Pfaffenhofen
Weihnachtliches Kontrastprogramm

Das dritte Pfaffenhofener Rathauskonzert ist ebenso anspruchsvoll wie zwiespältig

17.12.2018 | Stand 23.09.2023, 5:25 Uhr
Sieben Frauen wie aus einem Guss: Schwierigste Chorwerke bewältigte das "Ensemble Chiave" eindrucksvoll. −Foto: Steininger

Pfaffenhofen (PK) Zwiespältige Resonanzen hat das 3. Rathauskonzert mit dem "Ensemble Chiave & Cäcilia Roder" beim Publikum hinterlassen. Denn das erlebte ein Kontrastprogramm gegenüber herkömmlicher Weihnachtsmusik, das gleichermaßen faszinierte wie forderte.

Wer sich seinen Weg zum Rathaussaal durch den Christkindlmarkt bahnte, wurde förmlich eingelullt vom kommerziellen Weihnachtsgedudel, dem man sich wochenlang kaum entziehen kann. Deshalb freute man sich auf ein Alternativprogramm, das sieben junge Sängerinnen der Freisinger Domkantorei und eine ebenso junge Harfenistin erwarten ließen. Feierliche Weihnachtslieder versprachen "A Ceremony of Carols", die Benjamin Britten für hohe Stimmen und Harfe geschrieben hatte, also ein maßgeschneiderter Einstieg ins Programm.

Das aus elf unterschiedlichen Sätzen bestehende Werk beginnt ("Procession") und endet ("Recession") mit jeweils Gregorianischen Chorälen und enthält ein Harfensolo ("Interlude"). Unter dem Dirigat von Angelika Sutor bewies das gesamte Ensemble schon zu Beginn, dass es seine diversen Preise und Auszeichnungen vollauf verdient hat. Mit Stimmen von zart bis ausdrucksvoll, mit ausgeprägter Dynamik, voller Gefühl und Andacht, von sonoren Tönen bis hinauf in den hohen Diskant, mit feinfühligem Satzgesang und mit feinsten, klanglichen Nuancen. Die ganze Pracht des Rokoko vermittelte die "Toccata" von Pietro Domenico Paradisi, von Cäcilia Roder virtuos auf der Harfe dargeboten.

Aber das Programm wurde zunehmend anspruchsvoller, für das Ensemble wie für die Zuhörer gleichermaßen. David Macintyres "Ave Maria" beispielsweise verließ endgültig herkömmliche Melodik und Harmonik, voller Synkopen und mit dem "Ave, Ave" im schrillen Diskant. Das empfand so mancher wie einen kompositorischen Affront gegenüber Gounods gleichnamigen Klassiker. Das aber soll die Leistung des a cappella singenden Ensembles keineswegs schmälern, das arbeitete sich bis zur Pause durch Werke voller Dissonanzen und schräger Stimmen, die die Sängerinnen forderten, aber auch manche Zuhörer in mehrfacher Hinsicht überforderten.

Gustav Holsts "Choral Hyms from the Rig Veda" beschreibt musikalisch die vier Elemente Erde, Wasser, Luft und Feuer, insbesondere bei der "Hymn to the Waters", deren fließende Wasser Cäcilia Roder eindrucksvoll mit Harfenklängen förmlich illustrierte. Mit "Au Matin" Etude de Concert von Marcel Tournier gelang ihr sogar noch eine solistische Steigerung, sie brillierte mit perlenden Harfenklängen und bot Balsam für die Ohren.

Locker, heiter, beschwingt dagegen die Damen mit dem Weihnachts-Ohrwurm "Jingle Bells" in der modernen Bearbeitung von Gordon Langford, ein Lied zum Aufatmen für das Auditorium. Wie auch "The Christmas Can Can", eine humoristische Mischung, die mit Schlusstakten aus "Stille Nacht, heilige Nacht" beginnt und überleitet zu Variationen über Offenbachs berühmten "Can-Can" aus "Orpheus in der Unterwelt".

Mit dem Traditional "God Rest You Merry Gentlemen" und "Jul" von Gustaf Nordqvist als Zugaben beendete das Ensemble ein Konzert mit weihnachtlich-festlicher Musik nicht ganz nach dem Geschmack eines gespaltenen Publikums. Dessen Urteile reichten von schierer Begeisterung bis hin zur völligen Ablehnung des Gebotenen. Denn etliche, konzerterprobte Zuhörer empfanden das Programm als zu "schwermütig", "dissonant", "atonal", alles Adjektive, die sich auf die neuzeitlichen Komponisten bezogen. So gerieten die Leistungen der Vokalistinnen Anna-Katharina Sutor, Elisabeth und Miriam Fusseder, Felicitas Höfler, Cordula Kraetzl, Lisa Seidel und Franka Weidlich unverdient ins Hintertreffen, weil deren Können gerade durch die schwierige Gesangsmaterie beeindruckend war. "Chiave" bedeutet soviel wie "Schlüssel", also der Schlüssel zur Musik, die sich allerdings nicht jedem erschloss.
 

Hans Steininger