Schrobenhausen
Eine Kutte, eine Familie

02.08.2019 | Stand 02.12.2020, 13:22 Uhr
Die schwarze Kutte mit Adler und Totenkopf ist ihr Markenzeichen: Die Männer vom Motorradclub MC Thunderbirds gewährten einen seltenen Einblick für die Presse in ihr Clubhaus. Dort empfangen sie auch andere Chapter und lassen mit ihnen den Abend ausklingen. −Foto: Fotos: Hausmann

Sie geben Gas: Auf Ausfahrt mit den Männern vom Motorradclub MC Thunderbirds. Ein exklusiver Einblick in eine Szene, deren Mitglieder für gewöhnlich schwarz verhüllt auf den Straßen unterwegs sind.

Schrobenhausen/Hörzhausen (SZ) Im Sommer scheinen sie überall auf den Straßen unterwegs zu sein, mit schwarzen Helmen, das Visier nach unten geklappt. Sie fahren Harleys und andere große Maschinen, Hauptsache: viel Hubraum. Wer auf einem solchen Bike sitzt, der polarisiert. Noch dazu: Das Unfallrisiko ist enorm. Doch was macht die Leidenschaft des Motorradfahrens aus? Die Mitglieder des Schrobenhausener Motorradclubs MC Thunderbirds gaben einen seltenen Einblick in ihre Szene und nahmen die Schrobenhausener Zeitung auf Tour mit.

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Die Motoren dröhnen schon los, ab jetzt heißt es: Gut festhalten. Die schwarzen Reiter schlängeln sich die Landstraße nach Hörzhausen hinauf. Die Arme umschlingen den Vordermann, die Finger krallen sich an der Lederjacke fest, als Sozius darf man bloß nicht loslassen. Es riecht nach Leder und der Duft von Freiheit liegt in der Luft, als die Haare im Fahrtwind flattern. Der Sitz vibriert, als Hagen die Maschine anheizt und ihr immer mehr PS entlockt. Die Männer möchten nur ihre Vornamen nennen, im Club spielen Nachnamen nämlich keine Rolle. Hagen ist ein Full Member, also ein festes Mitglied der MC Thunderbirds - das zeigt auch seine Kutte, die vollständig mit dem Logo der Thunderbirds bestickt ist: ein rotäugiger Totenschädel mit einem Adler, der die Schwingen ausbreitet. Ein warmer Händedruck, ein Blick aus Hagens freundlichen blauen Augen durch das Visier hindurch, für mehr war vorher keine Zeit, ehe die Tour losging.

Die Motoren röhren, Hagen dreht das Gas weiter auf. Der Trupp jagt nach Sandizell. Ganz vorne an der Spitze ist Masi, der Road Captain. Er bestimmt die Tour, führt die Gruppe über die Straßen und durch die Dörfer. Durch den Schlitz des Helmes - innendrin heizt es immer mehr auf - rast die Landschaft vorbei. Kurzer Blick nach hinten, dort fährt der Rest versetzt, in Formation. Um beim Bremsen einen sicheren Abstand zu haben, wie die Thunderbirds später erzählen werden. Doch reden ist jetzt nicht drin, einzig Zeichensprache muss genügen: Ein anderer Motorradfahrer kommt entgegen, Hagen hebt die Hand vom Griff, grüßt ihn. Dann geht es in die Kurve, die Maschine neigt sich zur Straße. Hagen reißt den Lenker wieder herum und beschleunigt erneut. Der Zeiger am Tacho kratzt an 100 Kilometern pro Stunde. Dann: abbremsen, hinein in die nächste Ortschaft, Berg im Gau.

Idyllischer könnte es nicht sein: Eine Familie spaziert im Sonnenschein am Straßenrand entlang, als die schwarzgekleideten Motorradfahrer vorbeibrettern. Ein Junge, den Mund zu einem großen O geformt, blickt den Männern staunend hinterher. Die Menschen werden immer kleiner und verschwinden schließlich aus dem Sichtfeld.

Ein Mann vor uns lässt beide Hände vom Lenker ab, fährt freihändig, als ein Tempo-50-Schild zu sehen ist. Auf einem Chopper mit über 1600 Kubikzentimetern scheint man zu begreifen: Das Risiko gehört hier mit dazu. Wir sind nach einer Stunde fast wieder am Ausgangspunkt, zwischen Schrobenhausen und Hörzhausen. Wir biegen ab, überall nur weites Feld und Bäume zu sehen. Einen Schotterweg hinab, ragt das Quartier der MC Thunderbirds aus der Erde: der sogenannte Bunker. Das Relikt aus dem Zweiten Weltkrieg, ehemals eine Wasserpumpenstation, ist mittlerweile Clubhaus der Thunderbirds.

