Kathedralen und Landungsstrände

Es war ein nicht alltägliches Erlebnis: Der Vereinsausflug führte die Soldatenkameradschaft Förnbach zu den Landungsstränden der Alliierten in der Normandie und nach Mont-Saint-Michel. <DK-Autor> <?ZS> <?ZA> <?ZuVor "-9dp">Von Hermann Kreileder<?ZE></DK-Autor>

12.07.2018 | Stand 23.09.2023, 3:42 Uhr
Hermann Kreileder
Ein Kranz für die Gefallenen: Die Reisegruppe der Förnbacher Soldatenkameradschaft nach der Kranzniederlegung vor dem Tumulus, einem sechs Meter hohen Hügelgrab im Soldatenfriedhof La Cambe. −Foto: Foto: Kreileder

Es war ein nicht alltägliches Erlebnis: Der Vereinsausflug führte die Soldatenkameradschaft Förnbach zu den Landungsstränden der Alliierten in der Normandie und nach Mont-Saint-Michel.

Förnbach (PK) Zunächst steuerte 49-köpfige Gruppe Laon, die Hauptstadt des Départements Aisne an. Schon von weitem grüßten die Türme der gotischen Kathedrale von der Oberstadt herab. Mit ihren vielen mittelalterlichen Bauwerken liegt sie auf einem fast zwei Kilometer langen Tafelberg aus Kalksteinfelsen. Sie bildet die größte zusammenhängende unter Denkmalschutz stehende Fläche Frankreichs. Zudem ist die sieben Kilometer lange Stadtmauer bis heute erhalten. Grau schimmernder Stein, von Grün umgeben, die Gassen, die befestigten Tore, Legenden um die Kathedrale machen die Besonderheit der Stadt aus. Hier war wegen der großen Entfernung eine Zwischenübernachtung nötig und lohnend.

So ergab sich von selbst am nächsten Morgen eine Besichtigung einer der bedeutendsten frühgotischen Kathedralen Frankreichs, deren Bau 1155 begann und bereits nach 80 Jahren vollendet war. Ihre Architektur hatte Einfluss auf die englische Gotik, aber auch auf den Limburger, Bamberger und Naumburger Dom. Charakteristisch ist das filigrane Gliedersystem der Türme mit 16 vollplastischen Ochsen, die zwischen den Säulen im obersten Geschoss hervorschauen. Zum ersten Mal wird hier in Laon auch eine Fensterrose verwendet. Im Innenraum gibt es nur noch Säulen. Sie verleihen der Architektur eine gewisse Leichtigkeit und Offenheit. Ein zwischenzeitliches Fazit: Man könnte in dieser Stadt leicht einen ganzen Tag verbringen, um alle ihr Sehenswürdigkeiten zu erkunden.

Weiter ging jedoch die Fahrt auf der A 26, dann auf der A 29 vorbei an Amiens in Richtung Le Havre. Dort wird auf der 1995 eingeweihten Pont de Normandie die Seinemündung überquert. Diese Schrägseilbrücke besitzt mit 856 Metern die größte Spannweite in Europa. Mit ihren Vorlandbrücken weist sie eine Gesamtlänge von fast 2200 Metern auf, ihre beiden Pfeiler sind 203 Meter hoch. Ein so gigantisches Bauwerk ringt allen höchste Bewunderung ab. Ganz anders dann der Eindruck der pittoresken Hafenstadt Honfleur, die die Gruppe nach Überquerung der Brücke erreichte. Malerisch hier nicht nur der Hafen, sondern auch die schmalen, sechs Stockwerke hohen Häuser, die vielen kleinen Läden und Kneipen. Besonderes Interesse erweckte die Kirche Saint Catherine mit ihrem freistehenden Turm. In der Mitte des 15. Jahrhunderts von Schiffszimmerleuten mit zwei Zwillingsschiffen ganz aus Holz erbaut, zählt sie zu den historischen Denkmälern.

Mit Honfleur ist die Region Calvados in der Normandie erreicht. Der Besuch einer Calvadosbrennerei sollte die Anreise nach Caen, dem Stützpunkt für die nächsten drei Tage, noch einmal auflockern. Nicht nur die Erläuterungen zu Geschichte, Herstellung und Lagerung des bernsteinfarbenen Apfelbranntweins fanden großes Interesse, auch die Verkostung. Am Abend wurde dann Caen, die größte Stadt im Département Calvados erreicht. Sie liegt 50 Kilometer südwestlich von Le Havre. Die Stadt, die in ihren Ursprüngen auf die Kelten zurückgeht, war im Laufe der Jahrhunderte oftmals Schauplatz großer Machtkämpfe und Kriege.

