München
"Vorbild und Maßstab für andere"

Artenschutz-Volksbegehren: Landtag befasst sich erstmals mit dem Gesetzentwurf

08.05.2019 | Stand 23.09.2023, 6:55 Uhr
Ein großer Tag für Agnes Becker: Die Landesbeauftragte des erfolgreichen Volksbegehrens "Rettet die Bienen" verfolgte gestern von der Besuchertribüne im Plenarsaal die Sitzung des bayerischen Landtags zum Thema Artenschutz. −Foto: Kneffel/dpa

München (DK) Derlei kommt im Bayerischen Landtag nicht allzu oft vor: "Gesetzentwurf Volk" heißt es auf der Drucksache, die gestern in erster Lesung im Landtagsplenum behandelt wurde.

Sonst sind es die Regierungsparteien, die (meist erfolgreich) Gesetzesentwürfe ins Rennen schicken, oder aber die Oppositionsparteien (meist nicht erfolgreich). Nun also: das Volk.

Nach dem erfolgreichen Volksbegehren "Rettet die Bienen" musste sich der Landtag nach Artikel 74 der bayerischen Verfassung mit dem Volksbegehren befassen. Doch schon vorher war klar, dass es keine Sieger und keine Verlierer geben würde: Die von CSU und Freien Wählern getragene Staatsregierung hatte frühzeitig erklärt, das mit mehr als 1,7 Millionen Unterschriften ausgestattete Begehren anzunehmen und nicht mit einem Gegenentwurf ins Rennen zu gehen. Stattdessen wurde durch Runde Tische ein gemeinsames Konzept vereinbart: Annahme des Gesetzestextes des Volksbegehrens, Ergänzung durch ein zweites Gesetz, das ihm zur Seite gestellt wird ("Gesamtgesellschaftliches Artenschutzgesetz - Versöhnungsgesetz").

Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder war voll des Lobes für seinen politischen Schachzug: Statt sich an einer Front zu verkämpfen, an der er moralisch nur unterliegen konnte und die geeignet gewesen wäre, die Gesellschaft zu spalten und Gräben zu vertiefen, startet er "das größte Natur- und Artenschutzgesetz seit den 70er-Jahren", Bayern werde damit "Vorbild und Maßstab für andere", es handle sich um ein "in Deutschland einmaliges Gesamtpaket", um eine "völlig neue Dimension des Natur- und Artenschutzes". In vielen Punkten, so wurde es am Runden Tisch vereinbart, geht man sogar über das Volksbegehren hinaus, an anderer Stelle hingegen mildere man negative Auswirkungen etwa auf die Landwirte ab - auch finanziell. 75 Millionen Euro wird das den Freistaat Jahr für Jahr kosten.

Stellenweise, als Söder mahnte, man dürfe sich an der Umwelt nicht versündigen, es brauche eine "neue Nachhaltigkeits-Ethik" und Wachstum müsse "Sinn machen", klang es, als ob er zu den Grünen gewechselt wäre.

Grünen-Fraktionschef Ludwig Hartmann tat sich dann auch sichtlich schwer, die unliebsame Konkurrenz aus dem bürgerlich-konservativen Lager wieder einzufangen: Es sei "ein großer Tag für den Artenschutz, für den Naturschutz und für die direkte Demokratie", erinnerte er daran, wer das Unterfangen tatsächlich auf den Weg gebracht hatte: Die "Bürger-Power" sei das gewesen, insbesondere die ÖDP habe hier große Verdienste. Gleichwohl habe Söder das jetzt "richtig gemacht", es gehe "wirklich in die richtige Richtung" - auch wenn er, Hartmann, das Gefühl nicht loswerde, dass die Runden Tische vornehmlich notwendig gewesen seien, die Widerstände in der eigenen Regierungsfraktion abzubauen.

Die Falle zuschnappen ließ schließlich CSU-Fraktionschef Thomas Kreuzer, der sich Hartmann und die Grünen anschließend ordentlich zur Brust nahm: Das diese der "parlamentarische Arm" der Umweltschützer seien, sei nicht einzusehen, denn bei der Verankerung des Naturschutzes in der Verfassung hätten die Grünen versagt. Und wo in anderen Bundesländern Grüne regierten, sei es in Sachen Natur- und Artenschutz um Längen schlechter bestellt als in Bayern. Wumm!

Die SPD indes macht "allenthalben Enttäuschte" aus, vom Bauernverband über die organisierten Milchbauern bis hin zum Bund Naturschutz seien die Ergebnisse des Runden Tisches "unvollendet", das zweite Gesetz müsse nun sehr rasch nachgelegt werden, forderte SPD-Fraktionschef Horst Arnold.

Die AfD wiederum hadert ausweislich des Debatten-Beitrages ihres Redners Ingo Hahn damit, ob es überhaupt so etwas wie menschengemachtes Artensterben gibt.

Für die FDP mahnte Christoph Skutella, man lasse stellenweise die Landwirte noch zu sehr im Regen stehen, während der Freie-Wähler-Fraktionschef Florian Streibl den Grünen nochmal eine mitgab und betonte, dass man in Bayern auf Freiwilligkeit setze und nicht auf "fast schon bewaffnete Missionare".

Einstimmig wurde der Gesetzesentwurf an den Umweltausschuss überwiesen.

Alexander Kain