Schrobenhausen
Nicht einfach aufgeben

Nach der Schließung der Geburtsstation: Dem Bürgermeister geht es jetzt ums Grundsätzliche

21.02.2017 | Stand 02.12.2020, 18:37 Uhr

Karlheinz Stephan (l.) brachte gestern Bürgermeister aus ganz Bayern auf den neuesten Stand in Sachen Geburtsstationen. Vorne r. Herwig Heide vom Bayerischen Gesundheitsministerium. - Foto: Petry

Schrobenhausen (SZ) Bürgermeister Karlheinz Stephan gibt im Kampf um die Geburtshilfe nicht auf - obwohl die Chancen, dass am Kreiskrankenhaus Schrobenhausen noch einmal Kinder zur Welt gebracht werden, längst minimal sind.

Der Stachel sitzt noch immer tief. Die Schließung der Geburtsstation im April des vergangenen Jahres hat Wunden hinterlassen, auch beim medizinischen Personal, vor allem bei den Hebammen. Für einige von ihnen steht noch immer die Schuldfrage im Raum.

Das zweite Treffen der Bürgermeister-Allianz (siehe auch Bayern-Teil, Seite 13) macht zumindest eines noch einmal überdeutlich: Das, was in Schrobenhausen passiert ist, ist kein lokales Problem. Das betrifft viele.

Und es betrifft die Menschen nicht nur, es ärgert sie auch. Bürgermeister aus 19 bayerischen Städten mit kleinen Krankenhäusern waren gestern dabei, dazu fast ein Dutzend Bürgermeister der Umgebung, von Pöttmes bis Gerolsbach - und die meisten zeigten sich verärgert und teils auch entsetzt darüber, wie schwierig es ist, eine heimatnahe Versorgung der Menschen hinzubekommen. Denn die Problematik, kein Fachpersonal zu bekommen, zieht längst immer weitere Kreise: In etlichen Regionen Bayerns wird es offensichtlich auch schwieriger, noch Hausärzte zu finden, wie in der Diskussion im Kreiskrankenhaus gestern deutlich wurde. Im Schrobenhausener Land steht in den nächsten Jahren ebenfalls ein Generationswechsel an.

Die Bürgermeister begaben sich am Dienstag in Schrobenhausen auf die Suche nach Gründen. Die Wirtschaftlichkeit ist dabei offensichtlich eines der geringsten Probleme. "In allen bisherigen Fällen ging es um Mangel an Fachpersonal, wenn es um den Fortbestand einer Geburtsstation ging", berichtete Herwig Heide, der im Bayerischen Gesundheitsministerium die Abteilung Krankenhausversorgung leitet.

So war es ja auch in Schrobenhausen: Als sich die Gerüchte verdichteten, dass die Geburtsstation nicht mehr zu halten ist, suchten sich etliche Mitarbeiter sicherere Jobs. Wolfram Prell, am Schrobenhausener Kreiskrankenhaus verbliebener Gynäkologe, konnte das nur bestätigen: Plötzlich waren die Kollegen weg. Es gibt einen zweiten Grund dafür: Knapp die Hälfte der bayerischen Kliniken arbeiten zurzeit defizitär; in der Diskussion wurde deutlich, dass immer wieder Personal solche Häuser verlässt, um sich perspektivisch sicherere Arbeitgeber zu suchen. Ein prominentes Beispiel führte Karlheinz Stephan an: die privat geführte Asklepios-Klinik vor den Toren Bonns mit 1200 Geburten pro Jahr. Als die Wirtschaftlichkeit infrage stand, gab es etliche Weggänge. Folge: Der Betrieb konnte nicht aufrechterhalten werden.

"Das bedeutet ja, dass es dem Zufall überlassen wird, ob eine Geburtshilfe da ist oder nicht", staunte Gerhard Korn, Bürgermeister aus Neuendettelsau. Ob es eine Geburtsstation gebe, wäre demnach "abhängig davon, ob man zufällig Hebammen und Ärzte findet - oder nicht." Niemand im Raum widersprach. Er gehe davon aus, dass es ein Interesse geben müsse, zu planen, wo es Geburtsstationen gebe und wo nicht.

Hohenwarts Bürgermeister Manfred Russer wunderte sich darüber, dass der Verlust der Geburtsstation nicht für einen größeren öffentlichen Aufschrei gesorgt habe: "Unsere Bevölkerung meldet sich nicht zu Wort, wo sind die Leute? Das kann doch nicht sein!" Karlheinz Stephan nickte, relativierte das aber: "Ich habe Protestmails ohne Ende, und ich werde oft auf das Thema angesprochen."

Die Bürgermeister anderer Städte auch. Es geht dabei immer ums selbe: Auf Nachtschichten und Wochenenddienste haben viele wohl keine Lust mehr. "Wenn man erkennt, dass sich die Lebensbedingungen verändern, dann muss man doch darauf eingehen", sagte Stephan kopfschüttelnd.

Jetzt gilt es, etliche Hausaufgaben zu erledigen, um das Thema der regionalen Sicherung voranzutreiben. Unter anderem wurde die Frage in den Raum gestellt, ob denn auch Schrobenhausen eine Hebammenschule eröffnen könne. Spontan konnte das gestern niemand beantworten. Das, und vieles andere soll geprüft werden. Im Sommer steht das nächste bayerische Bürgermeister-Treffen an.