Schrobenhausen
Borkenkäfer - Der gefürchtete winzige Waldumbauer

Waldbesitzervereinigung Neuburg-Schrobenhausen klärt auf

08.08.2018 | Stand 23.09.2023, 4:20 Uhr
Zwei Borkenkäfer sind auf diesem Rindenstück zu sehen, das sie mit ihren Gängen durchzogen haben. Die Tiere - es handelt sich um die Art Buchdrucker - sind nur wenige Millimeter lang. −Foto: Fotos: Hofmann

Heiß und trocken - so liebt der Borkenkäfer das Wetter. Entsprechend gut vermehrt er sich derzeit auch in den Wäldern des Schrobenhausener Landes. Herr werden kann man ihm nur gemeinsam, wenn Waldbesitzer, Förster und Verbände zusammenarbeiten und Bäume schon beim ersten Anzeichen eines Borkenkäferbefalls aus dem Wald holen.

Förster Guido Zitzelsberger bückt sich und zeigt auf dunkelbraunes Pulver, das sich direkt neben dem Stamm einer Fichte auf den Blättern einer Brombeerranke abgelagert hat: "Das Bohrmehl ist für uns das Alarmsignal. Dann heißt's: Sofort ran an die Motorsäge!" Die 15 Männer, die um ihn herumstehen, nicken und schauen zum Teil durchaus betroffen. Sie sind allesamt Waldbesitzer und wissen, wie schwer es fällt, einen 40, 50, oft auch 80 Jahre alten Baum absägen zu müssen. Aber wenn der Borkenkäfer, der sich in die Rinde gebohrt und somit für das Bohrmehl gesorgt hat, es sich einmal in einem Baum gemütlich gemacht hat, dann gibt es keine Alternative. "Jeder Baum, der Bohrmehl hat, muss weg", stellt Ludwig Schön klar.
Schön ist der neue Geschäftsführer der Waldbesitzervereinigung (WBV) Neuburg-Schrobenhausen. Er hat diesen Waldbegang organisiert, um Waldbesitzer dafür zu sensibilisieren, einen Borkenkäferbefall selbst zu entdecken. Als die Gruppe in den Bestand geht, fallen in einem lichten Bereich gleich am Waldrand sofort einzelne Fichten auf, die ihre Rinde abwerfen. "Da ist schon alles zu spät", sagt Schön. Der Baum müsse dennoch schnell raus aus dem Wald, sagt Zitzelsberger, der als Förster im Revier Schrobenhausen für weite Teile des Altlandkreises und des Donaumooses zuständig ist, denn die Lockstoffe des Borkenkäfers signalisierten Artgenossen, schnell nachzukommen, denn: "Hier ist die Party."
Ludwig Schön reißt ein Stück Rinde ab - das geht ganz leicht - und zeigt die Rillen, die dort drin sind. Gänge, die der Borkenkäfer angelegt hat. Ein unscheinbares, etwa einen halben Zentimeter langes Tierchen regt sich: ein Buchdrucker. "Ein paar Millimeter groß nur - und das ist der größte Waldumbauer bei uns", sagt Schön. Der Buchdrucker ist eine der beiden bedeutenden Borkenkäferarten. Die zweite Art, der Kupferstecher, ist noch mal ein ganzes Stück kleiner.
Dann fordert Schön die Waldbesitzer auf, Bäume mit nicht so offensichtlichen Befallsspuren zu suchen. Die ersten Fundmeldungen kommen umgehend: Gerade wenn es auf Moos oder eben Brombeerblätter fällt, ist das Bohrmehl gut zu erkennen. Dabei weist helles Bohrmehl auf einen frischen Befall hin, erklärt Zitzelsberger; dunkles Bohrmehl bedeute, dass der Käfernachwuchs bereits ausfliege. Die Entwicklungsstadien der Käfer dauerten vier bis sechs Wochen, manchmal gehe es auch schneller. Und manchmal fänden sich zeitgleich unterschiedliche Entwicklungsstadien an einem Baum.
Die Bayerische Landesanstalt für Wald- und Forstwirtschaft (LWF) in Freising empfehle derzeit eine tägliche Suche nach Bohrmehl, sagt Zitzelsberger. Besonders beliebt seien bei den Borkenkäfern lichte Stellen, Waldränder oder auch Windwurfflächen, allerdings werde es auch den Borkenkäfern bei Temperaturen um 30 Grad zu warm und sie ziehen sich ins Innere des Waldbestands zurück. Besonders im Auge haben sollte man als Waldbesitzer auch Stellen, an denen es schon mal einen Befall gab, denn: "Der Käfer geht immer an die Standorte, wo es ihm gefällt", sagt Zitzelsberger.
Ist ein Baum befallen, sollte nicht nur dieser so schnell wie möglich aus dem Wald geholt werden, sondern auch alle anderen im Umkreis von 30 Metern. "Ich vergleiche das immer mit einer Krebsoperation", sagt Zitzelsberger. Vor allem in Hauptwindrichtung befallen Borkenkäfer immer mehr Bäume, auch kerngesunde. Zudem überwintere der Käfer nicht nur im Baum, sondern auch im Boden - "den kann man nicht einfach wegspritzen", stellt Schön klar.
Vor allem der Kupferstecher befällt auch kleinere Äste. Zum Beispiel das Gipfelholz, auf das einer der Waldbesitzer gerade zeigt und das offenbar von einer Fällaktion stammt, die schon etwas länger her ist. Eine wahre Einladung an den Borkenkäfer, das wissen die Teilnehmer des Waldbegangs allesamt. "Wir haben doch die Gefahr erkannt", sagt einer von ihnen, das Problem seien gerade die, die nicht dabei seien, die sich nicht dafür interessierten, was in ihrem Wald geschieht. Der Borkenkäfer mache an Parzellengrenzen nicht Halt. Es gebe, so Zitzelsberger, keine rechtliche Handhabe, die Leute dazu zu zwingen, befallene Bäume aus dem Wald zu holen. Deswegen setzen er und Ludwig Schön von der WBV auf Information und Zusammenarbeit - Zusammenarbeit auch zwischen den Waldbesitzern.
Am Ende ist auch ein wenig Optimismus angebracht, findet Schön offensichtlich und sagt: "Nicht verzweifeln! Es sind nur Käferbäume. Man kann's verkaufen." Allerdings mit einem deutlichen Abschlag beim Holzpreis. Wichtig sei nur, das befallene Material - auch das Gipfelholz, denn "der Käfer hält sich nicht an Zentimetergrenzen" - so schnell wie möglich aus dem Wald zu bringen. "Wir haben eine Zeit lang zum Verbrennen geraten", sagt Zitzelsberger, "das wäre jetzt das Allerdümmste." Bei Trockenheit und Hitze würde der ganze Wald schnell wie Zunder brennen - und das wäre dann noch schlimmer als ein Käferbefall. Deshalb lieber das Stammholz mindestens 500 Meter vom nächsten Fichtenbestand entfernt lagern und das Gipfelholz ebenfalls aus dem Wald bringen und hacken. "Dann wächst ein neuer Wald", sagt Schön. Die Wiederaufforstung biete auch die Möglichkeit, die Fichtenmonokulturen in einen robusteren Mischwald umzuwandeln. Und schließlich gibt es auch Geld vom Staat - für die Wiederaufforstung mit Eichen, Buchen oder Tannen zum Beispiel, wenn sie zuvor angemeldet wird, aber auch für das Käferholz, das aus dem Wald gebracht wird. Informationen dazu gibt es sowohl bei der Waldbesitzervereinigung als auch beim Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten.

Bernd Hofmann