Schrobenhausen
Wo junge Kräfte sinnvoll walten

Die Barocktage starten mit einer kurzweilig-launigen Münchner Opernausgrabung

10.09.2018 | Stand 23.09.2023, 4:02 Uhr
Eine gefühlvolle Inszenierung der Oper "Diana amante" erlebten die Gäste in der Alten Schweißerei am Sonntagabend. −Foto: M. Schalk

Schrobenhausen (SZ) Nur von Mozart, Wolfgang bis Strauss, Richard reicht das klassische Opernrepertoire für gewöhnlich, gelegentlich noch garniert mit etwas Monteverdi und seit einiger Zeit auch ausgedehnt auf einigen Händel. Dagegen sind weite Teile des musiktheatralischen Barock nach wie vor "terra incognita". Dass diese Vernachlässigung keinesfalls mit der Qualität der entsprechenden Werke zusammenhängen muss, hat das "Großkonzert" der zehnten Barocktage in der Alten Schweißerei auf das Frischeste gezeigt.

Geboten wurde "Diana amante", ein 1688 im St.-Georgs-Saal der Münchner Residenz (unter Mitwirkung von Kurfürstin Maria Antonia) erstmals aufgeführtes sogenanntes "Componimento drammatico" von Giuseppe Bernabei, ab 1688 für knapp 20 Jahre Hofkapellmeister des kurfürstlichen Hofes. Natürlich handeln die drei Akte des knapp einstündigen Werks umfassend von der Liebe, von erwiderter wie von zurückgewiesener Zuneigung: Orion bemüht sich um die abweisende Hirtin Leucilla, die aber über fast zwei Akte hin Augen nur für Kollegen Endimion hat. Dieser wiederum entbrennt schon bei erster Begegnung sofort für Diana, die Göttin der Jagd, so dass am Ende zwei glückliche Paare dem Gott Amor danken können.

Mögliche Berührungsängste mit der heute nicht mehr ohne Weiteres verständlichen stark schematisierten und ritualisierten Barockoper wurden dem Publikum in Schrobenhausen erfolgreich auf mehrerlei Weise genommen: Peter Pius Irl, renommierter Sprecher unter anderem des Bayerischen Rundfunks, fasste nicht nur jeweils den Operninhalt prägnant zusammen, sondern vermittelte vorab Regeln "über die Schauspielkunst" des Jesuitenpaters Franziskus Lang - von den Sängern gestisch begleitet auch ohne Musik ein großes Vergnügen. Und schließlich trug die (wieder einmal) von Ann Allen besorgte Inszenierung, die vier im prachtvollen zeitgenössischen Kostüm auftretenden Handlungsträger ernst nehmend und gleichzeitig unangestrengt ironisierend, wie selbstverständlich zum Unterhaltungswert bei.

Giuseppe Bernabeis angenehm fließende Musik, die nach einer zweiteiligen Ouvertüre jeweils recht kurze Dacapo-Arien reiht, setzt nicht auf extreme Gegensätze; umso mehr kommt dann etwa der komponierte "Liebestaumel" der Diana zur Geltung. Die eingefügte Ballett-Musik des Melchior d'Ardespin, durch das Ensemble La Danza München in einer Choreografie von Jadwiga Nowaczek umgesetzt, vermittelt schon eine Ahnung vom späteren Schwung eines Rameau.

Frisch und lebendig musizierte das neunköpfige Ensemble Palestra München unter anspornender Leitung von Professor Michael Eberth am Cembalo, der die "Diana amante" als Oper aus Bayern für Bayern 2009 nach über 300 Jahren wieder aus den Notenarchiven geholt hat. Nuanciert und beweglich gewann der Orchesterklang durch die zu den Streichern hinzutretenden Oboen und Flöten fast unerwartet starke Farben und Fülle. Und schließlich garantierte auf der Bühne ein so hervorragendes wie ausgewogenes Quartett junger Sänger der Musikhochschulen München und Basel den Erfolg: von der im Detail sehr nuanciert gestaltenden Sophie Charlotte Nachtsheim zum überaus noblen Alt von Stefan Steinemann, über den expressiven (Mezzo-)Sopran Susan Zarrabi - so spielstark wie vokal ausdrucksstark - bis zu Lilli Jordans beseligend raumfüllender Stimme.

Nach der die Oper (mit leichter Erinnerung an das Ende von Monteverdis "Poppea") beschließenden Chaconne berechtigt langer Jubel der knapp 200 Besucher in der Alten Schweißerei.

Florian Erdle