Schrobenhausen
"So eine Situation hatten wir noch nie"

Beim Spargelerzeugerverband erwartet man eine ganz schwierige Saison ? Keiner weiß, ob Erntehelfer ins Land dürfen

18.03.2020 | Stand 02.12.2020, 11:42 Uhr
Der erste Schrobenhausener Spargel ist da: Auf einem Feld bei Kaltenherberg stechen Erntehelfer des Spargelhofs Seine in Mühlried die ersten Stangen der Saison. −Foto: Wöhrle

Schrobenhausen - Die Spargelbauern im Schrobenhausener Land rechnen mit einem turbulenten Jahr.

"Es wird mit Sicherheit eine ganz schwierige Saison", sagt Claudia Westner, die Vorsitzende des Spargelerzeugerverbands Südbayern, wenn sie an die zahlreichen Probleme denkt, die derzeit täglich auf sie einstürmen. Und auch Peter Strobl, der Geschäftsführer des Verbands, stöhnt angesichts der vielen Unwägbarkeiten, mit denen die Spargelbauern zu kämpfen haben. "So eine Situation hatten wir noch nie", betont der Fachmann, der seit 40 Jahren mit dem begehrten Edelgemüse zu tun hat. Die Erzeuger hätten mit jeder Menge Unsicherheiten umzugehen. "Es kann sein, dass manche Existenzprobleme bekommen", warnt Strobl. Besonders schwierig werde es für Erzeuger, die sich ganz auf den Spargelanbau konzentrieren, während Mischbetriebe zumindest noch ein oder mehrere weitere Standbeine hätten.

Ganz oben auf der Liste der Probleme steht die Frage, ob genügend Erntehelfer zur Verfügung stehen werden. Rund 2000 ausländische Saisonarbeitskräfte sind in einem normalen Jahr ins Schrobenhausener Land beschäftigt und bewältigen die Spargelernte. Sie kommen aus Rumänien, Bulgarien und Polen. Doch dürfen sie überhaupt einreisen? Gesicherte Informationen gibt es nicht, die Lage ändert sich fast täglich. Der Spargelerzeugerverband will erreichen, dass Saisonkräfte, die einen Arbeitsvertrag nachweisen können, über die Grenzen dürfen. Doch selbst wenn diese Hürde geschafft sein sollte, tauchen weitere Schwierigkeiten auf. "Zurückkehrende rumänische Arbeitskräfte müssen in ihrem Heimatland zwei Wochen in Quarantäne", berichtet Verbandschefin Westner. Hinzu komme, dass es auch bei den Erntehelfern Angst vor einer möglichen Ansteckung mit dem Coronavirus gebe.

"Manche wollen nicht kommen", bestätigt Thomas Seine, der zusammen mit seinen Eltern in Mühlried einen großen Spargelhof betreibt. Von den 200 Saisonkräften, die dort jedes Jahr beschäftigt werden, sind mittlerweile etwa 50 angereist. Wie viele von den anderen noch kommen werden, weiß er nicht. "Wir telefonieren täglich", berichtet Seine. Nicht immer mit Erfolg: "Einige haben schon abgesagt. " Und andere dürfen die Grenze nicht passieren. Drei Busse mit Arbeitskräften, die auf seinem Hof Spargel stechen, durften diese Woche die Grenze nach Ungarn nicht passieren und mussten wieder umkehren, berichtet Betriebsinhaber Manfred Seine.

Im Betrieb von Andreas Sigllechner in Hohenwart ist rund die Hälfte der eingeplanten Saisonkräfte aus Rumänin angekommen. "Das war ein Glücksgriff", freut sich der Spargelerzeuger. Seine Leute seien einfach noch rechtzeitig über die Grenze gekommen. Dass heuer alle anreisen werden, glaubt er nicht. "Die Angst ist mittlerweile bei den Leuten angekommen", berichtet er, etliche Saisonkräfte würden deshalb zu Hause bleiben. Sigllechner hat Verständnis dafür. "Es ist nicht selbstverständlich, dass man bei dieser Lage nach Deutschland kommt", meint er. Trotzdem will er das Optimale aus der jetzige Situation machen. Auch er versucht mit Hilfe von Folienmanagement das Spargelwachstum zu verlangsamen. Und er hofft darauf, dass sich die Lage wieder entspannt. "Wir tun unser Bestes, auch wenn wir nicht so arbeiten können wie normal", betont er.

Das können auch Theresia und Jakob Koppold auf ihrem Hof in Gachenbach nicht. Sie gehören zu den kleineren Spargelerzeugern im Schrobenhausener Land und wissen derzeit noch nicht, wie es weitergehen soll. "Im Moment schaut es so aus, als ob wir heuer den Spargel auf dem Feld lassen müssen", berichtet Theresia Koppold. Von den bis zu zehn Saisonkräften, die sie für die Ernte brauchen, hat keiner die Ausreise aus Rumänien geschafft. "Viele trauen sich auch gar nicht nach Deutschland", weiß sie aus Telefonaten. Hinzu kommt, dass die Absatzmöglichkeiten wegbrechen. Die Koppolds beliefern normalerweise die Gastronomie und haben auch selbst ein Stüberl, das in der Spargelzeit von Bussen angefahren wird. Die Reservierungen mussten alle angesagt werden. Theresia Koppold gibt zu bedenken, was das bedeutet: "Wir müssen in acht Wochen das Geld für das ganze Jahr verdienen. "

Überall herrscht Ratlosigkeit, dabei steht die Spargelsaison in den Startlöchern. Jeden Tag kann es losgehen. Die großen Betriebe wie die Spargelhöfe Sigllechner und Seine haben gestern bereits gestochen. Und auch bei den mittelgroßen und kleineren Erzeugern wird es voraussichtlich nächste Woche soweit sein. Weil noch unklar ist, wie viele Erntehelfer am Ende wirklich kommen, versuchen viele Erzeuger das Spargelwachstum zu verlangsamen. "Wir versuchen die Ernte nach hinten zu verlegen", erklärt Verbandsvorsitzende Westner. Beispielsweise würden auf den Feldern teilweise die Tunnelfolien, die das Wachstum beschleunigen, entfernt.

Dadurch lässt sich zwar etwas Zeit gewinnen, doch niemand weiß, ob sich das möglicherweise noch größere Problem in den Griff bekommen lässt: den Einbruch der Nachfrage. "Unser großer Abnehmer ist die Gastronomie, und die bricht derzeit komplett weg", sagt Westner mit Verzweiflung in der Stimme. Was tun? "Mir sind die Hände gebunden. Es ist nichts, was man beeinflussen kann", erklärt sie, will aber trotzdem nicht verzweifeln, sondern versichert: "Wir versuchen natürlich alles, was möglich ist. "

PK