Schrobenhausen
Der Schöpfer einer Kultserie

03.09.2015 | Stand 02.12.2020, 20:51 Uhr

Die Hauptrolle in den Schluchtenflitzerstreifen war „Andy“. Die Figur basiert auf einem Freund Nüchterns, den er nach der Filmhochschule in Niederbayern kennenlernte. Was viele nicht wissen: Nüchtern machte genau diesen Freund (Hans Kollmannsberger), über den er schrieb, zum Schauspieler – er spielte sich quasi selbst (Foto) - Fotos: privat

Schrobenhausen (SZ) Autor Rüdiger Nüchtern spricht im Interview über Freiheit, Mopeds und Untertitel vor dem Hintergrund des großen Schluchtenflitzertreffens in Schrobenhausen.

Herr Nüchtern, am kommenden Samstag ist wieder das große Schluchtenflitzertreffen mit weit mehr als 500 Mopeds und Ähnlichem in Schrobenhausen. Haben Sie als Entwickler der Schluchtenflitzer-Geschichten heute noch selbst ein Zweirad?

Rüdiger Nüchtern: Nein, heute nicht mehr. Früher hatte ich welche. Aber ich war eigentlich nie ein Mopedfahrer.
 

Nun spielen Mopeds eine nicht ganz unbedeutende Rolle in der Geschichte von Andy und den Schluchtenflitzern. Diese Maschinen stehen für Freiheit und Unabhängigkeit. Was bedeutet Ihnen Freiheit?

Nüchtern: Ohne Zwänge zu sein. Dass man niemanden hat, der einen immerzu rumkommandiert. Und dass man selber über sein Leben entscheiden kann und sich immer spontan verwirklichen kann. Mein Leitsatz war immer: Jetzt denken wir uns was aus und das machen wir dann.

 

Ausdenken ist ein gutes Stichwort: Wie kam Ihnen eigentlich in den 60er Jahren die Idee zu den Schluchtenflitzern?

Nüchtern: Das war direkt nach der Filmhochschule. Ich hatte gerade meinen ersten Film gemacht und war zu Besuch bei Freunden in Niederbayern, in der Nähe von Geisenhausen. Dort wollte ich eine neue Geschichte schreiben. Ich lernte schnell den Nachbarsjungen und seine Freunde kennen. Die haben immerzu Fußball gespielt und ich habe manchmal mitgemacht. Und neben dem Feld standen dann oft deren Mopeds.

 

Und so kam Ihnen der erste Gedanke?

Nüchtern: Ja. Ich hab dann auch mal mitfahren dürfen, wenn die Jungs zur Disco sind. Und so bin ich da nach und nach reingerutscht und es entstand eine gute Freundschaft. Ich gab dem Jungen etwa Tipps, als er einmal ein nettes Mädchen kennengelernt hatte. Tja . . . Und so merkte ich, dass das, woran ich zu dieser Zeit eigentlich geschrieben hatte, absoluter Schmarrn war. Ich begann dann die Geschichte dieses Jungen aufzuschreiben. Und so ist dann langsam das Buch der Schluchtenflitzer entstanden. Es war ein Glücksfall.

 

Also hat die Hauptrolle Andy ein absolut reales Vorbild – und er existiert wirklich?

Nüchtern: Genau. Und als wir dann den Film gemacht haben, fand ich irgendwie nicht den richtigen Schauspieler. Und so kam ich wieder auf den Nachbarsjungen (Hans Kollmannsberger, Anm. d. Red.) zurück, auf dem diese Geschichte basierte. Der sollte sich selbst spielen. Damit war klar: Es geht entweder total schief oder es wird richtig klasse – mittelmäßig wird es auf gar keinen Fall.

 

Hatten Sie damals schon im Gefühl, dass diese Geschichten ein so großer Erfolg, gar ein regelrechter Kult werden könnten?

Nüchtern: In keinster Weise, nie im Leben. Man muss das auch aus zwei Richtungen sehen. Als das Ganze ins Kino kam, lief es in Bayern schon sehr gut. In Regensburg etwa haben wir in Sachen Beliebtheit sogar den Weißen Hai geschlagen. Im Norden hingegen ging halt gar nichts. Ich war damals auch mal in Hamburg, da hat kein Mensch was verstanden. Also mussten wir Untertitel machen und nach drei Wochen hatte der Verleih den Film teilweise wieder aus dem Verkehr gezogen.

 

Und wie ging es weiter?

Nüchtern: Damals war das für mich ein Flop. Ich habe mich dann anderen Projekten und Geschichten zugewendet. Seit einiger Zeit vertreibe ich die Schluchtenflitzer aber auf DVD und es ist einfach unglaublich, wie viele Anfragen es heute wieder gibt. Und die Fans laden mich immer noch ein. Das ist wirklich unfassbar.

 

Also freuen Sie sich, wenn Sie angesprochen werden?

Nüchtern: Klar. Immer wieder aufs Neue.

 

Gerade in und um Schrobenhausen ist die Schluchtenflitzerszene nach wie vor quicklebendig. Sie werden am Samstag dabei sein. Kann man Sie auf einem Moped sehen?

Nüchtern: Warum nicht? Mir wurde vom Veranstalter gesagt, dass er eine Maschine übrig hätte, die man mir zur Verfügung stellen könnte. Doch ich komme nicht alleine: Großen Anteil am Erfolg der Schluchtenflitzerfilme hat sicherlich auch die stimmungsvolle Musik, die damals von Jörg Ebers komponiert wurde. Er wird mit nach Schrobenhausen kommen.

 

Das Gespräch führte

Christian Tamm