Schrobenhausen
Ein Festabend zum Zehnjährigen

Literarische Sommerakademie feierte eine Dekade - Staatsministerin Marion Kiechle zu Gast

01.08.2018 | Stand 23.09.2023, 4:17 Uhr
Freuten sich über zehn Jahre Lisa: Kulturreferent Klaus Englert (v.l.), Kulturamtsleiterin Claudia Freitag-Mair, VS-Vorsitzende Eva Leipprand, Staatsministerin Marion Kiechle und Bürgermeister Karlheinz Stephan. −Foto: Fotos: Meyer

Schrobenhausen (SZ) Zehn Jahre Literarische Sommerakademie (Lisa) - das wurde am Dienstagabend im Pavillon der Musikschule mit Musik und anspruchsvollen Ansprachen gefeiert. Die Redner, darunter die Bayerische Staatsministerin für Wissenschaft und Kunst, Marion Kiechler, würdigten die Lisa als ein außerordentliches Projekt im Kulturleben einer Kleinstadt.

Vor den vielen Gästen, darunter die Kursleiter und Teilnehmer der aktuellen Lisa, dankte Akademieleiter Arwed Vogel der Stadt Schrobenhausen und ihren Institutionen; so sei die Basis für ein außergewöhnliches Literaturseminar gelegt worden: "Man hatte immer das Gefühl, in dieser Stadt willkommen zu sein." Zusammen mit Stadtarchivar Max Direktor sei die Lisa entstanden, durchaus mit der Frage, wie lange das Projekt Bestand hat, denn mitunter veralten auch die besten Ideen. Mit einem spezifischen "Geist der Lisa" wurde viel Neues ausprobiert, die Teilnehmer seien immer mitgegangen. Als Dozenten hat man Autoren gesucht, die schon einen festen Stand im literarischen Leben haben und den Idealismus mitbringen, anderen etwas zu vermitteln. So wurde Schrobenhausen - nach dem Wort einer Teilnehmerin - jeden Sommer für eine Woche zu einem "Schreibenhausen".

Marion Kiechle, seit wenigen Monaten Bayerns Staatsministerin für Wissenschaft und Kunst, wies darauf hin, wie Worte wirken, wenn sie - in ihrer Profession als Medizinerin - eine Diagnose überbringen müsse, und wie genau Sprache sein muss beim Abfassen eines wissenschaftlichen Buches. "Im täglichen Leben setzen sich sprachliche Bilder fest, auch Autoren und die Literatur prägen die Wirklichkeit. In der Lisa, weit mehr als ein kleiner Workshop, arbeiten die Teilnehmer gegen die Sprachmüdigkeit an der Sprachmündigkeit, und sie stellen sich der Kritik", so Kiechle. Dabei werde die Toleranz gefördert; ihr persönlich gefalle die Offenheit des Projekts, in der sich alle Generationen einfinden. Nicht zuletzt liege hier ein wichtiger Beitrag, das Kulturleben der Metropolen durch lebendige und kreative Aktionen in den Regionen zu ergänzen.

Bürgermeister Karlheinz Stephan erinnerte an die Idee, die Max Direktor ihm vor zehn Jahren vorgetragen habe. Längst sei es ihm eine Freude, der Lisa einen schönen Rahmen anbieten zu können. Die Akademie sei eine Bereicherung des Kulturlebens der Stadt - "und das ist keine Floskel!" Und immer wieder höre man freundliche Worte "aus dem Blick von Gästen auf unsere Stadt." Eva Leipprand aus Augsburg, Vorsitzende des VS, des deutschen Schriftsteller-Verbands, ließ das Bild einer Leserin aufleuchten, die sich mit ihrem Buch in einem inneren Dialog befindet. Schriftsteller bauen am geistigen Gerüst einer Gesellschaft, die ihre Geschichten brauche. Hier liege auch der Kern eines Projekts wie der Lisa. Leipprand erläuterte kurz die Ziele des VS, der sich für die Urheberrechte einsetze, ein schwieriges Unterfangen in Zeiten des Internets, in der die Autoren sich einem Plattform-Kapitalismus ausgesetzt sehen; alle geistigen Hervorbringungen wollen plötzlich kostenfrei entnommen werden. Nicht weniger schlimm sei die Entwicklung einer geradezu stromlinienförmigen Literatur, wenn durch dauernde digitale Markttests entschieden werde, "was die Leute lesen wollen" und Verlage dem nachkommen.

Reinhard Knodt, der mit seiner Festrede den philosophischen Part des Abends bestritt, verwies auf die Bedeutung des Schreibens an den Beispielen von Sokrates und Jesus. "Beide haben in der Geschichte größte Wirkung auf die Entwicklung von Philosophie und Religion, beide haben aber nicht geschrieben. Platon legte erst hinterher die Gedanken des Sokrates schriftlich nieder, bei Jesus waren es die Evangelisten", so Knodt. In beiden Fällen wurden mit der Macht der Schreibenden die Verkündigungen ausgeschmückt, viel Eigenes haben sie ergänzt. Heute sei es Auftrag der Autoren, dafür zu sorgen, dass es mit der Literatur nicht noch weiter abwärts gehe, die Tendenz sei nicht positiv. Und wichtiger als Literaturfestivals seien Schreibakademien wie die Lisa. Knodt erinnerte an einen Kollegen in der Hochschule, der ihn mit der Frage überraschte habe, wie seine tägliche Schreibbilanz aussehe. Diese Anregung gab er an die Teilnehmer der Lisa weiter: Man müsse im Schreiben bleiben, wie schon Augustinus für sich und andere forderte: "Kein Tag ohne Zeile!"

Auch die Musik zum Festabend darf man dem Nichtalltäglichen zurechnen. Das Duo Nene Cabron bot Latin Jazz. Zum Gitarrespiel von Martin Wessalowski brachte Irene Irchenhauser ihre phantastische Stimme in den Saal.
 

Franz-Josef Mayer