Kleinhohenried
Spötteln statt Beten

Hans Perlinger hält einen Vortrag über den fast vergessenen bayerischen Brauch der Dorflitanei

24.09.2018 | Stand 23.09.2023, 4:23 Uhr
Tina Blum
Während Theateraufführungen in Wirtshäusern wurden auch Dorflitaneien vorgetragen, weiß Experte Hans Perlinger. Das Foto zeigt eine Pobenhausener Theatergruppe aus dem Jahr 1950. −Foto: privat

Pobenhausen (SZ) Dass Hausnamen noch heute ein fester Bestand der bayerischen Kultur - besonders in ländlichen Gegenden - sind und viel preisgeben über die Lebensweisen innerhalb von Dorfgemeinschaften, hat Hans Perlinger 2006 im Rahmen seiner Dissertation erforscht. Nun geht er einer Pobenhausener Dorflitanei auf den Grund und präsentiert seine Ergebnisse in einem Vortrag am 5. Oktober.

Die Bayerische Dorflitanei ist ein fast ausgestorbener Brauch, aber eben nur fast. Denn Hans Perlinger (kleines Foto) ist es gelungen, eine Pobenhausener Dorflitanei aus Textfragmenten zusammenzufügen, zu verschriftlichen und ihr mittels ortskundigen Musikern eine Melodie zuzuordnen. Doch was ist eigentlich eine Dorflitanei und welche Bedeutung hat sie?

Der Begriff "Litaney" hat seinen Ursprung im Griechischen und bedeutet so viel wie "bitten" oder "flehen". Der Begriff kommt also eigentlich aus der Liturgie: Ein Vorbeter beziehungsweise Vorsänger sang Bittgesänge und die kirchliche Gemeinde antwortete abwechselnd im Chor mit einem Vers - so wie es heute noch bei den Fürbitten im Gottesdienst der Fall ist. Die Dorflitanei hat sich jedoch inhaltlich vom religiösen Gebet wegbewegt und erfüllte später den Zweck der gesellschaftlichen Unterhaltung. Am besten kann man sich eine Dorflitanei, wie die aus Pobenhausen, wie das "Gstanzlsingen" oder auch "Schnaderthüpferln" vorstellen. Den förmlichen Aufbau einer kirchlichen Litanei hat sie jedoch beibehalten und wurde dann in Wirtshäusern oder Theateraufführungen vorgetragen.

"Während der Forschungsarbeiten zu meiner Dissertation in den Jahren 2003 bis 2006 über das Dorf Pobenhausen habe ich mich auch mit dem bayerischen Brauch der Hausnamen beschäftigt", erklärt Perlinger. Er sammelte einzelne Textfragmente, die ihm zunächst von den Dorfbewohnern mündlich überliefert wurden und stieß dabei immer wieder auf Hausnamen und nicht auf die staatlichen Familiennamen basierte.

"Ich bin auf eine Liste aus dem Jahr 1936 gestoßen, die alle Hausnamen aus Pobenhausen beinhaltete und konnte so die überlieferten Textfragmente zu einer Dorflitanei rekonstruieren", berichtet Perlinger über seine Forschungsarbeit. Das Sammeln von mündlichen Informationen und Erinnerungen sei übrigens normal, "wie das eben so ist, wenn man Feldforschung betreibt", scherzt Perlinger.

Anhand solcher Text könne man besonders gut nachvollziehen und sichtbar machen, wie das Dorfleben und die dortige Gesellschaft ausgesehen haben muss, sagt Hans Perlinger. Doch all den Aufwand den er betrieben hat, war nicht ergebnislos.

Zehn Jahre später las und kommentierte Wilhelm Kalten-stadler, Historiker und Autor mehrerer fachwissenschaftlicher Bücher, seine Dissertation und empfahl ihn sich bei der Schmeller-Gesellschaft - diese kümmert sich um die Pflege der bayerischen und deutschen Sprache, Mundart und Dialektforschung und führt noch heute die von Johann Andreas Schmeller begonnene Arbeit am Bayerischen Wörterbuch fort - zu wenden. "Daraufhin wurde ich im vergangenem Jahr von der Schmeller-Gesellschaft kontaktiert und zu einem Symposium eingeladen, bei dem ich einen Vortrag über Hausnamen gehalten habe", sagt Perlinger.

Nach dem Vortrag habe er noch Gelegenheit gehabt, den britischen Sprachwissenschaftler und Dialektologen für bairische Sprache Anthony Rowley zu treffen und mit ihm über die Pobenhausener Dorflitanei zu sprechen. "Er regte an, die Melodie ausfindig zu machen. Er hat mir versprochen, würde es mir gelingen, käme er zu meinem Vortrag", sagt Perlinger. Gesagt, getan - und am 5. Oktober ist es dann so weit: Den Vortrag über Dorflitaneien am Beispiel von Pobenhausen hält Hans Perlinger in der Museumsgaststätte Rosinger Hof beim Haus im Moos (Kleinhohenried 108, Karlshuld).

Der Vortrag ist nicht nur was für Hobby-Historiker, sondern auch etwas für Freunde der gepflegten Volksmusik. Die Eheleute Bradl aus Altomünster, sowie die Mändlfelder Musiklehrerin Bettina Büttner waren maßgeblich an der Findung der Melodie für die Pobenhausener Dorflitanei beteiligt und werden diese aus musikalisch darbieten. Auch andere Dorflitaneien werden vorgetragen. Dafür hat sich Perlinger weitere Unterstützung vom Verein Brauch und Volksmusik aus Rohrbach geholt. Vorgetragen werden außer den Dorflitaneien noch Lieder aus der Zeit um 1860 und ein Hochzeitslied aus dem Jahr 1909. Die Veranstaltung beginnt um 19 Uhr.

Tina Blum