Aresing
"Er war ein Maler auf der Höhe der Zeit"

Festredner Benno Bickel, der sich eingehend mit Johann Baptist Hofner beschäftigt hat, im SZ-Gespräch

28.06.2013 | Stand 02.12.2020, 23:58 Uhr

In der Blüte seines Lebens: Johann Baptist Hofner, auf einem Foto um 1860 herum. - Foto: SZ-Archiv

Aresing (SZ) Mit einem großen Festakt feiert Aresing an diesem Sonntag den 100. Todestag Johann Baptist Hofners. Der Maler ist einer der großen Söhne der Gemeinde. Seine wenigen verfügbaren Werke erzielen fünfstellige Summen. Über den Menschen weiß man allerdings relativ wenig. Benno Bickel (61, kleines Bild), Leiter der vhs Schrobenhausen, begibt sich in seinem Festvortrag auf Spurensuche – und möchte ein bisschen was zurechtrücken, wie er im Interview mit unserer Zeitung verrät.

Herr Bickel, Sie halten den Festvortrag über Hofner. Was qualifiziert Sie denn dafür?

Benno Bickel: Die Frage stelle ich mir auch. (lacht) Ich bin kein Kunsthistoriker – manchmal sagen die Leute: glücklicherweise, manchmal werden die Gesichter etwas länger. Vor ungefähr 30 Jahren hatte ich mit einer Kunsthistorikerin den Auftrag, die Bilder im Schrobenhausener Lenbachmuseum zu katalogisieren. Und beim Beschauen, Vermessen, Notieren sämtlicher Bilder, ja, da habe ich meine Begeisterung für Hofner entdeckt. Einige Jahre später bin ich dann dazu eingeladen worden, bei einem Buch über ihn mitzuarbeiten. Und als gelernter Journalist kann ich für mich schon ein gewisses Vermögen zu recherchieren und zu schreiben in Anspruch nehmen – hoffe ich zumindest. (lacht)

Haben Sie selber einen Hofner zu Hause hängen?

Bickel: Nein. Der wäre mir auch etwas zu teuer. Denn erstaunlicherweise liegt Hofner, der normalerweise besonders in der lokalen Wertschätzung immer als der Zweite hinter dem großen Franz von Lenbach rangiert, im Kunstmarkt weit, weit vor Lenbach. Das ist schon eine amüsante Geschichte: Auf der einen Seite haben wir Lenbach, zu seinen Lebzeiten der große Porträtist Deutschlands. Der wäre, würde er heute leben, wahrscheinlich dreimal in der Woche in den Talkshows im Fernsehen zu sehen – und auf der anderen Seite haben wir Hofner, den eher bescheidenen Tiermaler. Aber heute bekommen Sie ein Lenbach-Porträt, eines von den unzähligen, für 4000, 5000 Euro, manchmal auch noch für weniger. Dagegen können Sie für einen Hofner, und es kommen nur sehr wenige Hofners auf den Kunstmarkt, ohne Weiteres mal 38 000 Dollar ansetzen – also ein bisschen über meinem Etat.

Wie umfangreich ist sein Werk?

Bickel: Das ist sehr schwer zu sagen, weil sich die überwiegende Zahl der Bilder in Privatbesitz befindet. Einen vollständigen Werkkatalog zu erstellen, ist bis heute nicht mal ansatzweise gelungen. Wir sind damals bei der Katalogisierung im Lenbachmuseum und bei der Arbeit an dem Buch mit allen greifbaren Hofners in Privatbesitz sowie den wenigen Bildern in anderen Museen – in München die Staatsgemäldesammlung, in Schweinfurt die Sammlung Schäfer, in Hamburg die Kunsthalle – auf knapp 100 Arbeiten gekommen. Zum Vergleich: Von Lenbach sind an die 5000 Bilder vorhanden.

Sie haben schon den „bescheidenen Tiermaler“ Hofner erwähnt. Wird er mit der Bezeichnung zu gering geschätzt?

Bickel: Die Tiermalerei war im 19. Jahrhundert ein anerkanntes Genre und der Markt dafür groß. Es wird vermutet, dass sie dann vor allem durch den Siegeszug der Fotografie in eine Nische gedrängt worden ist – und heute eher belächelt wird. Das fällt mir auch immer wieder auf, wenn Lenbach mit Hofner verglichen wird. Aber in der Kunstgeschichte wird die Tiermalerei sehr ernst genommen.

Und Hofner hat ja nicht nur Tiere gemalt.

