die 30-Jährige zog mit dem Kind nach Neuburg und verlegte ihren Wohnsitz schließlich nach Thüringen, zum einen wegen einer Arbeitsstelle dort, zum anderen, um räumlich Abstand zum Noch-Ehemann zu gewinnen. Der 43-Jährige pochte jedoch auf regelmäßige Treffen mit seiner kleinen Tochter und klagte dieses Recht ein. Das Familiengericht in Neuburg billigte ihm in einem Vergleich einen "begleiteten Umgang" mit dem Kind zu - oder auf Deutsch: Eine Mitarbeiterin des Kreisjugendamts sollte mit anwesend sein.

Die Mutter hatte allerdings unterschätzt, welche Tortur diese Lösung für das Mädchen bedeutet: 600 Kilometer Fahrt von Thüringen nach Neuburg und zurück für ein einstündiges Treffen, zugleich zeige die Zweijährige sich laut Aussage der Frau extrem verstört nach Besuchen beim Vater. "Ich habe Angst um sie, weil dieser Mann sehr aggressiv werden kann", sagt die 30-Jährige. Das Kind reagiere nach solchen Treffen mit Essensverweigerung, Schlafstörungen, erbreche sich auf der Rückfahrt und fange zu schreien an, wenn es nur ins Auto gesetzt wird.

Nun könnte man solche Aussagen als Auswüchse eines Rosenkriegs im laufenden Scheidungsverfahrens abtun - wäre da nicht die Kreisjugendamtsmitarbeiterin, die bei den Treffen zwischen Vater und Kind dabei war. Die ersten drei Mal habe der Kontakt abgebrochen werden müssen, da die Zweijährige nur geschrien habe, heißt es in einer Notiz. Danach sei es entspannter geworden, der Mann sei aber "bei jeder Kleinigkeit ausfallend geworden", kenne kein Maß und Ziel, habe sogar sie - die Begleiterin - "auch unterhalb der Gürtellinie beleidigt und angegriffen" und als "psychisch krank und Pseudopädagogin betitelt". Die Stimmung des Vaters kippe sehr schnell, er habe sich nicht unter Kontrolle. Sie, die Pädagogin, habe zudem miterlebt, "welch unglaublichen Druck" der Mann auf die Noch-Ehefrau ausübe und deren "extreme Angst" vor ihm gespürt.

Der Umgang mit dem Kind ruht mittlerweile, es gibt ein neuerliches Verfahren am Neuburger Amtsgericht. "Muss erst etwas passieren, bevor die Behörden tätig werden? ", fragen sich die besorgten Eltern der 30-jährigen. "Gewalttätige Männer dürfen nicht einfach ohne psychologisches Gutachten auf Kinder losgelassen werden, da muss sich was ändern. " Die junge Frau strebt derweil an, den begleiteten Umgang künftig in Thüringen stattfinden zu lassen, um der Kleinen wenigstens die Fahrten mit Übelkeit und Erbrechen zu ersparen. "Ich möchte den Kontakt nicht unterbinden, aber ich will verhindern, dass meine Tochter psychischen Schaden nimmt", betont sie. Der ist möglicherweise bereits eingetreten, es gebe ein Attest ihres Kinderarztes. Der Ausgang des Verfahrens ist offen, fest steht nur: Was Recht ist, muss für das Wohl des Kindes nicht unbedingt richtig sein. Die Entscheidung für das Gericht wird nicht einfach.