Schrobenhausen
Streetworker ohne Straße

Für Benedikt Schmid funktioniert Jugendsozialarbeit auch ohne persönlichen Kontakt dank guter Ideen

14.04.2020 | Stand 02.12.2020, 11:33 Uhr
Hat die Straße gegen das Büro eintauschen müssen: Der Schrobenhausener Streetworker Benedikt Schmid nutzt in der Corona-Krise verstärkt die Wege der digitalen Kommunikation. −Foto: Budke

Schrobenhausen - Was macht ein Streetworker, wenn seine Klienten und auch er selbst nicht auf die Straße dürfen?

 

Genau das hat sich Benedikt Schmid auch gefragt. Normalerweise ist er in Schrobenhausen unterwegs, um Jugendliche zu treffen, um mit ihnen ins Gespräch zu kommen und um herauszufinden, ob er irgendwo irgendwie helfen kann. Da erweisen sich jetzt moderne Kommunikationswege als äußerst hilfreich, um in Kontakt mit den jungen Menschen zu bleiben.

In manchen Berufen ist es ein zentrales Merkmal, dass sich Menschen begegnen und miteinander reden. Als Streetworker kommt hinzu, dass der Sozialarbeiter nicht darauf wartet, dass ihn jemand aufsucht, sondern er geht aktiv auf die jungen Leute zu. Auf der Straße. In der Öffentlichkeit. Weil genau das im Moment schwierig bis unmöglich ist, muss der Schrobenhausener Streetworker Benedikt Schmid neue Wege finden, um im Gespräch mit den Jugendlichen zu bleiben. "Rausgehen ist nicht erwünscht - man trifft ja auch niemanden", stellt Schmid fest. Tatsächlich hat er von seinem Arbeitergeber, dem Caritasverband, ein Verbot des direkten Kontaktes zu seinen Klienten auferlegt bekommen und hat vollstes Verständnis: "Ich will mich und andere keiner Gefahr aussetzen. Es ist sinnvoll, zu Hause zu bleiben. "

So arbeitet er seit Beginn der Ausgangsbeschränkung im Büro in Schrobenhausen. Teilweise unterstützt er das Team im allgemeinen caritativen Bereich, denn die Kollegen seien durch die Corona-Krise viel stärker belastet. So hilft er bei der Vermittlung von Spenden oder Einkaufsgutscheinen.

Aber der Mittelpunkt seiner Tätigkeit als Sozialarbeiter bleibt der Kontakt zu den Jugendlichen. Zwischen 14 und 23 Jahre sind seine Klienten jung und damit ist schon klar, wie Kommunikation nun aufrechterhalten werden kann: WhatsApp und die übrigen sozialen Medien erweisen sich jetzt als Glücksfall, denn so kann Schmid mit den jungen Leuten im Gespräch bleiben. "Eigentlich mag ich Sprachnachrichten gar nicht", sagt er und das Kopfschütteln ist gut hörbar, "aber jetzt sind sie eine gute Alternative. " Oft hilft er derzeit bei den Hausaufgaben, die die Mädchen und Jungen für die Schule erledigen müssen: "Ein Schüler hat gesagt, ihm fehlt der Frontalunterricht und deshalb kann er sich schlecht motivieren. Da hab ich ein Video für ihn aufgenommen. " Mit einem Jugendlichen erzählt er sich Witze, mit einem anderen hat er einen Liegestützen-Wettbewerb gemacht. "In Kontakt bleiben ist wichtig", betont Schmid und ergänzt: "Wir müssen alle geistig und körperlich fit bleiben. " Noch höre er nichts über größere Probleme zu Hause, denn bis jetzt sind die meisten noch nicht unterfordert, das selbstständige Arbeiten für die Schule zum Beispiel verlangt viel Einsatz von den Jugendlichen. "Wenn der Lagerkoller kommt, könnte das anders werden. " Dazu will er es nicht kommen lassen und so bietet er Beschäftigungsmöglichkeiten.

Per Handy schicken ihm die Jungen und Mädchen Fragen. Zum Beispiel, warum ein Zebra Streifen hat oder woher eigentlich der Name Schrobenhausen kommt. "Ich wusste das auch nicht", gibt er direkt zu, "und habe mich schlau gemacht. " Die Ergebnisse schickt er an alle, die die Antwort vielleicht interessieren könnte. "So kommen Gespräche zustande", freut er sich. Für Tipps, um die körperliche Energie loszuwerden, ist er sowieso der richtige Ansprechpartner: Seit Kindesbeinen ist er im Karate aktiv, hat es bis zum Schwarzgurt geschafft und ist Cheftrainer sowie Dojoleiter an seinem Wohnort Ehekirchen. "Ich habe vorgeschlagen, kleine Videos zu machen: Vor allem aus dem Aufwärmtraining im Karate kenne ich viele Übungen, die man leicht zu Hause machen kann, die nicht viel Platz brauchen und mit denen man sich auspowern und fithalten kann. " Mit 15 bis 20 jungen Leuten ist Schmid aktuell kontinuierlich in Kontakt und meint: "Ich bin quasi der Knotenpunkt in den Unterhaltungen. "

Normalerweise ist er eher Zuhörer als Impulsgeber: "Ich komme draußen zu Gruppengesprächen dazu, stelle mich daneben, höre zu und sehe selbst, wie es den Jugendlichen geht. Jetzt müssen sie mir sagen, wie sie sich fühlen. " Schmid rechnet damit, dass Gespräche darüber in den nächsten Wochen verstärkt aufkommen werden, wenn es zu Hause dann doch langweilig wird und das Bedürfnis, rauszugehen, immer größer.

Aber auch für ihn ist diese Art der Sozialarbeit eine ganz andere als gewohnt: "Ich führe jetzt zehn Gespräche gleichzeitig und überhaupt ist diese Arbeit nicht das, was ich unter Streetwork verstehe. " Er hofft, dass es sich wieder ändert, bevor er sich daran gewöhnt hat: "Normalerweise habe ich über die Arbeit und den Sport 300 bis 400 Kontakte pro Woche. Vor vier Wochen hätte ich gesagt, ab und zu ein menschenfreier Tag ist gut. Jetzt fehlt mir der persönliche Kontakt doch sehr. " Ein Streetworker ohne Straße ist dann auf Dauer eben doch nicht so ganz das, was es sein sollte.

Wer zur Gruppe der Jugendlichen oder jungen Erwachsenen gehört und Kontakt zum Streetworker Benedikt Schmid aufnehmen möchte, kann das tun: benedikt. schmid@caritasschrobenhausen. de,
mobil: (0176) 40 44 22 11, Festnetz (08252) 9673 174.

SZ