Togo reagiert "rasch und rigoros"

Maskenpflicht wird von den Bürgern trotz tropischer Temperaturen befolgt

05.03.2021 | Stand 23.09.2023, 17:13 Uhr
Häufiges Händewaschen ist auch für die Mädchen und Buben im Kinderzentrum Pflicht. Masken müssen sie tragen, sobald sie ihr Zuhause verlassen oder mit Menschen außerhalb ihres Waisenheimes zusammentreffen. −Foto: Privat

Geisenfeld/Togo - Was für die meisten Mitteleuropäer eine nie zuvor erlebte Katastrophe ist, darin haben viele afrikanische Staaten fast schon Routine.

Die Coronakrise reiht sich auf diesem Kontinent in eine lange Reihe von Seuchen und Pandemien wie Malaria, Aids oder Ebola ein. Entsprechend schnell haben die Verantwortlichen auch im westafrikanischen Togo auf die ersten Nachrichten von einem neuartigen Virus reagiert. Brigitte Peters und Amidou Mahamadou aus Geisenfeld, die seit 2009 in der Nähe der Hauptstadt Lomé ein Zentrum für Waisenkinder betreuen, berichten von "rasch eingeleiteten, rigorosen Schutzmaßnahmen".

Schon im März 2020 galten demnach in dem Land am Golf von Guinea strenge Regeln, die unter anderem eine vorübergehende Komplettschließung der Grenzen (mit Ausnahme des Warenverkehrs) beinhalteten. Großveranstaltungen wurden abgesagt, die Strände gesperrt und zunächst für Händler auf den Märkten, später für alle Bewohner des Landes die Maskenpflicht im öffentlichen Raum eingeführt. "Bei Temperaturen weit über 30 Grad im Schatten ist das Tragen des meist selbstgenähten Mundschutzes kein Vergnügen", so die Geisenfelderin, die umso überraschter ist, wie geduldig die 20 Buben und Mädchen in dem vom Geisenfelder Verein Tamatogo getragenen Heim die Auflagen bis heute befolgen. "Auch sie konnten wegen des Lockdowns und der damit verbundenen Schulschließung die Einrichtung über Monate nicht verlassen", erklärt die Vereinsvorsitzende. Anders als viele Altersgenossen waren sie aber rund um die Uhr betreut, statt notgedrungen den Eltern auf dem Feld helfen zu müssen. Für diese Kinder sei Homeschooling ein Fremdwort und das Coronajahr in Sachen Bildung "tatsächlich ein ganz verlorenes Jahr", rückt Peters die deutsche Perspektive ein wenig zurecht.

Schon im April galten in Togo Reise-Warnungen und bisweilen Verbote für Hochrisikogebiete. Sie selber waren wegen der Quarantänevorschriften seither nicht mehr persönlich bei "ihren" Kindern sondern halten über deren Betreuer Kontakt. Auch in Togo wurden Hotspots mit hoher Inzidenz abgeriegelt und eine nächtliche Ausgangssperre von 20 bis 6 Uhr morgens verhängt. Die Einhaltung der Vorschriften und der Hygieneregeln (kommuniziert unter anderem auf einer eigens eingerichteten, staatlichen Covid-19-Homepage) wurden streng kontrolliert. Schon im April richtete man dafür eine 5000-Mann starke Task-Force ein, die "offenbar nicht zimperlich mit den vergleichsweise wenigen Übertretern umging", wie Peters von Bekannten immer wieder hört. "Auch bei Beerdigungen, an denen sonst über mehrere Tage Hunderte von Menschen teilnehmen, waren nur noch 15 Personen erlaubt", erklärt Amidou Mahamadou, der aus der Hauptstadt des Landes stammt. Im Sommer habe es zeitweilig Lockerungen gegeben, diese seien aber mittlerweile wieder zurückgenommen worden, erklärt er.

Bis zum 23. Februar wurden vielfach in mobilen Laboren laut offizieller Statistik rund 230000 Tests unter den rund sieben Millionen Einwohnern durchgeführt. Das Ergebnis: 6348 bestätigte Fälle. Offiziell verstarben 81 Menschen an oder mit Corona - wobei diese Zahlen "nicht wirklich belastbar sind", so der 54-Jährige. Denn Krankenhäuser sind außer in der Hauptstadt ebenso dünn gesät wie Arztpraxen. Totenscheine mit bestätigter Diagnose gibt es also auf dem Lande kaum. Allerdings sei die Sterberate sicher deutlich niedriger als hierzulande, "weil die Bevölkerung einfach viel jünger und damit weniger von schweren Verläufen gefährdet ist", meint seine Frau mit Blick auf ein Durchschnittsalter von derzeit knapp 20 Jahren.

Impfungen, so weiß Peters, "sind in diesem Land, das zu den ärmsten der Welt zählt, noch kein Thema". Ein Blick auf den Human Development Index zeigt: Togo rangiert auf Platz 166 von 188 Ländern. Die Erzieherin und ihr Mann - beide durch ihre Trommlergruppe Tama Togo im Landkreis bekannt - freuen sich, dass "bisher keines unserer Kinder im Heim infiziert wurde". Wobei man ganz allgemein wegen der Nähe zur Hauptstadt, in der jederzeit ein Kinderarzt für die kleinen Bewohner der Einrichtung bereitsteht, "schon sehr privilegiert ist".

Für viele Togolesen sei die Pandemie jedoch "in ganz anderer Hinsicht eine existenzielle Bedrohung", so Peters. Wer wie über die Hälfte der Bevölkerung Togos unter der Armutsgrenze von der Hand in den Mund lebe und keinerlei Absicherung habe, dem drohten schnell Hunger und Elend. Marktfrauen durften, um Gedränge zu vermeiden, zum Beispiel im Wechsel nur noch jeden zweiten Tag ihren Stand aufstellen - "das bedeutet mindestens 50 Prozent Einkommenseinbußen", gibt sie zu bedenken.

Um die schlimmsten Fälle abzumildern hat die Regierung einen Hilfsfonds aufgelegt. Für Betroffene war zeitweilig unter bestimmten Voraussetzungen auch der Wasser- und Stromverbrauch kostenfrei. Ansonsten nehmen die Menschen die Auflagen und Einschränkungen "diszipliniert und ohne Murren hin", erzählt Mahamadou und ergänzt: "In meiner alten Heimat kann sich ohnehin keiner einen Urlaub leisten, man ist also sowieso immer daheim bei seiner Familie". Man sei zufrieden wenn man ein bescheidenes Dach über dem Kopf und sein tägliches Brot - in diesem Fall etwa seinen Maniokbrei - habe. Außerdem sei eine gewisse Schicksalsergebenheit Teil der kulturellen Tradition des Landes.

PK

Maggie Zurek