Geld für Asylbewerber veruntreut?

Staatsanwaltschaft und Kripo ermitteln: Mitarbeiter des Landratsamtes vom Dienst freigestellt

11.12.2019 | Stand 23.09.2023, 9:49 Uhr
Symbolbild: Ein Polizeiauto steht vor dem Landratsamt. Symbolbild: Daniel Wenisch −Foto: Wenisch, Daniel

Pfaffenhofen - Staatsanwaltschaft und Kripo ermitteln gegen einen Mitarbeiter des Landratsamtes.

Er steht im Verdacht, Geldzahlungen für Asylbewerber auf seine privaten Konten geleitet zu haben. Die Schadenshöhe könne erst nach Abschluss der Ermittlungen festgestellt werden, teilten Polizeipräsidium Oberbayern Nord und Staatsanwaltschaft gestern auf Anfrage mit. In Pfaffenhofener Behördenkreisen heißt es, dass es unter dem Strich um etwa 120000 Euro gehen soll. Ob das Geld verloren ist oder zumindest teilweise zurückgeholt werden kann, ist unklar. Laut Polizei wurde bei einer Hausdurchsuchung "Bargeld zur Vermögensabschöpfung sichergestellt", derzeit würden weitere Finanzermittlungen durchgeführt.

"Ich bedauere Ihnen mitteilen zu müssen, dass ein Mitarbeiter des Landratsamtes wegen kriminalpolizeilicher Ermittlungen vom Dienst freigestellt wurde und seinen Arbeitsplatz unverzüglich verlassen musste" - Landrat Martin Wolf (CSU) reagierte sofort mit ersten personalrechtlichen Schritten und einer internen Rundmail an seine Mitarbeiter auf den Besuch, den Kripobeamte vergangene Woche seinem Amt abstatteten.

Auf den Behördenfluren hat sich mittlerweile längst herumgesprochen, um wen und um was es bei den polizeilichen Ermittlungen geht. Der Angestellte, der nach einer Anzeige durch das Landratsamt ins Visier der Kripo geraten ist, soll seit rund vier Jahren für die Kreisbehörde tätig sein. Er war in einem Bereich beschäftigt, in dem die Geldleistungen für die Betreuung von Asylbewerbern wie zum Beispiel die Taschengeldzahlungen abgewickelt werden. Abhängig von der Zahl der im Landkreis aktuell lebenden Asylbewerber kommen da Monat für Monat unterm Strich um die 500000 Euro zusammen, die durch die Kreiskasse fließen, aber letztlich vom Freistaat getragen werden. Ein ansehnliches Sümmchen. Und Staatsanwaltschaft und Kripo prüfen jetzt, ob der Sachbearbeiter davon über einen längeren Zeitraum hinweg Beträge abgezweigt und auf eigene Konten gelenkt hat. Wie das genau abgelaufen sein soll, dazu äußern sich die Ermittler nicht. Es gehe um die Frage, ob der Beschuldigte Leistungen für Asylbewerber, die nicht mehr dem Zuständigkeitsbereich des Landratsamtes Pfaffenhofen unterlagen, "zweckwidrig für sich verwendet hat", heißt es in der schriftlichen Antwort auf eine Anfrage des PK.

"Natürlich gibt es hinreichende Anhaltspunkte für einen Tatverdacht des Betrugs beziehungsweise der Untreue, sonst hätten wir ja auch bei Gericht keinen Durchsuchungsbeschluss für Wohnung und Arbeitsplatz des Beschuldigten erwirken können", sagt Hans-Peter Kammerer von der Pressestelle des Polizeipräsidiums. Gleichzeitig gelte aber immer auch die Unschuldsvermutung und von dem Beschuldigten selbst liege derzeit noch keine verwertbare Aussage vor. "Da kein Geständnis da ist, müssen wir nachlegen, um das Ganze wasserfest zu kriegen. In der Phase sind wir jetzt", sagt der Präsidiumssprecher. Bei den Durchsuchungen seien neben Bargeld auch Unterlagen und elektronische Daten sichergestellt worden, deren Auswertung durch das Betrugskommissariat andauere, so das Präsidium und die Staatsanwaltschaft. Der Beschuldigte wurde zunächst vorläufig festgenommen, ist aber "mangels vorliegender Haftgründe" wieder auf freien Fuß. Die Kripo gibt keine Details zu dem Fall bekannt, wie aber aus Behördenkreisen verlautete, gehen die Ermittler dem Verdacht nach, dass der Sachbearbeiter über einen simplen, aber schwer entdeckbaren Kniff dafür gesorgt habe, dass für Asylbewerber gedachte Gelder auf seinen Konten landeten: Er soll in die Auszahlungslisten Namen von Asylbewerbern eingefügt haben, die schon weggezogen waren. Statt deren Kontonummern habe er seine eigenen Bankverbindungsdaten für die Überweisungen angegeben, heißt es.

"Bei uns darf niemand alleine Auszahlungen anordnen, sondern das wird zuvor von einem zweiten Mitarbeiter geprüft. Aber wenn auf der Empfängerliste lauter gebräuchliche Namen aus dem Asylbereich stehen, wird bei der Kontrolle niemand misstrauisch und schaut sich die Kontonummern näher an", verlautet aus dem Landratsamt. Dort wundert man sich eher darüber, dass bei den Banken angesichts einer Reihe von Überweisungen, bei denen der Empfängername nicht mit dem des Kontoinhabers übereinstimmte, nicht früher Alarmglocken schrillten. Aber immerhin: Der Tipp, der jetzt die Ermittlungen auslöste, soll aus Bankkreisen gekommen sein, wie aus dem Landratsamt zu hören ist.

Christian Degen, Pressesprecher der Behörde, will sich mit Verweis auf die laufenden Ermittlungen nicht zu Details äußern und die Vorwürfe gegen den Sachbearbeiter auch nicht bewerten. Zur Frage, ob Kontrollmechanismen im Landratsamt angesichts solcher Vorgänge neu justiert werden müssen, nimmt er aber Stellung. Degen verweist darauf, dass im Pfaffenhofener Landratsamt die Auszahlung der Gelder auf dem Asylsektor genauso geregelt sei wie in vielen anderen bayerischen Kreisbehörden auch. Dennoch denke man nach diesen Vorgängen jetzt intensiv darüber nach, ob nicht weitere Sicherheitsstufen bei der Abwicklung von Zahlungen eingebaut werden könnten. Eine einfache Lösung sei aktuell nicht in Sicht. Es seien auch bisher alle kassenrechtlichen Sicherheitsvorschriften punktgenau eingehalten worden, "doch gegen kriminelle Energie ist man halt letztlich nicht gefeit. "

PK

Robert Schmidl