Schrobenhausen
"Die Taufe macht uns gleich"

Junge Theologin Jacqueline Straub engagiert sich für eine lebendige katholische Kirche

13.10.2020 | Stand 02.12.2020, 10:22 Uhr
Jacqueline Straub las auch aus ihrem neuen Buch: "Kickt die Kirche aus dem Koma! - allerdings stand bei dem Vortrag am Montagabend eher die Beziehung zwischen katholischer Kirche und Frauen im Mittelpunkt. −Foto: Budke

Schrobenhausen - Manche kennen sie vielleicht aus dem Radio oder dem Fernsehen: Jacqueline Straub ist Theologin, möchte selbst Priesterin werden und wünscht sich eine katholische Kirche, die zukunftsfähig ist.

Auf Einladung des Deutschen Frauenbundes Schrobenhausen kam sie am Montagabend in das Bauer Konferenzgebäude und erzählte von ihren eigenen Erfahrungen. Am Ende entspann sich wie gewünscht ein lebhaftes Gespräch.

"Wir haben nicht mit so vielen gerechnet", stellte Martha Pelikan in ihrer kurzen Begrüßung angesichts der etwa 25 Personen fest, die an luftig aufgestellten Einzelplätzen im Bauer-Konferenzgebäude Platz genommen hatten und fügte hinzu: "Es ist ja doch ein heikles Thema. " Außerdem freute sich die Bezirksleiterin des Deutschen Frauenbundes, dass nicht nur Frauen, sondern auch einige Männer gekommen waren. Schließlich war ja zu erwarten, dass es an dem Abend mit Jacqueline Straub überwiegend um die Interessen von Frauen in der katholischen Kirche gehen würde, denn die junge Frau ist dafür bekannt, dass sie genau dafür vehement kämpft. "In Dir muss brennen, was Du in anderen entzünden willst" - mit diesem Zitat des Heiligen Augustinus begann Straub ihren gut einstündigen Vortrag, denn dieser Ausspruch spiegelt wider, was in der jungen Theologin mit deutsch-schweizerischen Wurzeln vorgeht: Sie brennt für den christlichen Glauben, für die Idee der katholischen Kirche, möchte die Begeisterung dafür an andere weitergeben und die Institution Kirche auf einem modernen Weg zukunftsfähig machen.

Zwar las sie an dem Abend auch einzelne Passagen aus ihrem neuen, dritten Buch "Kickt die Kirche aus dem Koma", doch im Vordergrund standen Erzählungen aus ihrem eigenen Leben, die veranschaulichten, welchen Stellenwert Glaube und Kirche für sie haben, woher ihre Enttäuschungen, Wünsche und Hoffnungen rühren. Sie erzählt, dass Kirche für sie in der Kindheit ein "fremder Ort" war: "Alles war sehr streng und es war nicht der Ort, an dem ich sein wollte. " Als sie nach der Erstkommunion nicht ministrieren wollte, sei sie gemobbt worden, ihre Oma "hatte Angst um mein Seelenheil", aber ihre Mutter stärkte sie: "Du musst das nicht machen, wenn Du nicht willst. " Nach einem Umzug mit Schulwechsel lernte sie eine neue Freundin kennen, die einen sehr lebendigen Glauben pflegte und sich intensiv mit der Bibel beschäftigte. Da entstand bei Straub der Wunsch: "Diesen Gott möchte ich auch kennenlernen. " Bis heute sind ihre Erfahrungen geprägt von genau diesem Wechselspiel: Auf der einen Seite Menschen, die sich offen, modern, fröhlich, verständlich, gleichberechtigt und ideenreich mit dem Glauben beschäftigen und sich in der gleichen Weise in der katholischen Kirche engagieren. Auf der anderen Seite Menschen, die an alten Strukturen festhalten, Macht missbrauchen, keine Veränderungen zulassen, Frauen nur eine Nebenrolle in der katholischen Kirche zusprechen und die Begeisterung für Glaube und Kirche dadurch erlöschen lassen.

