"Diese Situation verlangt uns alles ab"

Examensprüfungen trotz Corona: Lehramtsstudenten fordern Entgegenkommen des Kultusministeriums

05.05.2020 | Stand 02.12.2020, 11:25 Uhr
Für das erste Staatsexamen müssen die Studenten viel Lernstoff bewältigen. −Foto: Imago

München/Eichstätt - Das erste Staatsexamen der bayerischen Lehramtsstudenten ist ein Kraftakt: Es erfordert eine monatelange Vorbereitungszeit, bei der der Stoff aus allen vorherigen Semestern aufbereitet, gelernt und gewusst werden muss.

 

Dabei handelt es sich den Studenten zufolge pro Prüfung um 2000 bis 4000 Texte. Eigentlich sollte der zweiwöchige Prüfungszeitraum für das schriftliche Examen bis Ende April bereits abgeschlossen sein.

Doch das Corona-Virus machte den Lernenden einen dicken Strich durch die Rechnung: Am 18. März wurden sie darüber informiert, dass die Prüfungen ausgesetzt seien, sie aber auf einen "Zeitpunkt x" weiterlernen sollten. "Es gab sechs Wochen lang keine Info, keine Orientierung, man hängt total in der Luft", berichtet die 24-jährige Franzi, die in Nürnberg Lehramt Grundschule studiert. Auch für den 24-jährigen Sebastian, der in Eichstätt studiert und Gymnasiallehrer werden will, war "die ungewisse Zeit ein großes Problem. " Am 29. April folgte dann die Auskunft, die Prüfungen würden in zweieinhalb Wochen, ab 18. Mai, weitergehen. Doch das sei so nicht zu stemmen, meinen viele der Betroffenen. Durch die momentanen Rahmenbedingungen sei keine adäquate Prüfungsvorbereitung möglich.

Deshalb haben sich rund 1200 Lehramtsstudenten in Bayern zur Initiative "dontforgetyourfutureteachers" ("Vergiss deine zukünftigen Lehrer nicht") zusammengeschlossen und einen offenen Brief an das Kultusministerium geschrieben, in dem sie ihre Probleme schildern. Darunter ist auch eine Gruppe von Lehramtsstudentinnen aus Eichstätt. "Diese Situation ist besonders und verlangt uns alles ab", berichten sie. "Wir sollen die zukünftigen Lehrerinnen und Lehrer werden, doch im Moment haben viele von uns Existenzängste und glauben, die Prüfungen nicht bestehen zu können. "

In ihrem Brief sprechen die Studenten zum einen von einer hohen psychische Belastung - und geben dazu auch ein Beispiel: "Stellen Sie sich vor, Sie trainieren über Monate hinweg auf einen Marathon. Dieser wird am Tag vorher abgesagt. Dann sollen Sie aber weiter trainieren, ohne zu wissen, wann der Wettkampf genau stattfindet. Plötzlich bekommen Sie die Information, dass der Wettkampf in zwei Wochen stattfinden soll. Werden Sie an diesem Tag Ihre Bestzeit laufen? Sicher nicht. Kommen Sie ins Ziel? Vielleicht. "

Zum anderen berichten sie über die vielen Probleme im Alltag, die die Pandemie mit sich bringt. So waren ab 14. März die Bibliotheken geschlossen - und somit nicht nur der Zugang zur Fachliteratur, sondern auch ein ruhiger Platz zum Lernen weggefallen. Viele Prüflinge hätten durch die Krise ihren Job und damit ihr finanzielles Standbein verloren, sie plagten Existenzängste, einige müssten zu Hause ihre Kinder betreuen oder sich um Risikogruppen kümmern. Die Belastung sei so hoch, dass die "Chancengleichheit massiv gefährdet" sei, so die Studenten. Das Kultusministerium müsse daher die aktuellen Regelungen anpassen. "Es kann und darf nicht sein, dass wir in der momentanen Ausnahmesituation genauso behandelt werden als gäbe es keine Pandemie. "

Besonders prangern die Studenten auch die mangelnde Informationspolitik des Kultusministeriums an. Die Eichstätter Studentinnen-Gruppe äußert zum Teil zwar Verständnis für die unübersichtliche Lage: "Wir wissen, dass auch im Kultusministerium nur Menschen sitzen, die ihre Arbeit machen. Aber wir sind auch Menschen. Wir sind keine Maschinen die ununterbrochen Wissen anhäufen und abrufen können. "

Die Initiative machte dem Ministerium nun zwei Lösungsvorschläge: Die erste Möglichkeit wäre, die Prüfungen ab 18. März stattfinden zu lassen, allerdings mit der Garantie, dass die Prüflinge mindestens die Note erhalten, die sie zum Bestehen des Examens brauchen. Bei der zweiten Variante würden die Prüfungen entfallen und sich die Note aus den bisherigen Leistungen errechnen.

Den Vorteil beider Vorschläge sehen die Studenten darin, dass sie damit im Herbst sicher als Referendare eingesetzt werden können:. "Wir werden an den Schulen gebraucht und wir möchten an die Schulen. " Rückendeckung kommt von den Studierenden im Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverband, die ebenfalls einen sogenannten Nachteilsausgleich fordern. "Eine außergewöhnliche Situation erfordert außergewöhnliche Maßnahmen", betont die Vorsitzende Laura Teichmann.

Heute soll das Thema im Landtag diskutiert werden. Eine Sprecherin des Kultusministeriums sagte auf Anfrage unserer Zeitung, "dass wir uns sehr intensiv mit dem Thema beschäftigen und uns eine faire Lösung sehr am Herzen liegt. " Und sie kündigte eine neue Sonderregelung an - was das genau heißt, wollte sie aber noch nicht bekanntgeben.

DK