Klingsmoos
Mit dem eigenen Panzer übers Feld brausen

21.09.2018 | Stand 23.09.2023, 4:09 Uhr
Runden drehen auf einem abgeernteten Feld gehört zu den regelmäßihgen Ausfahrten, die Elmar Winkler und Nicole Fuidl mit ihrem alten britischen Mannschaftstransportpanzer unternehmen. −Foto: Spindler

Das Röhren aus der Scheune deutet auf ein großes Fahrzeug hin. Langsam rollt rückwärts ein olivgrüner Panzer aus dem Tor. "Ich liebe diesen charakteristischen Sound", sagt Elmar Winkler aus Klingsmoos, der das 2,80 Meter breite Stahlungetüm millimetergenau rangiert. Winkler und seine Partnerin Nicole Fuidl sind Besitzer eines ehemaligen englischen Mannschaftstransporters.

Der 44-jährige Elmar Winkler sagt: "Ich war nie bei der Bundeswehr, ich habe nie gedient." Das kann sich kaum vorstellen, wer ihn im Tarndrillich neben seinem außergewöhnlichen Hobbyfahrzeug sieht. "Wenn ich bei der Bundeswehr gewesen wäre, hätte ich womöglich heute die Nase voll davon", meint Winkler. Doch irgendwo kommt ja seine Faszination für militärische Fahrzeuge her? Als Kind habe er stets die damals noch fast überall und immer wieder stattfindenden Manöver beobachtet. "Wenn die da waren, war ich immer draußen im Wald", erzählt Winkler und seine Augen leuchten dabei.

Am meisten begeistert Winkler die Technik, die in den schweren Fahrzeugen steckt. In seinem britischen Panzer FV 432 ist ein Zweitakt-Gegenkolbenmotor eingebaut. Das Prinzip dieses Aggregats ist für Winkler schnell erklärt: Auf zwei Kurbelwellen - ein klassischer Motor verfügt über eine Welle für alle Kolben - sitzen die Kolben, die aufeinander zulaufen, das Treibstoff-Luft-Gemisch verdichten und dann zünden. "Darum haben wir sechs Zylinder, aber zwölf Kolben", rechnet Winkler vor. Der von der Firma Rolls Royce gebaute Motor bringt 240 PS Leistung auf die Straße oder - noch viel besser - ins Gelände. Vorteilhaft für den militärischen Zweck ist natürlich noch etwas anderes, wie Winkler sagt: "Der kann alles tanken." Benzinölgemisch genauso wie Diesel oder fast alles andere, was brennt. Doch Augen auf bei der Treibstoffwahl. Winkler hat schon am eigenen Leib erfahren, was es bedeutet, wenn selbst bei dem Alles-Schlucker-Panzer der Sprit mal zu dreckig ist: Die Filter setzen sich zu und müssen aufwendig gereinigt werden. Übrigens: Der Vorgänger von Winklers Panzer hatte noch einen reinen Benzinmotor.

Apropos Motor - ein komplettes Exemplar steht in der Scheune, die den Panzer beherbergt. Auch ein vollständiges Getriebe hat Winkler dort aufbewahrt: "Das ist 40 Jahre alte Technik, da geht immer mal etwas kaputt." Und das repariert Winkler meist selber oder unter Anleitung fachkundiger Freunde. Dazu gehört auch, die Ketten mit rund 180 Gummipolstern zu versehen, damit Wege und der Hof nicht zu sehr in Mitleidenschaft gezogen werden, wenn der Panzer darüberrollt.

Vor etwa fünf Jahren haben sich Winkler und Fuidl den britischen Panzer gekauft. Rund 22000 Euro haben die beiden damals für das außergewöhnliche Fahrzeug bezahlt. Erstanden haben sie den FV 432 im Internet. Dort gibt es spezielle Seiten, auf denen alle möglichen ehemaligen Militärfahrzeuge - bis hin zum Kampfpanzer oder auch Düsenjäger - angeboten werden.