Nach einer ersten Übernachtung stand eine mehrstündige Stadtführung an, in deren Mittelpunkt die geschichtliche Entwicklung stand. Der Weg führte zu den romanischen Kirchen Saint-Étienne und Sainte-Trinité, die zu den wichtigsten Baudenkmälern in der Normandie gehören und natürlich auch zur Burg Wilhelm des Eroberers. Es wurde an die Eroberung und Plünderung im Hundertjährigen Krieg erinnert, an die Besetzung durch die Engländer bis 1450 und die Rückkehr an die französische Krone, an die Gründung der Universität 1432, an Pestepidemien und die Hugenottenkriege. Im ersten Weltkrieg diente die Stadt als Kriegsgefangenenlager für deutsche Soldaten. Im Zweiten Weltkrieg, als die Westalliierten die Küste der Normandie als Landungsort für die Invasion festlegten, wurde die Stadt von den Alliierten weitestgehend durch deren Bombardement zerstört. Nach der Landung am 6. Juni 1944 sollte die von deutschen Einheiten besetzte Stadt in wenigen Tagen erobert werden, was aber am unerwartet massiven Widerstand erst am 9. Juli 1944 gelang.

Der Rest des Tages war ganz den Stränden der Alliiertenlandung vorbehalten. Im Mittelpunkt der fünf Strandabschnitte, von Ost nach West mit den englischen Namen Sword Beach, Juno Beach, Gold Beach, Omaha Beach und Utah Beach benannt, standen vor allem der Besuch von Gold und Omaha Beach.

Als die Gruppe die Küste von Arromanches erreicht, verhüllt zunächst noch Nebel die Überreste des künstlichen Hafens. Als die Sonne durchbricht, wurden die von Winston Churchill angeregten und nach ihm benannten Hafenanlagen weitverstreut vor der Küste sichtbar. Die vorgefertigten Bauteile wurden gleich nach der Landung von Schleppern hinter der Invasionsflotte über den Ärmelkanal gezogen, auf hoher See verankert und bildeten die ersten Wellenbrecher. Den selben Zweck erfüllten auch versenkte Schiffe. Von hier kamen täglich Unmengen an Soldaten, Ausrüstung und Material zur Verstärkung der Armeen.

Nächstes Ziel waren die noch in gutem Zustand befindlichen schweren Batterien in Longues-sur-Mer. Die mit 150-Millimeter-Kanonen bestückten Batterien, Anfang 1944 etwa 300 Meter vom Küstenstreifen zurückgesetzt erbaut, wurden erst schwer bombardiert, hielten aber noch einen Tag lang dem Feuer von vier Panzerkreuzern stand, ehe sie am Abend zum Schweigen gebracht waren. Auch die Förnbacher wurden schweigsam, als sie direkt am Strand von Vierville-Saint-Laurent entlangfuhren. Hier waren die Verluste der anlandenden Soldaten wegen des mörderischen Feuers aus den Bunkern am gesamten Strandabschnitt am höchsten. Manche Einheiten wurden fast völlig vernichtet.

Dann ging es weiter zum Pointe du Hoc. Hier bilden etwa 30 Meter hohe Klippen einen Felsvorsprung, auf dem die Deutschen eine starke Artilleriebatterie aufgebaut hatten. Im Mai und Juni wurde die Batterie schwer bombardiert. Am D-Day gelang es Rangern des zweiten Bataillons in nur wenigen Minuten die sehr glitschige Felswand und unter ständigem Beschuss bis zum Gipfel zu gelangen. Dort oben aber mussten sie ohne Nachschub und ständigen Gegenangriffen der Deutschen ausgesetzt, in diesem irrsinnigen Unterfangen höchste Verluste hinnehmen: Von 225 Rangern waren nur noch 90 in der Lage, sich zu verteidigen. Fast 80 hatten hier ihr Leben gelassen. Pointe du Hoc ist heute ob dieses unsinnigen Vorgehens der meist besuchte touristisch historische Ort der Normandie. Es ist nur zu hoffen, dass nicht nur die riesigen Bombenkrater und Granateinschläge, und zerstörten Flakstellungen bestaunt werden. Bis Ende Juli 1944 haben die Alliierten gegen starken deutschen Widerstand erst die Normandieküste und die Halbinsel Cotentin erobert. Erst danach gelang der Durchbruch. Bis zu diesem Zeitpunkt verloren 114000 deutsche Soldaten ihr Leben, 41000 gerieten in Gefangenschaft. Die Alliierten verloren 122000 Soldaten.

