Dritte Startbahn: Ein Bruch mit unserer Demokratie

08.10.2018 | Stand 02.12.2020, 15:31 Uhr
Flugzeuge über den Kaminen. Beim Bau einer dritten Start- und Landebahn werden, wie unser Leser Lukas Finkenzeller befürchtet, die Emissionen und der Fluglärm weiter zunehmen. −Foto: privat

Zur Debatte um die dritte Startbahn am Münchner Flughafen:Seit mehr als zehn Jahren wird über die dritte Startbahn am Flughafen München gestritten.

Doch seit einiger Zeit ist es sehr still darum geworden. Wie mir erscheint, ein taktischer Zug der Staatsregierung: Die CSU, die auf den Ausbau pocht, hat dieses Thema aus dem Wahlkampf verbannt. Schade, denn viele Menschen Ober- und auch Niederbayerns werden die Folgen der dritten Startbahn unmittelbar spüren. Ich möchte das Großprojekt von ökologischer, wirtschaftlicher und demokratisch-menschenrechtlicher Seite betrachten.
Erst einmal sind die ökologischen Konsequenzen eines solchen Projektes nicht unerheblich. Dem Bau der dritten Start- und Landebahn würden 900 Hektar Land zum Opfer fallen. So werden auch die letzten Reste des Erdinger Mooses vernichtet, die sogenannten Ausgleichsflächen des Flughafens. Dabei tragen intakte Moore enorm zum Klimaschutz bei, weil diese viermal so viel Kohlendioxid aufnehmen können wie die gleiche Fläche Wald. Außerdem nehmen durch die dritte Landepiste auch die Emissionen und der Fluglärm zu. Die Feinstaubbelastung in der Flughafenregion ist schon jetzt erheblich. Die Böden in den Einflugschneisen entlang der Landebahnen sind so stark mit Schwermetallen belastet, dass Gemüse aus dem eigenen Garten nicht verzehrt werden kann. Das ist kein Wunder: Der Verbrauch von Flugzeugen beim Startflug ist gewaltig: Laut dem deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt verbraucht beispielsweise eine Boing B 747 in den ersten zwei Kilometern 470 Liter Kerosin. Dies entspricht einem Verbrauch von 23500 Litern je 100 Kilometer. In unmittelbarer Nähe zur Startbahn donnern 500 Flugzeuge am Tag über die Köpfe der Menschen. Und während die Politik seit Jahren um das Dieselproblem auf der Straße "eiert", wird die Flughafenregion verrußt. Klar, Bayern braucht ja eine gute Wirtschaft, sagt Herr Söder gerne. Doch welchen Preis wollen wir Menschen dafür bezahlen?
Ferner gilt es, die wirtschaftliche Notwendigkeit der dritten Start- und Landebahn zu betrachten. Die Zahl der Flugbewegungen am Münchner Flughafen ist laut Betreibergesellschaft in den letzten Jahren leicht angestiegen, liegt aber nach wie vor gut hinter den Spitzen von 2011 und 2008 zurück. Von einer Kapazitätsgrenze ist der Flughafen München momentan weit entfernt - dieser ist für ein größeres Kapazitätsvolumen ausgelegt als die fünf größten Flughäfen in Europa. Auch von Seiten des Arbeitsmarktes ist der Flughafenausbau meiner Ansicht nach nicht erforderlich, ja sogar wirtschaftlich kontraproduktiv. Die Flughafenregion weist eine der geringsten Arbeitslosenquoten von ganz Bayern auf. Die Arbeitsplätze, die durch den Flughafenausbau geschaffen werden, können folglich nur durch zusätzlichen Zuzug belegt werden. Das wird die Preise für Wohnraum in Südbayern noch rapider in die Höhe schnellen lassen als bisher. Dabei sind die Mieten und Immobilienpreise im Großraum München für viele Familien und Rentner schon heute kaum noch finanziell zu stemmen. Es stellt sich also die Frage, wie die Christsozialen mit ihrer Haltung zur dritten Startbahn der Forderung nach bezahlbarem Wohnraum nachkommen wollen. Gibt es hier überhaupt ernste Bestrebungen? Mit einer staatlichen Wohnbaugesellschaft diese Problematik in den Griff zu bekommen, ohne nach den Ursachen zu suchen? Für mich utopisch.
Abschließend betrachte ich das Großprojekt von Seiten unseres Grundgesetzes. Der Bau der dritten Startbahn ist für mich nicht mit den Menschenrechten und den Grundsätzen der Demokratie vereinbar. Jeder Mensch besitzt - unabhängig von seinem Wohnort - ein Recht auf Menschenwürde und Unversehrtheit sowie ein Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz. Gerade aber beim Umgang mit den Attachinger Bürgern sehe ich diese Rechte verletzt. Wie wird die geplante Enteignung der Attachinger Bürger bei der derzeitigen Notwendigkeit der Startbahn begründet? Freilich, absolut gleiche Lebensverhältnisse für die Menschen nach striktem Gleichheitsrecht wird es nie geben. Aber es ist Aufgabe der Politik, die Menschenrechte so gut es geht umzusetzen. Man könnte zum Beispiel darüber nachdenken, den Nürnberger Flughafen wirtschaftlich zu stärken, anstatt München mit Flügen vollzustopfen. Das derzeitige Niveau der Flugbewegungen am Flughafen München scheint nämlich erkauft: Seit 2005 gab die Flughafenbetreibergesellschaft knapp 300 Millionen Euro Zuschüsse dafür aus, um Flugverkehr nach München zu locken.
Ich finde jedenfalls, Herr Söder sollte sich mehr dafür einsetzen, dass die Heimat der Menschen im Erdinger Moos bewahrt, anstatt zerstört wird. Haben viele von uns doch seine Wahlkampfreden im Ohr, in denen er überaus von der Heimat Bayern schwärmt. Die Flughafenregion scheint ihn dabei nicht sonderlich zu interessieren: Söder, der als Aufsichtsratschef Mitglied der Betreibergesellschaft des Flughafens ist, deutete in der Vergangenheit bereits an, die Flughafen München GmbH in eine AG umbenennen zu wollen. Dann hätte die Stadt München, die 23 Prozent Anteile am Flughafen besitzt, kein Vetorecht mehr gegen die dritte Bahn. Wird die dritte Startbahn wirklich "durchgedrückt", wäre das meiner Ansicht nach ein Bruch mit unserer Demokratie. Demokratie ist die Herrschaft des Volkes - und dessen Wille wird umgangen.
Lukas Finkenzeller
Kreuth