Geisenfeld
Stilles Örtchen mit Panoramablick

Anlässlich des Welt-Toilettentages lüften wir anrüchige Geheimnisse über frühere sanitäre Verhältnisse

15.11.2018 | Stand 02.12.2020, 15:14 Uhr
Wie ein Schwalbennest klebt dieses aus dem 19. Jahrhundert stammende Klo an der Außenmauer des Klosterstocks. −Foto: GZ-Archiv

Geisenfeld (GZ) Wenn Dinge"zum Himmel stinken", dann ist es Aufgabe einer Zeitung, darüber zu berichten. Anlässlich des Welt-Toilettentages, der am Montag begangen wird, nehmen wir dies nun einmal ganz wörtlich. Auf Basis des Wissensschatzes des früheren Heimatpflegers Helmut Weinmayer beleuchten wir einen Punkt der Geisenfelder Historie, über den sonst aus Gründen des guten Geschmacks der Deckel draufgehalten wird: die sanitären Verhältnisse im Wandel der Zeit. Im Übrigen haben gerade wir als Zeitungsmacher jedes Recht, auch einmal solch ein Thema zu beleuchten - schließlich erfuhr das Produkt unserer Arbeit früher auf Tausenden stiller Örtchen eine anrüchige Zweitverwertung.

Ja unser recht reißfestes, aber nicht sehr flauschiges Zeitungspapier! Wenn das die Leute früher auf ihrem Lokus nicht gehabt hätten! Richtiges Klopapier war bis weit ins 20. Jahrhundert hinein ein Luxus. Einen besonderen Engpass gab es hier im Zweiten Weltkrieg, als alle Dinge des tagtäglichen Bedarfes rar wurden. "Auf dem Lokus nicht mal Papier, Führer befiehl, wir folgen dir", flüstert da mancher Nazi-Gegner einem Gleichgesinnten zu. Die pfiffigen Leute umgingen diesen Papiermangel und abonnierten - weniger zum Lesen als für andere Zwecke - NS-Zeitungen wie den "Völkischen Beobachter" oder den "Stürmer", für die immer Papier bereitstand.

Zumindest gab es seit 1933/34

in Geisenfeld schon eine zentrale Wasserversorgung. Seit dieser Zeit war hier der Einbau von Klosetts mit Wasserspülung möglich. Nicht zuletzt aus Kostengründen konnte sich diese Neuerung freilich nur zögernd durchsetzen, und so gab es in den Häusern der Stadt noch viele Jahre lang Aborte nach dem alten Muster.

Altes Muster - das heißt Trockenaborte, zumeist im Freien. Im Winter war das stille Örtchen saukalt, und die Exkremente froren und türmten sich nach oben, und im Sommer plagten Heerscharen lästiger Insekten den Besucher. Angesichts solcher hygienischer Verhältnisse dachte dann auch kaum einer daran, sich nach dem "Geschäft" die Hände zu waschen.

Mehrere Bürgerhäuser in der Stadt hatten einen gemauerten Abort im Haus oder als Anbau. Besonders vornehme waren mit einer Porzellanschüssel ausgestattet. Mit einem Haferl Wasser aus dem Brunnen wurde dann noch nachgeholfen. Der Durchschnitts- Geisenfelder musste hingegen lange Zeit mit einem Bretterkasten mit rundem Loch und passenden Deckel vorlieb nehmen.

Als während des Zweiten Weltkrieges von einer Geisenfelder Firma Holzhäuschen für die Front gezimmert werden mussten, wurden heimlich auch einige für die "heimische Nutzung" abgezweigt. Geleert wurden die Abortgruben mit einer Schapfe und mit Kübeln und zum Abtransport in einem Odelfass.

Die Erdanziehungskraft übernahmen hingegen die Entsorgung bei der mächtigsten historischen Abortanlage weit und breit - im früheren Geisenfelder Kloster. Kaum einer weiß wohl, dass der festungsartige Turmanbau zur heutigen Krankenhausstraße hin die Abortanlage des Klosters mit drei "Sitzplätzen" enthielt. Ein diskreter Gang führte von der ehemaligen Klausur in das Gebäude, in dem die 50 Nonnen ihre Notdurft verrichteten und ihre zinnernen Nachthaferln entleerten. Die Entsorgung erfolgte im freien Fall in ein Rinnsal am Fuße des

Turmes, das dann in die Ilm floss.

Von den einstigen Einrichtungen im Turminneren ist heute nichts mehr vorhanden, nur die Löcher für die "Donnerbalken" im Mauerwerk sind noch zu sehen. Etwas Besonderes sind hier auch die "halb-blinden" Fenster: Der Baumeister, Franziskanerbruder Philipp Plank (1660 bis 1720), hatte es verstanden, die Öffnungen so zu gestalten, dass man zwar hinaus-, aber nicht hineinsehen konnte.

Einmalig ist außer dem klösterlichen "Toilettenturm" auch ein hölzernes Klo, das wie ein Schwalbennest an der Außenmauer des zweiten Stockwerks des Klostergebäudes "klebt". Das "Häusl" stammt nicht aus der Klosterzeit. Es war notwendig geworden, als nach der Säkularisation das Gebäude geteilt wurde und diesen Teil der Weinhändler Khann erwarb. Mittlerweile ist auch dieser Gebäudetrakt - samt Schwalbennest-Häusl - im Besitz der Stadt, die mit der Inbetriebnahme des umgebauten Alten Rathauses seit gut zwei Jahren über eine wahre Luxus-Toilettenanlage verfügt. Von der die früheren Plumpsklo-Nutzer nicht mal zur träumen gewagt hätten.