Ingolstadt
Strafanzeigen gegen Reinigungsfirma

Verdacht des Betrugs und Wuchers - Kunden aus Ingolstadt und Kreis Eichstätt wenden sich an Kripo

11.07.2019 | Stand 23.09.2023, 7:45 Uhr

Ingolstadt (DK) Mit einer Warnung vor unseriösen Handwerksfirmen hat sich die Polizei jetzt an die Bevölkerung gewandt. Die meist über bunte Flugblätter beworbenen Reinigungstätigkeiten würden von solchen schwarzen Schafen der Branche "meist unprofessionell oder mangelhaft" durchgeführt und "völlig überteuert" abgerechnet.

Unsere Zeitung hatte erst diese Woche von den Erfahrungen eines betroffenen Kunden berichtet, dem es genau so ergangen war. Er ist offenbar nicht der einzige Geschädigte in der Region.

Im konkreten Fall war es um ein Ehepaar aus dem Kreis Eichstätt gegangen, das für eine nach eigenen Angaben "völlig unsachgemäße" Pflasterreinigung insgesamt 2150 Euro bezahlt hatte. Hinzu kamen drei Tage harte Arbeit und weitere Ausgaben für Reinigungsmittel, um den Steinbelag wieder vom Grauschleier zu säubern. Das angeblich in Langenaltheim angemeldete Unternehmen war nicht mehr erreichbar und existiert dort gar nicht, auch im Gewerbeamt der Gemeinde kennt es niemand, ergab eine Anfrage.

Auf unseren Bericht hin meldeten sich mehrere Leser, die ähnliche Erfahrungen gemacht hatten - aber auch der Betreiber einer (zumindest namentlich) anderen Firma aus dem südlichen Landkreis Eichstätt, der sich an den Pranger gestellt fühlte. Er macht genau mit derselben Methode Werbung, sein Flugblatt ist nahezu identisch mit dem des geschilderten Falls. Mit diesen unseriösen Kollegen habe er aber rein gar nichts zu tun, "das sind Trittbrettfahrer", behauptete der Mann am Telefon und verlangte in teils aggressiver Art "eine Richtigstellung".

Weitere Recherchen ergaben indes, dass gegen seine Firma kriminalpolizeiliche Ermittlungen laufen. "Uns sind bisher drei Fälle bekannt", sagte Hans-Peter Kammerer vom Polizeipräsidium Oberbayern-Nord in Ingolstadt auf unsere Nachfrage. Der Verdacht laute auf Wucher und (versuchten) Betrug.

Bereits im März soll das Unternehmen weit überhöhte Preise für die Reinigung zweier Teppiche verlangt haben, 890 Euro pro Stück. Als die Kunden reklamierten, reduzierten sie den Betrag zunächst auf 800 Euro für einen und schließlich auf 900 für beide. Der marktübliche Preis hätte aber maximal 150 Euro betragen dürfen. Erst als der Lentinger die Polizei riefen, gab es eine Einigung. Um ein Ermittlungsverfahren kam die Firma dennoch nicht herum.

380 statt 72 Euro für einen Sack Fugenmaterial

Im April - die besagte Reinigungsfirma hatte ihren Sitz damals laut Flugblatt noch in der Gaimersheimer Straße in Ingolstadt und ein Gewerbe als Annahmestelle für Teppichreinigung und -reparatur, Steinreinigung und eine Ankaufstelle für Gold angemeldet - hatte ein 82-jähriger Ingolstädter Strafanzeige gegen den Betrieb erstattet. 4400 Euro sollte er für eine Pflasterreinigung zahlen - "beim Fugenmaterial haben sie 380 Euro pro Sack verlangt, im Baumarkt kostet er 72 Euro. Sechs Stück haben sie mir abgerechnet", berichtete der Mann. Er habe letztlich vom Widerrufsrecht Gebrauch gemacht, "auch weil mich meine Steuerberaterin darauf hingewiesen hat, dass mit der Steuernummer des Betriebs etwas nicht stimmen könnte". Die Firma habe zunächst weiter Druck gemacht und Geld gefordert, darunter mit einem mutmaßlich fingierten Anruf eines angeblichen Rechtsanwalts, hält nun aber still, sagte der Mann.

Weitaus mehr - nämlich 14.000 Euro - hatte das besagte Reinigungsteam laut Polizei Mitte Juni für die Säuberung einer Gartenmauer bei einem Kunden in Wettstetten abkassieren wollen. Auf dessen Protest hin reduzierte es den Betrag erst auf 4000 Euro und wollte sich schließlich mit 3000 Euro in bar zufriedengeben. Die Betroffenen zogen einen Widerruf vor, auch hier ermittelt die Kripo Ingolstadt.

Besagte Firma scheint es zudem mit den Verbraucherrechten nicht so genau zu nehmen. So berichtete ein Kunde aus dem Kreis Eichstätt davon, auf dem ihm vorgelegten Auftragsformular sei das gesetzlich eingeräumte Widerrufsrecht ausgeschlossen gewesen, bei einem "Rückzieher" hätte er 30 Prozent des Auftragswerts bezahlen sollen, weshalb er Abstand von der Sache genommen habe. Unter der genannten Firmenadresse habe er nur einen Lagerraum mit Farbkübeln und Werkzeug gefunden - "ein richtiger Verhau und bestimmt kein Betriebsbüro, wie man es sich vorstellt", bestätigte uns ein anderer potenzieller Kunde aus Ingolstadt, der nach diesem Eindruck ebenfalls absprang.

Erst Ingolstadt, dann Kreis Eichstätt - der Betrieb scheint seinen Sitz öfter zu wechseln, laut Recherchen im Internet war er vor zwei Jahren noch in Bonn ansässig. Die Polizei vermutet, dass es ein ganzes Netzwerk solcher Reinigungsfirmen quer durchs Land geben könnte, die sich die Gebiete aufteilen und mit derselben Masche und nahezu identischen Flugblättern auf Kundenfang gehen. Drastisch scheint es gerade in Mittelfranken zu sein, das dortige Polizeipräsidium warnte jetzt in einer Mitteilung davor, allzu vertrauensvoll Aufträge zu unterschreiben. Das Vorgehensmuster der dort tätigen Reiniger entspreche weitgehend dem im Raum Ingolstadt und Eichstätt, sagte Präsidiumssprecher Michael Hetzner. "Wir können nur zur Vorsicht raten. "

Horst Richter