Hohenwart
Vom Leben der Heimatvertriebenen

PK TRIFFT Jürgen Vogl, der ein Buch über seine ganz persönliche Flüchtlingsgeschichte geschrieben hat

21.11.2019 | Stand 02.12.2020, 12:34 Uhr
Hohenwarts Bürgermeister Manfred Russer (rechts) zeigte sich von Jürgen Vogls Buch "Als Flüchtlingsbua in Hohenwart-Paar" sehr angetan. −Foto: Berger

Hohenwart (PK) Der ehemalige Hepberger Rektor Jürgen Vogl hat ein neues Buch geschrieben.

Der Titel: "Als Flüchtlingsbua in Hohenwart-Paar". Nicht der erste Text des langjährigen Mitarbeiters unserer Zeitung. Die Familie Vogl lebte in den Nachkriegsjahren von 1946 bis 1955 am Marktplatz Hausnummer 5, heute Kirchstraße 2.

In dem reich illustrierten Buch erzählt Vogl, der 1940 in Eger zur Welt kam, von den letzten Wochen im Egerland, von der Vertreibung und von der schwierigen Nachkriegszeit als Heimatvertriebener im damals ruhigen Markt Hohenwart. Diese Aufzeichnungen über seine Kindheit bilden einen bemerkenswerten Beitrag zur Hohenwarter Zeitgeschichte.

Alle Einheimischen und die vielen Neubürger mussten damals zunächst mit dem enormen Wohnungsnotstand zurechtkommen. Die damaligen hygienischen Verhältnisse sind heute kaum vorstellbar. In dieser Zeit galt "Schmalhans" als Küchenmeister, und die Frauen zeigten ihre Kochkünste, indem sie aus nichts ein Essen auf den Tisch zauberten. Wegen der kargen Ernährung kamen Ärzte zur Rippenprüfung an die Schule, und um Unterernährung zu vermeiden, erhielten Flüchtlingskinder eine Schulspeisung aus amerikanischen Militärbeständen.

In jenen Jahren legten die Neubürger - oftmals auch Zuagroaste, Rucksackdeutsche, Habenichtse, Beutedeutsche, Sudetengauner und Ruhestörer genannt - am Ortsrand Schrebergärten an. Die Ernährung zählte mit zu den schwierigsten Aufgaben und wurde zum Überlebenskampf. Kardinal Frings billigte den Diebstahl zum Eigenbedarf, wenn es um die Ernährung oder um Heizungsmaterial ging. In diese Zeit fiel dann 1948 die Währungsreform. Durch Lastenausgleich sollte eine raschere Integration vorangetrieben werden. Bei großer Arbeitslosigkeit blühte der Schwarzmarkt.

Vogl erzählt auch über die Rolle der Schneider. Seine Mutter arbeitete gelegentlich bei Hohenwarter Familien. Alte Mäntel, Jacken oder Röcke wurden aufgetrennt und der gewendete Stoff diente für ein neues Kleidungsstück.

In dem Buch erfährt der Leser so manches vom ländlichen Leben mit damals noch zahlreichen Bauernhöfen im Ort. Zum Bauernalltag gehörte die Stallarbeit, das Dengeln der Sensen, das Hausschlachten, das Buttern, Dreschen und die schwere Arbeit auf den Feldern. Zum Glück lagen um Hohenwart fruchtbare Ackerböden, auf denen Getreide und Kartoffeln, Hopfen und Spargel angebaut werden konnten. Die Flüchtlinge wurden für ihre fleißige Mitarbeit als Erntehelfer mit Naturalien entlohnt. Die tüchtigen Hopfenzupfer verdienten dabei einen beträchtlichen Lohn. An die Erlebnisse mit dem Aberglauben wie beim Wetterläuten wird ebenso erinnert wie an die schweren Waschtage für die Hausfrauen.

Nach 1950 verbesserte sich die Infrastruktur. Auf mehreren Seiten berichtet Vogl von der allmählichen Weiterentwicklung des Verkehrs. Zu einem lebendigen Ortsleben trugen auch damals die örtlichen Vereine wesentlich mit bei, die für ihre Einsätze auch eine besondere Würdigung erfahren. An der Volksschule mussten wegen der kinderreichen Familien recht große Klassen mit über 80 Buben und Mädchen gebildet werden, die im Schul- und Rathaus durch Schichtunterricht betreut wurden.

Und es geht um das Leben der Kinder an der Paar. Der Autor schwärmt geradezu noch vom fantastischen Spielplatz am sogenannten Schanzl und vom herrlichen Freibad mit Liegewiese an der Paarschleuse. Er schreibt auch von den vielfältigen Kinderspielen in der damaligen Zeit, wobei der Straßenfußball immer an erster Stelle stand.

Vom religiösen Leben geprägt, berichtet Vogl über den kirchlichen Jahreskreis in jenen Jahren und beendet sein Buch mit bemerkenswerten Erinnerungen an den Amtsdiener Ludwig Moser, an das nahe Hinterkaifeck, das Leimbeck-Kino, von der einst strengen Erziehung, von Überschwemmungen und riskanten Zuinfahrten auf dem Freigraben. Das Buch ist im Schreibwarengeschäft Schweiger in Hohenwart erhältlich.