Es ist schwierig, unter den zahlreichen Museen das richtige auszuwählen. Die Förnbacher Soldatenkameradschaft entschied sich für das Overlord Museum. Dieses Museum bietet als eines der wenigen Informationen auch in deutscher Sprache. Ein trauriges Kapitel wird lebhaft und authentisch dargestellt.

Emotionaler Höhepunkt des "Invasionstages" war die Kranzniederlegung im deutschen Friedhof von La Cambe, wo 21222 deutsche Soldaten ihre letzte Ruhestätte gefunden haben. 1954 ging La Cambe offiziell auf den Volksbund über. Am 21. September 1961 wurde La Cambe als deutsche Kriegsgräberstätte eingeweiht. Die Mehrzahl der Beigesetzten fiel zwischen dem 6. Juni und dem 20. August 1944. Sie waren zwischen 16 und 72 Jahre alt. Im Gedenken an sie legten die Förnbacher einen Kranz im Namen der Soldatenkameradschaft nieder und sprachen gemeinsam ein Vaterunser, dann ging jeder für sich durch die mit quadratischen Grabplatten und steinernen Kreuzesgruppen versehenen Grabreihen. Im Gästebuch ist folgender Satz zu lesen: "Wenn man all diese Gräber sieht, dann kann man sich nur fragen, warum der Mensch noch nichts gelernt hat!"

Was wäre eine Normandiereise ohne den Besuch von Mont-Saint-Michel, der nach dem Pariser Eiffelturm meistbesuchten Sehenswürdigkeit Frankreichs. Mächtig erhebt sich der Berg im Sonnenlicht aus dem Wattenmeer. Vom Busparkplatz fährt ein Pendelbus auf einem Steg zur Insel. "Wir sind mit unseren 49 Leuten ein winziger Teil der jährlich etwa 2,3 Millionen Besucher. Dank der frühen Stunde können wir ohne Gedränge der Führungslinie folgen, fotografieren, stehenbleiben, schauen, bewundern." Ohne Bauten ist die Insel 92 Meter hoch. Das erste Sanktuarium geht auf die Zeit um 708 zurück. Heute leben im Abtgebäude Brüder und Schwestern der Gemeinschaften von Jerusalem. Ständig wurde in der Folgezeit auf- und angebaut, abgebrochen, wieder gebaut. Gotik findet sich über Romanik, Kirchen, Säle, ein Kreuzgang, Treppenfluchten, Ecken, Winkel und eine grandiose Aussicht auf Meer und Watt. Der Tidenhub beträgt 12 Meter. "Wir sind bei Ebbe hier. Tief beeindruckt können wir ein Traumziel gegen Mittag, als der Besucherandrang sichtbar wird, verlassen."

Die Heimreise führte die Gruppe über Le Havre an die Smaragdküste. "Noch einmal wird uns in der zweitgrößten Hafenstadt Frankreichs deutlichgemacht, wie diese Stadt unter dem Bombardement der Engländer gelitten hat: Die Stadt wurde fast vollständig zerstört, in Betonbauweise wieder errichtet und hat ein völlig neues Gesicht erhalten." Architektonischer Höhepunkt ist die Kirche Saint Joseph, ein Bauwerk, das Kraft, Stärke und Eleganz in sich vereint. Sie sollte nach den Wünschen des Planers Auguste Perret auch ein Denkmal zur Erinnerung an die Kriegsopfer sein.

Der Besuch von Etretat an der Smaragdküste mit seinen Klippen, Alabastergipfeln und Tordurchbrüchen bildet einen letzten Höhepunkt einer erlebnisreichen, harmonischen Reise. Nach einer letzten Zwischenübernachtung, wiederum in Laon, geht es heimwärts und es kann wieder von einer neuen Reise geträumt werden.

Hermann Kreileder