Schrobenhausen
Hochkarätig und äußerst unterhaltsam

Beim BFF Fiction konnten Fans stundenlang außergewöhnliche Filme schauen - Organisatoren wieder zufrieden

12.05.2019 | Stand 23.09.2023, 6:58 Uhr
Die öffentlichen Gesprächsrunden der Jury sind eine Besonderheit des BBF Fiction und helfen, den Kurzfilm-Laien unter den Zuschauern die Filme näher zu bringen. −Foto: Budke

Schrobenhausen (SZ) Da lässt sich schon von "etabliert" sprechen: Am Wochenende fand im Herzoganger-Filmtheater das inzwischen siebte Kurzfilm-Festival BFF Fiction statt. Die Veranstaltung des Bundesverbandes Deutscher Film-Autoren (BDFA) lockte zahlreiche Zuschauer in das Kino, denn in 67 Filmen und rund 514 Spielminuten konnten sie die unterschiedlichsten Ideen in äußerst abwechslungsreicher filmischer Gestaltung erleben.

 


Das Organisationsteam um den Gerolsbacher Marcus Siebler hatte ganze Arbeit geleistet, denn alles lief - fast - reibungslos. Spätnachts am Samstag, nachdem schon ab 9 Uhr früh bis letztlich kurz nach 23 Uhr Filme über die Leinwand geflimmert waren, machten die Mikrofone des Teams so langsam schlapp. "Keine Batterie mehr", lautete die simple Erkenntnis. Das dürfte auf die Nachbesprechungsliste kommen: "Wir setzen uns am nächsten Wochenende zusammen, schauen, was nicht perfekt gelaufen ist, damit das im nächsten Jahr noch besser wird", erzählt Siebler.

 

 



Wichtig sind die Mikros vor allem bei den öffentlichen Gesprächsrunden der Jury - eine Besonderheit des Filmfestivals in Schrobenhausen, denn nur hier können die Zuschauer zuhören, wenn die Profis über die Filme diskutieren und erste Einschätzungen über Qualität und Inhalt abgeben.

Hochkarätig besetzt ist die Richterrunde: Als Moderator und Juryleiter fungiert Adalbert Becker, erster Vorsitzender des BDFA Bayern. Als Fachleute dabei waren unter anderem Frank Heinig, Drehbuchautor und langjähriger Kameramann, der etwa als Kameraassistent bei "Das Boot" und für die Trickkamera bei "Die unendliche Geschichte" mitwirkte. Oder Bernhard Henrich aus Berlin, der seit 2016 Mitglied der Academy of Motion Picture Arts and Sciences ist und somit über die Vergabe der Oscars mitentscheidet. Die Runde, die nach jedem zweistündigen Filmblock auf der Bühne zusammenkommt, hilft den Zuschauern, die Stilmittel zu verstehen und Interpretationsansätze zu finden: Schnitt, Tonübergänge, Leistung der Darstellerinnen und Darsteller, Farbgestaltung, Sinnhaftigkeit, Idee und Symbolik - viele Notizen bringen die Profis vor, häufig Lob, manchmal konstruktive Kritik. Die Zuschauer bekommen Erklärungen für Szenen, die sie vielleicht nicht sofort verstanden haben. Gleichzeitig ist mancher beruhigt, denn sogar die Sachverständigen bringen teilweise die gleichen Fragen und Irritationen vor, die der ein oder andere Laie auch gehabt haben mag, denn nicht alle Filme erschließen sich unmittelbar. Kein Wunder, denn so viele unterschiedliche Themen, Herangehensweisen, Metaphern und Ausgestaltungen wie hier in jedem Block in jeweils zwei Stunden auf das Publikum einwirken, müssen erstmal verarbeitet werden.

 

Siebler, der Vorsitzender und Präsident des BDFA ist, erzählt, er habe alle Filme im Vorfeld mindestens zweimal gesehen, um sie dann gemeinsam mit seinem Team in die Blöcke einteilen zu können: "Da steht schon eine Dramaturgie dahinter", sagt er und das macht es für den Zuschauer einfacher: Manchmal sind die Filme eher lustig, im nächsten Block eher dramatisch, manchmal stehen Beziehungen und deren Kommunikationsprobleme im Mittelpunkt, manchmal wird viel geredet oder sogar gesungen. Es wird philosophisch, traurig, einsam und absurd, es geht um Liebe, Sehnsucht, Sex und Macht oder schwarzer Humor bringt den ganzen Saal zum Lachen. Wie zum Beispiel im letzten Film des Festivals "Hush Up": Ein Jäger erschießt versehentlich eine jungen Mann und versucht, sich der Leiche zu entledigen. "Versenken klappt nicht, verbuddeln klappt nicht, verbrennen klappt nicht, da nimmt er sie sich halt mit und macht Steak daraus", fasst Juror Heinig zusammen. Das Bild der hellen Koteletts auf dem Grill - die letzte Einstellung des Films - wird sicher so manchem in Erinnerung bleiben.

Dieser Film startete in der Spezialkategorie "Offenes Fenster" zusammen mit sieben weiteren Filmen Diese können nicht die BDFA-Medaillen gewinnen, aber den Jugendpreis, den Publikumspreis oder den heuer neueingeführten Preis des Ausrichters. Und tatsächlich schafft es am Ende der sechsminütige Film "Platform" von Ayunga Khiyad - ein Blick auf Bahnsteige und die täglich Tausenden von Trennungen mit ihren jeweils eigenen Geschichten - in dieser Kategorie das Organisations-Team rund um Siebler zu überzeugen und dafür den Sonderpreis abzusahnen.

Auch wenn er letztlich "nur" mit einer der Bronzemedaillen prämiert wird, löst der Video-Clip "Wir sind Filmer" bei der Jury und dem Publikum am Samstagvormittag uneingeschränkte Begeisterung aus: "Ein Hammer-Film, alles richtig gemacht", urteilt Profi Bernhard Henrich. Die Macher nehmen darin ihre Kurzfilmer-Branche ganz schön auf Korn: "Im Prinzip sind wir immer allein - aufbauen, filmen, schneiden", weiß Regisseur Bernd Nilsson. Manche hielten Naturfilmer, die tagelang vor einem Objekt sitzen für eine Minute Filmzeit "für total bekloppt - für uns ist das normal".

Und so sind sie schon eine besondere Community, die Kurzfilmer, ihre Teams und Zuschauer, die sich an den drei Tagen in Schrobenhausen getroffen haben. Moderator Becker lobt am Samstagabend kurz vor Mitternacht: "Ihr habt bewiesen, dass immer noch mehr geht - es war letztes Jahr schon toll und heuer ist es noch besser." Organisator Siebler wendet sich vor allem an das Publikum: "Das war ein wunderbares Festival - ihr macht das Filmfest immer zu etwas Besonderem hier in Schrobenhausen!" Und weil es stimmt, dass das alljährlich ein wunderschönes Highlight im Herzoganger-Filmtheater ist, der Eintritt frei, die Sitze bequem und natürlich des Programm voller Besonderheiten und Überraschungen, sollte man sich das BFF Fiction schon für das kommende Jahr gedanklich vormerken. Unter www.dramfilm.com sind voraussichtlich ab Montagnachmittag die Ergebnislisten nachzulesen.
 

Heidrun Budke