Schrobenhausen
"Wir wollen was zerreißen"

11.08.2015 | Stand 02.12.2020, 20:55 Uhr

Leder ist seine Leidenschaft: Der Schrobenhausener Knut Starringer entwickelt clevere Lösungen aus Leder – wie einen Falknerhandschuh mit Spezialverstärkung oder puristisches Schuhwerk für Menschen, die eigentlich lieber barfuß gehen würden - Fotos: Staimer, Starringer

Schrobenhausen (SZ) „Ich bin Handwerker. Meine Welt ist die Technik“ – so bringt Knut Starringer kurz und knackig auf den Punkt, was der Kern dessen ist, was ihn als Unternehmer antreibt. Und eine Bestätigung, dass sich sein Einsatz lohnt, gab es auch schon: Für seinen Innovationsgeist wurde er mit dem Gründerpreis der Stadt Ingolstadt ausgezeichnet.

Seit 1961 ist der Familienbetrieb am Standort Schrobenhausen am Zacherkeller beheimatet. Hier wohnen, leben und arbeiten drei Generationen unter einem Dach. Die Belegschaft mit gerade einmal acht Mitarbeitern ist klein, aber fein. Als Ausbildungsbetrieb mit zwei Ausbildungsplätzen ist Starringer gefragt. Was sich hinter dem Label namens „Leder von Sinnen“ verbirgt, ist dem schlichten Mehrfamilienhaus von außen nicht anzusehen. Ständig werden hier neue kreative Ideen generiert. Momentan hat Starringer neben der traditionell-klassischen und trendigen Lederkollektion zwölf Forschungsprojekte parallel am Laufen. Hier ist High Tech zu Hause.

Seinem ursprünglichen Werkstoffen Leder und Textil ist das Unternehmen treu geblieben, auch wenn es deren Einsatz ständig weiterentwickelt und beizeiten auch zu revolutionieren scheint. „Textil ist so vielfältig einsetzbar, da sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt“, sagt Starringer. Dabei funkeln seine blauen Augen verschmitzt. Lauscht man seinen Ausführungen, kann einem als Laie schon mal schwindelig werden, was denn konkret machbar ist. Hier das LED-Helmband im Auftrag der Bundeswehr entwickelt für den Einsatz bei Marsch- und Schießübungen, da einen Falknerhandschuh mit textiler Spezialverstärkung oder Sicherheitsgurte für die Automobilindustrie erdacht. Dazu kommt die Anfrage des koreanischen Elektronikkonzerns LG nach einem, in Bekleidung integriertem, System im Bereich des sogenannten Energy Harvesting – also Energiegewinnung durch Bewegung.

„Wearable Solutions“ heißt das Zauberwort, es bedeutet wörtlich übersetzt so viel wie tragbare Lösungen. Der Clou ist, dass mit jeder Menge technischem Know-how und handwerklichem Können Mess- oder Arbeitsinstrumente in Arbeitskleidung integriert werden können. Das Ganze müsse sich dem jeweiligen Arbeitsumfeld bewähren. Schutzbestimmungen seien dabei unbedingt einzuhalten, wie der Unternehmer eindringlich betont.

Sei es nun die in die Arbeitskleidung von mobilen Pflegekräften integrierte Technik zur Datengewinnung von Messdaten in Sachen Rückgratbelastung, gekoppelt an ein komplexes Softwaresystem, mit dem die Tourenplanung optimiert wird. Oder sei es „Plug & Wear“ – ein weiteres Forschungsprojekt in Sachen Arbeitskleidung. Dabei wird in ein Gurtsystem, das unter der Schutzkleidung zu tragen ist, die komplette Technik für Mitarbeiter in der Containerverschiffung integriert – vom Laptop über Datenlogger bis zur Energieversorgung und -erzeugung.

Knut Starringer ist gut vernetzt. Er arbeitet eng mit diversen Forschungspartnern zusammen vom Fraunhofer Institut bis zum Zentrum für Luft- und Raumfahrt oder der TU in München. Besonders stolz ist Knut Starringer auf seinen Barfußlaufschuh, dem Freeheel Running Pad für absolute Laufminimalisten und Natural-Running-Puristen. Entwickelt wurde das gerade einmal 80 Gramm leichte Sportutensil aus sämisch gegerbtem Hirschleder in Kooperation mit der Sporthochschule München. Mit seinem integrierten Dämpfungssystem – bewährt im Extremeinsatz bei Asphaltmarathons und Bergläufen – gewann der Running Pad den ISPO-Award auf der international führenden Plattform für Sportartikel gegen die Branchenriesen. „Nachhaltig und mit Verstand“, lautet Starringers Devise. Der Unternehmer wettert gegen die Geiz-ist-geil-Mentalität und den Einsatz von Chemie. Für ihn ist das schonend ohne Einsatz von Chemie gegerbte Leder das Sinnlichste, was man auf der Haut tragen kann. „Haut auf Haut“, schwärmt er. Wenn Knut Starringer ein Stück Leder in Händen hält, dann hat das etwas von Leidenschaft. „Ein reines Naturprodukt“, schwärmt der gelernte Maßschneider.

„Sie müssen quer denken“, sagt Starringer. Haltungen wie „Das haben wir schon immer so gemacht“ sind ihm fremd. Auf der Basis seines profunden textilen Verständnisses, geht es unterstützt von wissenschaftlichen Erkenntnissen aus Ergonomie, Technik und Auflagen der Berufsgenossenschaften an die Umsetzung. „Der Kunde kommt mit einer Anforderung auf uns zu. In 99,9 Prozent der Fälle haben wir eine Idee dazu“, sagt Starringer. Von der Idee ausgehend gehe es in die Produktentwicklung. Referenzmuster werden hergestellt, getüftelt, Lösungen immer weiter auf das Wesentliche reduziert, modifiziert, bis am Ende die Serienreife steht.

Knut Starringer ist bekennender Bayer – und das mit Stolz und Witz. Wenn der gebürtige Schrobenhausener über seine Arbeit spricht, ist er mitten in seinem Element. In einer Mischung aus Lebensphilosophie, Unternehmergeist, Neugier und Forscherdrang geht es quer durch Politik, gesellschaftliche Entwicklung und die vielen Projekte, die er bislang realisiert hat. Langeweile, das scheint für den rührigen Unternehmer ein Fremdwort zu sein.

Knut Starringer freut sich, dass seine Tochter, Rena Maier, nun mit in den Betrieb eingestiegen ist. Die junge Dame hat just ihr Abitur in der Tasche und ist auf dem Sprung zum Studium. Sie leitet bereits das Ressort Marketing und Vertrieb. Das hält dem Vater den Rücken für die nächsten Projekte frei, die die Zukunft des kleinen Schrobenhausener Unternehmens sind.

Das Prinzip „Schuster bleib bei deinen Leisten“ hat Knut Starringer verinnerlicht, jedoch radikal weitergedacht; die Stärken des Handwerks mit den Chancen von Wissenschaft und Technik verbunden. „Es macht unheimlich Spaß“, sagt Knut Starringer.