Die Männer nehmen die Helme ab, manch gezwirbelte Bärte und lange Haare kommen zum Vorschein. Einer von den Fahrern trägt einen Mundschutz, darauf ist das Gebiss eines Totenschädels zu erkennen. Und endlich erzählt auch Hagen. Der 57-Jährige ist seit zwölf Jahren mit dabei, beim Chapter der MC Thunderbirds in Schrobenhausen. In ganz Deutschland sind diese einzelnen Clubs verteilt, wie etwa in Ansbach oder Mindelheim, und bilden eine Motorradfamilie. Seit über 30 Jahren gibt es solch ein Chapter in Schrobenhausen.

"Leider ist Motorradfahren nicht mehr so hyped wie früher, gerade in den 80ern gab es unheimlich viele Fahrer", meint Andi. Der IT-Systemkaufmann senkt mit seinen 34 Jahren den Altersdurchschnitt in der Szene. Neben dem Kostenfaktor - eine Maschine kann gut mal 10000 Euro kosten - hat die abnehmende Begeisterung am Motorradfahren auch seine Gründe: Nachrichten über skandalträchtige Clubs zeichnen ein schlechtes Bild von der Szene. Daher kommt auch die Zurückhaltung der Thunderbirds gegenüber den Medien. Dabei heben sie sich deutlich ab, sind eine friedliche Gruppe. "Wenn jemand bei uns irgendwas mit Drogen macht, der fliegt", erklärt Andi. Den Vorwurf der rechten Rockerbanden weisen sie auch weit von sich. "Wir wollen auf keinen Fall in die rechte Ecke gestellt werden, jedem Menschen soll man grundsätzlich Respekt entgegenbringen." Die Umstehenden nicken zustimmend.

Deshalb haben sie auch eine Clubsatzung, die für jeden verpflichtend ist. Ludwig stiefelt in den Bunker, direkt ums Eck ist eine große Bar, an der zwei Mitglieder lehnen und eine Limo trinken. Wenn er nicht gerade seine Kutte trägt, arbeitet Ludwig bei einer Krankenversicherung. Er deutet auf die Wände, dort hängt immer wieder der Totenschädel mit dem Adler, das Logo der Thunderbirds. "Wir sehen in dem Ganzen vor allem eine Lebenseinstellung, diese Freiheit und den Zusammenhalt", erklärt Ludwig. "Wir sind eine Familie", pflichtet ihm Andi bei. Und dabei dreht es sich immer wieder um dieses eine Kleidungsstück: die schwarze Kutte. "Die Kutte gehört fest zu mir. " Die Kutte ist das kleine Heiligtum aus Leder - wehe dem, der sie wäscht. Da handhaben es die Thunderbirds wie mit den Lederhosn. "Der Regen spült's schon ab", meint Ludwig und zwinkert.

Doch Motorradfahren bleibt eine ernste Angelegenheit, dessen sind sich die Fahrer bewusst. "Beim Motorradfahren kann immer etwas passieren", sagt Andi. "50 Prozent ist Glück, der Rest ist Können", findet Hagen. Beim Fahren hat er sich mal den Arm ausgekugelt. Aber das gehöre dazu, findet er. "Wenn man mal einen kleineren Unfall hat, steigt auch wieder die Hemmschwelle beim Fahren." Und Frauen und Kinder? "Die beruhigt es, zu wissen, dass wir immerhin in einer Gruppe fahren", sagt Ludwig lachend.

Frauen sind aber auch so ein Thema bei den Thunderbirds: Der Motorradclub ist eine Männnerdomäne, Frauen können keine Mitglieder werden. Ein wenig verstaubtes Denken? "Wir haben immer mal wieder schon versucht, mehr Frauen als Nichtmitglieder im Clubumfeld zu haben", erklärt Hagen, "bei gemeinsamen Entscheidungen gab es zu oft Zickenkrieg." Da bleiben die Männer lieber unter sich. Bei Touren könnten Frauen ruhig mitfahren oder bei Treffen in das Quartier kommen. Erst vor einigen Wochen ist der ganze Club nach Polen gefahren, weil Mitglied Stubi dort geheiratet hat - da musste neben der leiblichen auch die motorisierte Familie mit. Auf einer Maschine geht es zurück in die Redaktion, ein letzter Blick zurück: Da sitzen sie noch bei einem Bierchen zusammen. Jetzt haben die Männer hinter den dunklen Visieren von den Straßen auch ein Gesicht bekommen.

 

OFFENER ABEND IM CLUBHAUS

„All Bikers welcome“ heißt es jeden zweiten Freitag des Monats im Clubhaus-offenen Abend im Bunker bei Hörzhausen. Bei Essen und Getränken können sich Motorradfreunde und -freundinnen austauschen. Um 20 Uhr geht es los. Interessierte können sich an die Mitglieder  unter E-Mail schrobenhausen@mc-thunderbirds.de melden.  Für Essen und Getränke ist gesorgt.