Straub hat einen unendlich erscheinenden Fundus an solchen Geschichten und Erfahrungen aus ihrem eigenen Leben und das verwundert kaum, denn mit ihren Wünschen und Thesen eckt sie oftmals an. Die 29-Jährige arbeitet als freie Journalistin und TV-Redakteurin in der Schweiz. Sie studierte katholische Theologie, schloss ihr Studium mit dem Master ab und wollte sich ihren Herzenswunsch erfüllen: römisch-katholische Priesterin zu werden. Dafür, für die Gleichberechtigung von Frauen und Männern in der katholischen Kirche und für eine jugendgerechte Gestaltung von Gottesdiensten und kirchlichen Strukturen tritt sie in der Öffentlichkeit ein. Sie habe in ihrer Jugend gelernt, dass sie "sich nicht klein machen muss, weil sie eine Frau ist, sondern dass ich zu meinen Träumen stehen kann", sagt sie und sie erzählt von den Argumenten, die man ihr im Studium entgegengeworfen habe, warum sie nicht Priesterin werden kann: "Das ist zu anspruchsvoll, die Weihe würde abperlen, Frauen sind immun gegen den Heiligen Geist, Frauen sind unrein", das ist nur ein Teil ihrer Liste. Ein Studienkollege habe sogar vorgeschlagen, sie könne ja seinen Haushalt machen und ihm die Predigten schreiben - das bringt sie noch heute in Rage, das spüren die Zuhörer an dem Abend in Schrobenhausen genau.

Viele fühlen anscheinend mit ihr, denn in der offenen Diskussion am Ende des Vortrages erzählen auch die Zuhörer und Zuhörerinnen genau solche Geschichte darüber, wie sie selbst oder Menschen in ihrer Familie enttäuscht wurden durch die Zurückweisungen oder harsche Behandlungen durch amtierende Priester. Martha Pelikan hatte den Zuhörern in ihrer Begrüßung empfohlen: "Je lebhafter die Diskussion ist, desto wertvoller ist sie eigentlich für Sie", und das war anscheinend angekommen. Nach erstem Zögern gab es einige Wortmeldungen von Frauen und Männern. Denkt sie, dass es zur Kirchenspaltung kommen würde, wenn es Frauen erlaubt würde, Priesterin zu werden? Straub antwortete: "Es gibt schon jetzt eine stille Kirchenspaltung, weil ganz viele austreten. " Das Argument, dass Länder wie Indien oder Afrika noch nicht so weit seien, einen modernen Weg zu gehen, lehnte sich komplett ab, denn auch dort gebe es Frauen, die gern Priester wären, dies aber nicht äußerten: "Frauenpriestertum ist ein Luxusproblem, weil wir Zeit haben, darüber nachzudenken - in anderen Ländern ist dieser Wunsch von existenziellen Problemen überlagert. "

Wenn sie gegen Machtausübung sei, warum wolle sie dann das Priesteramt, das ja auch mit Macht gekoppelt sei, wurde gefragt. "Für mich ist es eher ein Priesterdienst als ein Amt", setze sie die Betonung anders, "ich glaube, dass Frauen die Machtbarrieren abbauen würden; das sieht man schon in der Wirtschaft. " Jacqueline Straub ging auf jede Frage intensiv ein, hatte theologisch versierte Erklärungen und weitere anschauliche Beispiele bereit und betonte "Die Taufe macht uns gleich, es gibt kein höher, besser oder wichtiger. " Den Zuhörern sah man an, dass sie berührt waren, einige Geschichten aus dem eigenen Erleben kamen auf und wurden erzählt und so schloss Straub am Ende mit einem Appell: "Überlegen Sie, wie Sie den Glauben als Heimat wiedergegen können. Ich wünsche Ihnen, dass sie laut sind, dass sie wütend sind und dass sie mutig sind. "

SZ