Bevor Winkler seinen Panzer aber in Empfang nehmen durfte, mussten noch einige Dinge erledigt werden, wie er erzählt. In Deutschland wache eine Fachbehörde darüber, dass die unter das Kriegswaffenkontrollgesetz fallenden ehemaligen Militärgeräte, die an Privatpersonen verkauft werden, zuvor komplett demilitarisiert werden. Dazu müssen sämtliche Waffen demontiert oder nachweisbar unbrauchbar gemacht werden. Bei Winklers Mannschaftstransportpanzer zeugt von der Bewaffnung lediglich noch ein Nebelwerfer vorne links - eine reine Attrappe, wie Winkler sagt. Darüber hinaus wurde unter behördlicher Aufsicht die Panzerung an sieben vorgeschriebenen Stellen gebrochen. So soll laut Winkler verhindert werden, dass Panzerkäufer auf die Idee kommen, mit dem schweren Gerät Attentate zu begehen.

Die Gefahr eines Amoklaufs mit einem ausrangierten Panzer hält Winkler in Deutschland allerdings für kaum denkbar. Denn, wann immer er mit dem Panzer auf einem Privatgelände herumfahre, stünden sofort Streifenwagen der Polizei da. In den meisten Fällen wären die Formalitäten schnell erledigt und dann würden auch Polizisten wie viele andere Menschen neugierig fragen, wie Winkler denn an seinen Panzer gekommen ist. Das Gerät fasziniert eben die meisten Menschen, stellt Winkler nicht nur bei einschlägigen Treffen mit Gleichgesinnten fest.

Ein solches Treffen findet jährlich in der Nähe von Koblenz statt. Auf dem Truppenübungsplatz Schmidtenhöhe sind auch Winker und Fuidl mit ihrem FV 432 stets dabei. Dort können sie unbeschwert mit dem Panzer durchs Gelände fahren. Und, so Winkler, sie tun damit auch etwas für den Naturschutz. Denn die Fahrrinnen, die die ehemaligen Militärfahrzeuge vom Jeep bis zum Kampfpanzer auf dem Gelände hinterließen, würden bei Regen wieder mit Wasser voll laufen und sich zu kleinen Biotopen entwickeln, die wiederum für den gefährdeten Laubfrosch oder die noch stärker gefährdete Gelbbauchunke Überlebenschancen böten. Der Naturschutzbund dort freue sich sogar über die privaten Militärfahrzeuglenker aller Klassen, weil so der ehemalige Truppenübungsplatz nicht verwalden würde. "Da dürfen wir dann auch mal einen Baum umfahren", sagt Winkler.

Außer bei speziellen Treffen, zu denen er den Panzer nicht einfach über Straße fahren darf, sondern mit einem Tieflader für etwa 2000 Euro pro Tour transportieren lassen muss, bewegt Winkler seinen Panzer lediglich auf privatem Gelände. Dafür brauche es dann auch keinen speziellen Führerschein. Bei einem Landwirt in einer Nachbargemeinde hat Winkler den britischen Panzer abgestellt und wenn die Felder abgeerntet sind, darf er dort und im dazugehörenden Wald seine Runden drehen.

Mit dem Panzer zu fahren, war für Winkler von Anfang kein Problem. Er habe früher schon oft Bagger gesteuert. Daher war der Umstieg auf den Panzer im Prinzip einfach. Doch Winkler sagt: "Den Panzer zu fahren ist kinderleicht." Immerhin verfügt der FV 432 aus dem Baujahr 1969 über ein Automatikgetriebe. Mit zwei weißen Hebeln wird der Panzer nach rechts und links gelenkt oder gebremst. Darum konnte also auch Pierce Brosnan alias James Bond in seinem Filmabenteuer "Golden Eye" einfach mit einem T55-Kampfpanzer der russischen Armee Bösewichte kreuz und quer durch St. Petersburg jagen...

