Schrobenhausen
Barock für alle Sinne

Rege Betriebsamkeit und verheißungsvolle Düfte zaubern herrschaftliches Barock-Flair

14.09.2020 | Stand 02.12.2020, 10:34 Uhr
Fleißig gekocht, gebraten, gebacken und auch aufgeräumt wurde den ganzen Nachmittag über in den Kochnischen der Küche. Martin Kaltenegger (r.), der die Aktion zusammen mit Franz Schmid und Andreas Schlögel vorbereitet hatte, trug genau die richtige Schürze für den Anlass: "Born to cook" - "Zum Kochen geboren" stand drauf. −Foto: Budke

Schrobenhausen - Emsig geschnitten, gerieben, geröstet, pochiert und gebraten wurde am Samstagnachmittag in der Küche der Regens-Wagner-Berufsschule.

Unter dem Titel "Barockes Kochen" wurden sage und schreibe 21 Rezepte in knapp dreieinhalb Stunden auf den Punkt zubereitet. Die Ergebnisse genießen durften nicht nur die Köchinnen und Köche, sondern auch die Teilnehmer und Dozenten des festivalbegleitenden Wochenendseminars "Barockes Ensemblespiel. "

Die Düfte wehten aus den weit geöffneten Fenstern bis auf den Hof der Regens-Wagner-Berufsschule hinunter: Gebratenes Fleisch, Süßspeisen und vor allem der Geruch von Gewürznelken waren die besten Wegweiser, um ganz leicht den Weg in die Schulküche zu finden. Auf dem Gang davor war bereits eine lange Tafel gedeckt mit schlichtem Geschirr, farbiger Dekoration und polierten Weingläsern.

Wirkte hier alles wie ein Stillleben, ließ sich durch die geöffnete Küchentür anhand der Geräusche etwas anderes erahnen: Rege Betriebsamkeit herrschte an den sechs Kochnischen, denn drei Frauen und neun Männer hatten sich zusammengefunden, um gemeinsam Rezepte aus barocken Kochbüchern zuzubereiten. 21 Rezeptkarten hatten die Organisatoren Martin Kaltenegger, Andreas Schlögel und Franz Schmid auf Papier in drei verschiedenen Farben ausgedruckt, wasser- und fettfest laminiert und dann ausgelegt. Daraus durften sich die Kursteilnehmer je eine Karte pro Farbe auswählen, damit jedes der Zweier-Teams in den Genuss kam, jeweils eine Vorspeise, ein Hauptgericht mit Beilage und eine Nachspeise zuzubereiten.

Für die Brotsuppe musste selbiges entrindet und gewürfelt werden. Ein ganzes Huhn wurde gekocht, um auch daraus später eine gehaltvolle Suppe herzustellen. Ein Hecht wurde pochiert und auf einer Soße aus gerösteten Mandeln und Kren angerichtet. Ein Kaninchen wurde angebraten und geschmort. Blumenkohl wurde paniert und in heißem Öl ausgebacken, Zwetschgen und Zitronen für verschiedene Soßen vorbereitet. Ein Reisauflauf ganz ohne Zucker wurde im Ofen gebacken, der Teig für die Mandelkipferl geknetet und Äpfel für die Küchel geputzt.

In vielen Gerichten war reichlich Butter im Einsatz und natürlich Gewürze wie Thymian, Rosmarin, Muskat und Nelken. Auch Wein und Bier kamen in den Speisen zum Einsatz. Hans Tomani - Vorsitzender der Freunde der Alten Musik - kochte gemeinsam mit Martina Fischer unter anderem Rindfleisch in Sardellensoße: "Wir waren ein Spitzenteam", freute sich Tomani und Martina Fischer meinte: "So etwas habe ich noch nie gekocht. " Aber nicht nur beim Kochen war sie voll dabei, auch bei der Einführung durch Martin Kaltenegger in das Thema der barocken Küche hatte sie gut zugehört: "Die Mönche haben ja den Biber zu Fisch erklärt und das Reh zum Wassertier. " Tatsächlich gibt es dafür eine einleuchtende Erklärung, denn mittels dieser biologisch abenteuerlich anmutenden Klassifizierung konnte auch an den Fastentagen Montag, Mittwoch und Freitag Fleisch zubereitet und verzehrt werden.

Das war wohl ein Luxus, der vor allem der Geistlichkeit und den wohlhabenden Herrschaften zukam. Bei einem Blick durch den Raum bekam man einen Eindruck, wie es in einer herrschaftlichen Küche bei den Vorbereitungen zu einem Fest ausgesehen haben könnte. Alle arbeiteten konzentriert, und die Vielfalt der Gerichte war einfach beeindruckend. Dagegen dürften zum Beispiel die Suppen, die am Samstag als Vorspeise gekocht wurden, der einfachen Bevölkerung in der Barockzeit eher als Hauptgericht gedient haben. In jedem Fall entstand beim Streifzug durch die Regens-Wagner-Küche ein guter Eindruck davon, was überhaupt so möglich war.

Als es dann ans Aufräumen ging, überall gespült und geputzt wurde, freute sich Martin Kaltenegger bei einem Blick auf die Uhr: "Kurz nach halb sieben - das ist fast eine Punktlandung. " Überhaupt war er zufrieden, wie gut alles geklappt hatte, immerhin hatte es nicht nur einfache Rezepte gegeben: "Da waren schon auch anspruchsvollere Sachen dabei. "

Von den gelungenen Ergebnissen der Kochkunst überzeugten sich dann nicht nur die Köchinnen und Köche selbst: Zum ersten Mal nahmen heuer auch Gäste an der langen Tafel Platz: Die Dozenten und Teilnehmer des Wochenendseminars "Barockes Ensemblespiel" kamen in den Genuss, die Gerichte probieren zu dürfen. Schließlich hatten sie nur wenige Schritte entfernt in der Aula der Schule musiziert und kamen nun neugierig und hungrig im ersten Stock an.

Sätze wie "Wir wissen nicht, was es gibt" waren in verschiedenen Variationen zu hören, und so wurde geraten: "Viel Fleisch. Keine Tomaten. Vielleicht Fasan, das wäre mal etwas anderes. " Strittig war nur die Frage, ob es wohl auch Kartoffeln geben würde und wann diese in Europa bekannt gewesen sein könnten. Tatsächlich standen die braunen Knollen ab Mitte des 18. Jahrhunderts auf dem Speiseplan und schafften es somit gerade noch in die Küchen der ausgehenden Barockzeit.

Bevor das gemeinsame Mahl dann begann, bedankte sich der Intendant des Festivals, Jakob Rattinger, vor allem bei Schulleiter Franz Schmid: "Danke, das ist alles immer so unkompliziert hier. " Auch Hans Tomani fand lobende Worte für die Organisation des Kochkurses, aber auch für Rattingers Engagement in Schrobenhausen: "Das CO2-Konzert gestern, das war ein einmaliges Erlebnis, das geht nicht besser. " Das mag auch für manches der barocken Gerichte zutreffend gewesen sein - zumindest wurde eifrig gespeist und aus allen Warmhaltepfannen probiert. Nachdem dann alles aufgeräumt war, machten sich die Köchinnen und Köche auf den Weg in die Aula, um dort das Nachtkonzert mit Penelope Spencer (Barockgeige), Marion Treupel-Franck (Traversflöte) und Adrián Blanco (Theorbe) zu genießen. So wurde dies für alle Teilnehmer zu einem Tag, an dem Barock mit allen Sinnen erlebt werden konnte.

SZ