Aichach
Halbe Million jährlich für die Geburtshilfe

Aichacher Werkausschuss beschließt Zuschüsse für Belegärzte, wenn das rechtlich erlaubt ist

22.01.2019 | Stand 23.09.2023, 5:44 Uhr
Wer ist schuld an der Schließung der Geburtshilfe am neuen Aichacher Krankenhaus? "Der Volkszorn trifft die Falschen", sagte Renate Magoley (FW). Die Kommunalpolitiker bemühen sich, die Weichenstellungen von Bundes- und Landespolitik auszubügeln und bezahlen aus Steuermitteln für Geburten. Das war bislang die Aufgabe der Krankenkassen.          −Foto: Archivfoto/hfm

Aichach (SZ) Für zwei Maßnahmen zur Wiederbelebung der Geburtshilfe am Aichacher Krankenhaus und zur Stabilisierung der Situation in Friedberg hat der Werkausschuss des Kreistags grünes Licht gegeben: Zuschüsse für als Belegärzte tätige freiberufliche Gynäkologen sollen deren Versicherungsprämien abfedern, außerdem wird über die Festanstellung von Hebammen nachgedacht.

Zwischen 30 000 und 40 000 Euro jährlich, mitunter sogar mehr, zahlen Gynäkologen für die Versicherung von Geburtsrisiken. Der Werkausschuss stellte 210000 Euro in den Haushalt ein, um damit bis zu 60 Prozent der Versicherungsbeiträge (maximal aber 30 000 Euro pro Arzt) jährlich zuzuschießen - falls das rechtlich zulässig ist. Diese Einschränkung hat mit dem Antikorruptionsgesetz zu tun. Sehr vereinfacht gesagt, dürfen die Kliniken den eigentlich freiberuflichen Ärzten, die nur als Belegärzte ihre Patientinnen in den Kliniken an der Paar behandeln, nicht Vorteile verschaffen, die mögliche Mitbewerber nicht haben. Ein solcher Mitbewerber könnte ein Strafverfahren in Gang setzen.

Bei den Hebammen steht hingegen schnell der Verdacht der Scheinselbstständigkeit im Raum. Arbeitet eine eigentlich selbstständige Hebamme in einem vom Krankenhaus vorgegebenen Dienstmodell mit, könnte das als scheinselbstständige Tätigkeit gewertet werden. Diese unklare Rechtslage bei Ärzten und Hebammen, hat viele andere Krankenhäuser mit ähnlichen Problemen nicht von der Zahlung von Prämien abgehalten. Ist es nun also möglich, Prämien zu bezahlen, oder steht der Geschäftsführer damit schon mit einem Bein im Gefängnis? Gleich drei juristische und kaufmännische Experten beleuchteten die Problematik. Die Juristen sagen: Es ist ungewiss und damit riskant. Der Kaufmann sagt: Es wird mehrheitlich so praktiziert. In erster Linie, weil die Krankenhäuser sonst nicht wissen, wie sie im Wettbewerb um Hebammen und Ärzte bestehen sollen. Die belastbare Antwort auf die juristischen Probleme müsste aus dem bayerischen und dem bundesdeutschen Justizministerium kommen. Darauf zu warten, könnte aber Monate oder sogar Jahre dauern. Ein Dilemma, das in der gestrigen Sitzung des Werkausschusses folglich nicht gelöst wurde.

Der Landkreis will den Plan weiterverfolgen, in Kooperation mit der Uniklinik Augsburg eine Hauptabteilung für Gynäkologie in Friedberg zu etablieren, an die auch Aichach angeschlossen werden kann. Das System soll vor allem die Bereitschaftsdienste in der Nacht und an den Wochenenden für die Betroffenen entschärfen, weil diese dann auf mehrere Köpfe verteilt werden können. Außerdem wird über die Festanstellung von Hebammen nachgedacht. Würde man sie übertariflich - sprich gut - bezahlen, könnten sie an einer Anstellung in Teilzeit interessiert sein und mit dem Rest ihrer Zeit die von ihnen häufig favorisierte Vor- und Nachsorge zu regulären Arbeitszeiten betreiben. Daran scheint es seitens der Hebammen zumindest ein gewisses Interesse zu geben. Klinikchef Krzysztof Kazmierczak ließ durchblicken, dass das Angebot nur finanziell interessant genug sein müsste.

Am Landkreis könnten dadurch weitere 300000 Euro hängen bleiben. Doch auch diese Idee hat eine Hürde: Es müssen genügend Hebammen gefunden werden, um die Versorgung in Aichach wieder dauerhaft sicherzustellen. Beleuchtet wurden gestern noch andere Misch-Modelle aus freiberuflicher Tätigkeit und Festanstellung, die im Grunde auch für Gynäkologen möglich wären. Wobei die Friedberger Gynäkologen einer Festanstellung bereits eine öffentliche Abfuhr erteilt haben.

So sendete der Werkausschuss ein eindeutiges Zeichen, dass er um den Erhalt der Geburtshilfe kämpft und für diesen Kampf, also für Zuschüsse für Ärzte und Honorare für Hebammen, bis zu eine halbe Million Euro im Jahr in die Hand nimmt. Und das für eine Leistung, die eigentlich die Krankenkassen bezahlen müssten. Denn die Kosten für eine Geburt fallen naturgemäß in deren Zuständigkeit, wie mehrere Redner hervorhoben.

Allerdings ist den Kreisräten klar, dass die Bürger nicht unterscheiden, wer denn nun schuld an der Schließung der Aichacher Geburtshilfe ist. "Der Volkszorn richtet sich gegen die Falschen", stellte Renate Magoley (FW) fest. Die komplizierten Zusammenhänge zwischen Bundes- und Landespolitik, der Zuständigkeiten von Krankenkassen und kassenärztlichen Vertretungen bereiten selbst Eingeweihten in der Gesundheitspolitik immer wieder Kopfzerbrechen. So wird der Fall Aichach von vielen den Kommunalpolitikern zur Last gelegt.

Sie bemühten sich gestern einmal mehr um eine sachliche Diskussion, zugleich treibt aber fast alle die Angst um, der Buhmann in der Krankenhausdebatte zu sein. Aichachs Bürgermeister Klaus Habermann war verärgert und frustriert: Je länger die rechtlichen Fragen diskutiert werden müssen, umso geringer sieht er die Chancen für eine Wiedereröffnung der Aichacher Geburtshilfe. Mit Blick nach Schrobenhausen stellte er fest, dass irgendwann nicht mehr die Rede davon sein wird. Er erneuerte seinen Vorwurf, es sei im Vorfeld nicht genug getan worden, die Schließung Aichachs zu verhindern.

Die CSU legte unterdessen einen Antrag vor, der alle schon gefassten Weichenstellungen noch einmal formulierte. Naturgemäß gab es dafür Zustimmung.

Carina Lautenbacher