"Eine Probefahrt?", fragt Winkler. Für Ungeübte ist es nicht einfach, erstmal den Fahrersitz rechts neben dem Motor zu erklimmen. Dort angekommen und Platz genommen, schauen zwischen den Beinen die beiden weißen Lenk- und Bremshebel hervor. "Ganz nach hinten ziehen, dann lösen sich die Bremsen", sagt Winkler. Gesagt - getan. Naja, ein Teil der 80 Kilogramm Körpergewicht müssen schon nach hinten gelegt werden, bis die Bremsen frei sind. "Und jetzt Gas geben." Der rechte Fuß kann das wuchtige Gaspedal rechts unten kaum verfehlen. Der Kopf schaut oben aus der Luke heraus. Der rechte Fuß bewegt sich zunächst vorsichtig nach unten. Der Panzer rollt ganz langsam. Hebel rechts ziehen. Erst ganz vorsichtig. Nichts tut sich. Dann eben mit Kraft. Das 15 Tonnen schwere Gerät bewegt sich nach rechts. Das gleiche nochmal nach links. Läuft.

Also, ab aufs Feld. "Vollgas" ruft Winkler von hinten aus der Kommandantenluke. Der knappe Befehl wandert durch die Ohrenschützer ins Gehirn und landet prompt im rechten Fuß. Der Panzer schießt vorwärts. Linken Hebel ziehen, es fühlt sich an als wollte der Panzer umkippen. Tut er aber nicht. Geradeaus. Hinter dem Panzer steigt eine lange Staubwolke auf. Wieder nach links, dann ein Stück geradeaus, nochmals nach links, dann diagonal über das trockene Feld. Eine Runde jagt die nächste. Der Fahrtwind weht durchs Haar. Die Zeit vergeht wie im Flug. Irgendwann am Ende der Probefahrt versteht jeder auch die Bezeichnung Kraftfahrer: Das ordentliche Zupacken an den Steuerhebeln macht sich in den Oberarmen bemerkbar. Kaum vom Fahrersitz wieder heruntergeklettert begrüßt Winkler seinen Fahrschüler mit den Worten: "Macht Spaß." Stimmt, wie das Lachen im Gesicht nach der ausgedehnten Probefahrt zeigt...

Bei 100 Kilometern Geländeritt verbraucht der FV 432 schon mal bis zu 163 Liter Sprit. Auf der Straße wären es gerade 94 Liter auf 100 Kilometer. Die Höchstgeschwindigkeit des Panzers beträgt etwa 52 Kilometer pro Stunde. Und die beiden Tanks mit jeweils Platz für 227 Liter Treibstoff verleihen dem ehemaligen Gefechtsfeldüberwachungspanzer eine Reichweite von rund 580 Kilometern. Neben dem Fahrer und dem Kommandanten können noch zehn Personen mitfahren. Dass sein Panzer im Militäreinsatz war, ist für Winkler vollkommen klar. Das Gefährt müsse sogar im Auslandseinsatz gewesen sein, denn unter der olivgrünen Lackierung gibt es wüstensandfarbene Reste. Und einige Filzstifteinträge an der Innenwand zeugen davon, welche ehemaligen Insassen einmal Malariatabletten bekommen haben.

Die Militärversion des britischen Fahrzeugs ist noch immer im Einsatz, sagt Winkler. Das Anfang der 60er-Jahre entwickelte und mittlerweile mehrfach modifizierte Modell hätte eigentlich in den 80er-Jahren schon außer Dienst gestellt werden sollen. Doch es fehlte an einem Nachfolger. Darum, so Winkler, sei die der Schlusspunkt auf das Jahr 2020 verschoben worden.

Auch Winkler hat an seinem Panzer ein wenig verändert. Eine Rückfahrkamera erleichtert im die Orientierung hinter dem mehr als fünf Meter langen Fahrzeug. Die Brandschutzanlage des Panzers hat der selbstständige Unternehmer komplett überholt und modernisiert. Einige scharfkantige Ecken des Interieurs hat er entschärft, denn bei Treffen nehmen er und Fuidl auch immer wieder Besucher mit, die auch mal einen Ausflug mit einem Panzer wagen wollen.

Jürgen Spindler