Schrobenhausen
Texte, die ins Herz gehen

Mit der Lesung aus Werken jüdischer Autoren setzte die vhs ein Zeichen gegen Antisemitismus

20.11.2021 | Stand 23.09.2023, 21:54 Uhr
Die Hofmarkmusik mit (v. l.) Hartmut Betz (Klarinette), Rita Brunner (Violine), Angela Hofgärtner (Harfe), Hannes Schmauch (Kontrabass) und Erich Hofgärtner (Diatonisches Hackbrett) umrahmte den Lesungsabend. −Foto: Drexler

Schrobenhausen - Die Texte waren mal heiter, mal nachdenklich. Gemeinsam hatten sie, dass sie von politisch verfolgten Künstlern stammten. Genauer gesagt von jüdischen Autoren, deren Texte Sprecherinnen und Sprecher des Bayerischen Rundfunks am Dienstag unter dem Titel "Tanz unter dem Galgen" vorlasen. Organisiert hatte den Leseabend im Gymnasium die Volkshochschule.

Am Jahrestag der Reichspogromnacht

Im Rahmen der Reihe "1700 Jahre Jüdisches Leben in Deutschland" hatte die vhs bereits mehrere Veranstaltungen angeboten. Der Lieder- und Lesungsabend am 9. November sei aber etwas Besonderes, sagte Jana Gerstmair, die Geschäftsführerin der vhs. Zum einen, weil es der Jahrestag der Reichspogromnacht war, bei der vor über 80 Jahren jüdische Geschäfte und Gotteshäuser brannten. Zum anderen, weil es der Volkshochschule wichtig sei, ein Zeichen gegen Antisemitismus zu setzen. Als Beispiel für die wachsende Judenfeindlichkeit nannte Gerstmair die Pandemie: "Gerade in der Querdenkerszene ist es üblich, dass man Juden für Corona verantwortlich macht." Bildung sei der Schlüssel, mit dem die vhs Vorurteile abbauen möchte.

Die vhs-Leiterin zitierte aus der Satzung, in der ausdrücklich vermerkt ist, dass Bildungsangebote der vhs sich insbesondere auf persönliche, gesellschaftliche, politische und berufliche Bereiche erstrecken. "Dadurch sollen der Erwerb von zusätzlichen Kenntnissen und Schlüsselqualifikationen ermöglicht, Urteils- und Entscheidungsfähigkeit geschärft sowie schöpferische Fähigkeiten gefördert werden. Die Veranstaltungen sollen zum Abbau von Vorurteilen beitragen und zum besseren Verständnis gesellschaftlicher und politischer Vorgänge als Voraussetzung eigenverantwortlichen Handelns führen."

Auch die Sprecherinnen und Sprecher des Bayerischen Rundfunks wollten an Autoren erinnern, die aus rassistischen Gründen verfolgt worden waren. Die einen arbeiteten im Exil weiter, andere in Konzentrationslagern oder auch im Ghetto Theresienstadt, wo sie buchstäblich den "Tanz unter dem Galgen" wagten. Mit der Auswahl ihrer Texte bewiesen die BR-Sprecher, dass ein Abend mit Werken dieser Künstler nicht unbedingt schwere Kost sein muss. Sie verbinden mit den "Sprech(er)stunden", die es seit fast 15 Jahren gibt, aber noch ein anderes Anliegen. Welches das ist, erzählte Martin Fogt, der den Abend moderierte: "Wir präsentieren Texte, die uns besonders ans Herz gewachsen sind." Sylvie-Lisa Sperlich, eine der ersten Sprecherinnen der "Rundschau", las einen Auszug aus dem Buch "Der Vulkan" von Klaus Mann. Darin ging es um die Frage: Soll man in Zeiten der Verfolgung in der Heimat bleiben? Oder doch emigrieren und als "Vaterlandsverräter" gescholten werden? Aus Alfred Polgars "Gesang mit Komödie", für den sich Michael Schneider entschieden hatte, stammte die persiflierende Beschreibung einer Primadonna des Liedgesangs. Michael Atzinger, dessen Markenzeichen als Sprecher das Spiel mit Worten und klassischer Musik ist, hatte sich für den Lesungsabend melancholische Gedichte von Mascha Kaléko ausgesucht. Die Dichterin war mit ihrer Familie 1938 in die USA ausgewandert.

Todespredigt vomBetthupferl-Sprecher

Andreas Dirscherl hatte sich für einen Text des österreichischen Komponisten Ernst Krenek entschieden. In seiner Autobiografie "Im Atem der Zeit" erzählt Krenek zum Teil ironisch, manchmal boshaft, aber immer sehr genau über sein Leben in Europa bis 1938. Auch eine freche Charakterisierung seiner Frau Alma Mahler gehört dazu. "Betthupferl-Sprecher" Heinz Peter las aus dem Roman "Der Todesprediger" von Gustav Landauer.

Umrahmt wurde der Lieder- und Lesungsabend mit Klezmer-Musik, gespielt von der Gruppe Hofmark um die Musikerin Rita Brunner. Die Auswahl der Texte sei großartig gewesen und die Musik dazu absolut passend, lobte vhs-Leiterin Gerstmair am Ende des rund zweistündigen Abends.

SZ

Gerlinde Drexler