Bickel: Genau. In seinen ersten Jahren, aber auch später immer wieder mal hat er Landschaften gemalt. Dann sieht man einen gewissen Übergang: Landschaften, auf denen Tiere zu sehen sind, dann Tiere in der Landschaft. Und dann kam der entscheidende Sprung: das sogenannte Tier-Nah-Bild. Auf Umgebung wird verzichtet, es sind richtige Tierporträts. Das mutet ein bisschen kurios an, aber man muss sich die Hofnerschen Schafsgesichter nur genau ansehen: Er arbeitet wirklich aus der Gattung Schaf ganz individuelle Gesichter heraus. Und die Nachfrage war groß: Schon zu Lebzeiten hatte er erstaunlicherweise einen guten Absatz in den USA.

Ist er auch mal dort gewesen?

Bickel: Nein, die Verbreitung lief nur über Galeristen. Aber wenn Sie im Internet die Begriffe „Hofner“ und „Shepherdess“ – „Schäferin“– eingeben, werden Sie 30 000, 40 000 Treffer bekommen. Es gibt nämlich das Hofnerbild „Die Schäferin“, das bis heute in den USA ungeheuer populär ist. Von der Postkarte für drei Dollar bis zum Kunstdruck im Goldrahmen für 800 Dollar. Das Bild zeigt eine junge Frau mit Lämmchen auf dem Arm. Daneben steht das Mutterschaf, das zu seinem Lämmchen und zur treu sorgenden Schäferin aufblickt. Nicht unbedingt typisch für die Hofner-Bilder, die sonst sehr naturalistisch sind und absolut nichts Süßliches haben, sondern realistische Szenen aus der Tierwelt abbilden.

Wie ist Hofner zur Tiermalerei gekommen?

Bickel: Tja, das ist eines der Probleme, wenn man sich mit Hofner beschäftigt: Es gibt keine einzige von ihm überlieferte autobiografische Zeile, nicht mal einen Brief von ihm. Es bleibt also viel im Dunkeln. Es hat einen Nachlass gegeben, und der muss irgendwo in den 20er Jahren in Schrobenhausen verschwunden sein. Man ist also auf Zeugnisse von Dritten angewiesen, zum Beispiel auf ein paar Briefe, die Lenbach Hofner geschrieben hat.

Die beiden haben in Aresing ja sogar ein paar Monate zusammen gewohnt. Eine richtige Künstler-WG also.

Bickel: Ja, Hofner war auch der erste Lehrer Lenbachs. Und in den 50er Jahren des 19. Jahrhunderts, bevor sich Lenbach endgültig der Porträtmalerei zugewandt hat, haben die beiden immer wieder gemeinsam gearbeitet und gemalt.

Hofner ist irgendwann nach München gezogen und dort auch später gestorben. Wie viel Zeit hat er noch in Aresing verbracht?

Bickel: Er lebte ab etwa 1880 in München. Den Sommer über war er aber jedes Jahr in Aresing, wo er auch immer wieder Besuch von anderen Malern gehabt haben muss. Er wird ja immer wieder gerne als ländlicher Eigenbrötler betrachtet, der in seinem Dorf sitzt und brav seine Tiere malt. Aber er war entgegen dieses Images auf der Höhe seiner Zeit. Er wohnte in München in der Landwehrstraße, und die war damals, bevor Schwabing zum Zentrum für Künstler wurde, die angesagteste Adresse. Er hatte Kontakt zur aktuellen Kunstszene, der sogenannten Münchner Schule, der man ihn zurechnen könnte, und kannte sich auch auf dem Kunstmarkt aus. Er war sich sicherlich bewusst, dass für Tierdarstellungen ein Markt da war – den er auch bedient hat.

Was wollen Sie denn am Sonntag beim Festakt über Hofner erzählen?

Bickel: Es geht mir darum, neben den dürren Fakten ein bisschen zu verdeutlichen, welchen Stellenwert Hofner innerhalb der Tiermalerei gehabt hat, wie sehr er heute bei Kunstsammlern geschätzt ist, was nicht überall geläufig ist, und versuchen, das Bild des bärtigen Kauzes auf dem Land ein bisschen zu verschieben. Es wäre übrigens schön, wenn sich jemand fände, vielleicht auch mit lokaler Unterstützung der Recherchen, der etwa seine Abschlussarbeit in Kunstgeschichte über Hofner machen mag. Wenn der 100. Todestag dazu einen kleinen Anstoß geben könnte, das fände ich toll.

Das Gespräch führte Thorsten Stark